Noch ist es nicht so weit, aber der Duft liegt schon in der Luft: in Form eines Parfums für die nächste Party, eines verschwitzten Sportshirts – oder der Zugluft, weil die Tür immer öfter aufgeht. Meine Kinder, zumindest zwei, werden groß und es wird nicht mehr lange dauern, bis einer auszieht. Sie machen sich schon jetzt rar. Die Auslands-Pläne stehen. Und ich bin für eine Umbenennung der nächsten Phase…

Wie wäre es, wenn wir das, was uns erwartet, nicht Empty-Nest nennen, sondern Open-Door?
Ich habe darüber letztens hier gelesen und liebe es. Offene Türen ist ein schönes Bild für die Phase, in der die Kinder rausflattern, aber auch hoffentlich immer wieder zurückkommen. Und auch uns Eltern stehen die Türen offen. Was für ein Chance.
Im Freundeskreis höre ich dagegen immer öfter, wie sich gefürchtet wird vor all dem, auf das wir lange hingefiebert haben: Zeit für uns. Aber im wilden Familienalltag fehlte eben genau die und damit die Chance, sich Gedanken über sein eigenes Leben zu machen. Jason Kottke schreibt so treffen: “As I often remind myself, something that can be done at any time tends to be done at no time”. Es macht also so sehr Sinn, sich frühzeitig zu fragen, ob man das Leben lebt, das man möchte und nicht alles aufzuschieben. Das versuche ich.
Klar, wenn ich mich hineinsteigere fühle ich ihn auch: den Klumpen im Hals, Herz, Bauch.
Ein dumpfes Druckgefühl, dass mich ahnen lässt, wie seltsam das werden wird. Wie sehr ich sie vermissen werde. Kein Türenknallen mehr, keine Teller auf der Spülmaschine, keine Wurst im Klo… äh, lassen wir das. Und auch: wie verdammt alt ich dann bin. Aber mein Leben wird mit dem Auszug der Kinder verdammt nochmal (hoffentlich!) nicht vorbei sein. Wenn wir Glück haben, leben wir im Haus der offenen Türen länger, als mit unseren Kindern in einem Haus. Außerdem möchte ich allein für sie positiv auf die Phase schauen, um ihnen keinen Druck zu machen. Gretchen Rubin schreibt: “I want my kids to know that they are essential to my happiness and that my happiness does not depend on them.”
Wir sind unseren Gefühlen nicht ausgeliefert, wir können sie steuern. Und am besten fangen wir rechtzeitig damit an. Und erinnern uns gegenseitig an all das Schöne, das hoffentlich vor uns liegt. Rubin schreibt: Open door, I realized, works on many levels. It emphasizes that family members leave and return, sometimes for short periods, other times for longer. It describes how my husband and I can now take a last-minute trip to visit friends, because our door is more open for us than when we had children to care for. It’s also a phrase of welcome.”
Der Smalltalk am Spielfeldrand ersetzt keine Freundinnenrunde.
Das Schöne an großen Kindern, die noch zu Hause wohnen: man muss sie nicht mehr rund um die Uhr betüddeln. Man kann sie auch mal eine Weile allein lassen. Das verschafft Zeitfenster, um sich jetzt schon auf die neue Phase vorzubereiten. Neue Hobbys auszuprobieren, Sport zu machen und sich um seine Freunde zu kümmern. Mit Kleinkindern saß ich öfter mit Freundinnen auf dem Boden und habe beim Bauklötze stapeln geredet (wenn auch oft bloß Halbsätze). Immer mal wieder kam nachmittags eine Freundin auf einen Kaffee vorbei. Inzwischen bleibt dafür nachmittags dank der Hobbyfahrten keine Zeit. Es müssen andere Zeitfenster gefunden werden.
Sobald die Kinder Teenager werden, spüren wir das große Paradoxum des Elternseins: Jahrelang arbeiten wir hart dran, dass sie allein klar kommen. Um dann erschrocken festzustellen, dass sie allein klar kommen. Um zu befürchten, dass wir ohne sie nicht klarkommen könnten. Rubin: The open door is a reminder of possibilities: What might await us on the other side? We’re not sitting in a vacated nest, passively watching as someone else takes flight; we have our own places to go and plans to make. This is a time of opportunity…”
Machen wir was draus – und beginnen damit am besten sofort: Now the way to step up is to step back, and the way to hold on is to let go, schreibt Rubin. Ich hab feuchte Augen, aber ich lächele, während ich das zitiere.
Foto: Shutterstock
Hast du Angst vor den Open-Doors? Bist du schon mitten drin? Ich würde es gern hören…





Ich liebe alles an diesem Artike. Danke für diese Perspektive.
Sehr, sehr gern. Hat mir selbst beim Schreiben auch gut getan.
Ein schönes Wochenende und liebe Grüße,
Claudi
Ich lieb alles an dem Blogbeitrag. Danke.
Das freut mich. Mir hat er beim Schreiben auch gute Laune gemacht.
Alles Liebe,
Claudi
Ich bin schon seit ein paar Jahren mittendrin, aber jetzt zieht einer meiner Söhne endgültig aus. Und leider bin ich im Loslassen echt schlecht. Aber vielleicht genieße ich es bald, nicht mehr tonnenweise Sportwäsche zu waschen und beutelweise Quark und Proteinjoghurte zu kaufen…… Danke für den Artikel
Haha, die Wäsche und das Proteinpulver – Story of my life.
Ich drücke die Daumen, dass du ganz viel genießen kannst. Immer an die Open doors denken.
Alles Liebe,
Claudi
Open Doors – was für ein schöner Sichtwechsel alleine durch die Bezeichnung. Mir geht es wie dir, die Zugluft ist zu spüren und ich genieße die Mehr-Zeit-für-mich, trauere aber auch der Alle-um-mich-herum-Zeit nach.
Jaaa, soooo viele Gefühle. Aber verrückt, was für andere Gefühle ein anderer Begriff ausdrücken kann.
Machen wir es uns schön!
Ganz liebe Grüße,
Claudi
Was für ein schöner Artikel! 🙂
Bei uns dauert es noch ein paar Jahre bis es soweit ist, aber die freien Nachmittage wenn beide Kids bei Freunden oder beim Sport sind (meist mit dem Fahrrad erreichbar, ich muss also nicht mal fahren) genieße ich schon sehr 🙂
Habe endlich wieder das Laufen angefangen und lese richtig viel.
Ich habe mir Screenshots von einigen Zitaten gemacht, mal schauen ob ich die dann noch finde wenn es mal soweit ist.
Liebe Grüße, Sandra
Liebe Sandra, Sporthobbies, die mit dem Fahrrad erreichbar sind, sind super.
Das klingt doch absolut gut und nachmittags ne Runde lesen, das wär irgendwann auch wieder mein Ziel.
Ganz liebe Grüße,
Claudi
Liebe Claudi, ich habe nur eine Tochter aber als sie ausgezogen war, habe ich zwar meine 20 besten Jahre vermisst jedoch ein tolles Kind großgezogen. Die Hobbys und so….das musste warten. Hätte ich alles gleichzeitig haben wollen, wäre es jetzt nich nicht so entspannend und aufregend. Liebe Grüße von Elke
Liebe Elke, auch super, wenn man jedes zur Zeit genießen kann.
Freue mich, dass du zufrieden zurück und nach vorn schauen kannst.
Ganz liebe Grüße,
Claudi
Genau wegen dieser Art von Beiträgen liebe ich deinen Blog! Ja, es muss auch eine Zeit nach Bauklötzen und Sportwäsche geben … trotzdem werden die Tränchen sicherlich fließen!
Ganz sicher Tränen! Dennoch schön, wenn wir uns immer wieder auch an das Schöne erinnern.
Ich freu mich, dass dir der Artikel gefällt. Danke für dein Feedback,
Claudi
Ich wundere mich immer, warum Eltern völlig emotionslos den Auszug der Kinder begleiten sollten, das scheint so der Anspruch zu sein. Heul nicht rum! Das ist so einseitig und mal wieder völlig unsinnig gedacht, denn: Wenn Menschen, die man liebt, das Leben ein Stück weit verlassen, warum sollten wir nicht um dieses Stück trauern dürfen? Und gleichzeitig Freude empfinden über die Selbstständigkeit und den neu gewonnenen Freiraum? Menschen fühlen viele Dinge gleichzeitig, das wird so oft vergessen finde ich. Man kann traurig UND fröhlich sein, alles zusammen. Das Empty Nest Syndrom ist für mich auch immer so ein bisschen Überbleibsel aus einer Zeit, in dem man einfach doppelt fies zu Frauen war (und teilweise ist das ja immernoch so): Die Mutti, die betüddelt, wird lächerlich gemacht, die die sich nicht kümmert ist eine Rabenmutter. Die, die traurig ist über den Auszug der Kinder klammert und hat sonst keinen lebensinhalt, wie armselig, die, die sich über die neue Freiheit freut, war halt nicht gern genug Mutter, wie verwerflich. Alles fiese Urteile und Stereotype und das bildet null die wirklichen Emotionen ab. ich finde es total folgerichtig und stimmig, traurig zu sein. Man kann traurig sein und trotzdem den Kindern die Freiheit von Herzen gönnen und wünschen.
Das Bild von der offenen Tür mag ich sehr. meine Eltern haben die offene Tür immer sehr gepflegt, für sich und für uns Kinder, bis heute. Und das resultat ist, dass wir zwar ausgezogen sind,k aber eben auch immer wieder zurückgekommen, in Schritten. Weg fürs Studium, aber in den Semesterferien daheim, nach dem Studium und vor dem ersten Job auch wieder daheim, auch zum Teil für länger, aber eben auch nicht mehr als Pubertier sondern als Junge Erwachsene, die zB Kochen für die Eltern, die arbeiten, während man selbst daheim sitzt und auf Jobzusagen wartet. Und dann wieder ausziehen für den ersten Job. Mit neuen Partnerschaften zusammen für Wochenendbesuche zurückkehren, irgendwann mit eigenen Kindern. Bis heute treffen wir uns alle bei meinen Eltern und lieben es, wenn es ist wie früher. Wir hängen einfach gerne zusammen ab. ich denke das ist der Idealfall. Das Ausziehen ist nur ein endgültiger Cut, wenn klar ist, dass einen zu Hause nichts hält oder nur Blödes ist un dman eigentlich nie mehr zurückkommen will. Das Bild stammt sicher auch aus der Zeit, in der Eltern noch “Solang du die Füße unter meinen Tisch streckst…” drohten. Dass Kinder dann nicht mehr zurückkommen, ist ja auch klar. Manches hat sich seitdem geändert, manches noch nicht, aber ich denke das Open Door.Bild ist viel zeitgemäßer als das Empty Nest. Und auch netter für alle Beteiligten, weil niemand als ohne Lebensinhalt verurteilt wird…
Liebe Grüße
Maja
Liebe Maja, so schöne und schlaue Ergänzungen. Du hast Recht, wir vergessen oft, dass es ständig viele Emotionen parallel gibt. Wahrscheinlich weil die meisten von uns sogar ihre Gefühle gern hübsch geordnet hätten. Und danke auch für deinen Ausblick. Ich liebe eure Kommentare hier!
Schönes Wochenende,
Claudi
Ich mag die Idee der Umbenennung in open door Zeit sehr. Auch als Mutter, die schon in der “Verdammt wie alt ich jetzt bin” Phase ist und deren Kinder sich in ihren 30ern befinden, Die Wehmut darüber, dass die Kinder die Flügel genutzt haben, die wir ihnen gegeben haben, wird nie ganz weggehen. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man irgendwann erkennt, dass die Zeit, in der unsere Kinder bei uns leben, nur eine kurze Zeit ist, gemessen an der Gesamtheit eines Lebens.
Dennoch überwiegt bei mir auch der Stolz auf das, was die Kinder aus ihrem Leben machen und die Freude darüber, immer noch ein Teil davon sein zu dürfen. Unsere Türen sind jederzeit offen, die Kinder öffnen sie auch gerne. Umgekehrt sind auch die Türen der Kinder offen und wir freuen uns auch, sie zu besuchen und da Teil ihres Lebens zu sein.
Es ist auch schön, wieder ein eigenes Leben zu führen, eigene Träume zu verfolgen und zu erfüllen – aber die Sehnsucht nach dem Familienleben, was man hatte, als die Kinder noch kleiner waren – die wird nie ganz vergehen.
Hilfreich ist definitiv, sich früh darüber Gedanken zu machen und ein bißchen auf die open door Zeit hin zu planen. Das macht es für die Eltern leichter, aber auch für die Kinder. Die sich dann nicht dauernd Gedanken machen müssen, ob sie Mama und Papa nicht vernachlässigen 😉
Liebe Grüße
Britta
Liebe Britta, oh ja, so viele Gefühle. Das hast du schön zusammengefasst. Es ist auf jeden Fall alles ziemlich emotional.
Ganz liebe Grüße,
Claudi