Wir haben dieses Jahr kein Kind eingetütet. Naja doch, aber bloß so halb. Aber von Anfang: Hier in Hamburg können Eltern wählen, ob ihre Kinder das letzte Kindergartenjahr im Kindergarten verbringen oder bereits in die Schule gehen. In unserem Dorf gehen traditionell alle in die Vorschule. Wer sein Kind im Kindergarten lässt, lässt es dort mit lauter Kleineren. Ich fand das System Vorschule vor unserer ersten Vorschulzeit doof – und finde es jetzt super. Weil man gemeinsam ein Jahr Zeit hat Schule zu üben…
Eins meiner Kinder ist dieses Jahr also in die Vorschule gekommen. Halbe Tüte, halbe Aufregung. Alles ein bisschen wie Schule, aber eben nur ein bisschen. Eigentlich ganz schön. Wie nennen wirs? Vorschulung vielleicht. Vorschulung in der Schule ist schön unspektakulär: Eine kurze Rede, die großen Kinder singen ein Lied, dann führen Patenkinder die neuen Vorschüler in die Klasse. Dort gibt es ein Kennenlernspiel oder zwei und dann gehts wieder ab nach Hause. Wir haben hinterher im Garten geplanscht und Stieleis geschleckt. Unspektakulär und schön. (Merke ich mir für die richtige Einschulung).
Heute geht die Vorschule dann so richtig los: mit Spielen. Morgen wird auch erstmal bloß gespielt. Und übermorgen auch. Trotzdem wird nebenbei das gelernt, was sonst in der ersten Klasse bis zu den Herbstferien nebenbei gelernt werden muss: Wo sind die Klos? Wo sitzt der Hausmeister? Wie loche ich ein Blatt? Und wie hefte ich es ein…? Was für ein Geschenk.
Mit dem dritten Kind in der Vorschule weiß ich gar nicht mehr, warum ich das System vorher so doof fand. Ich glaube, weil ich mir gewünscht hatte, dass meine Kinder so lange wie möglich frei spielen dürfen. Inzwischen finde ich es super – und ich glaube sogar, dass auch Eltern von Erstklässlern von dieser Hamburger Idee lernen können. Schule üben nämlich.
Entspannung zum Beispiel. Egal ob in der Vorschule oder in der ersten Klasse. Es tut gut als Eltern erstmal tief durchzuatmen, wenn ein Grübelgedanke im Kopf aufblinkt. Weil Eltern und Kinder sehr wohl ein bisschen Zeit haben im Schulalltag anzukommen, auch wenn es vielleicht anfangs nicht so wirkt. Viele Fragen werden sich beim ersten Elternabend klären und viele Sachen sind auch gar nicht so entscheidend, wie wir sie gern sehen: Pappordner oder Plastikmappe? Geschmacksache. Turnbeutel da lassen oder immer wieder mitnehmen? Geschmacksache.
Wie man seinem Kind (und den Lehrern) hilft entspannt zu bleiben? In dem man im ersten Schuljahr einmal täglich kurz guckt, ob alles da ist: Radiergummi? Zwei Bleistifte? Schere? Kleber? Turnbeutel? Das bringt sonst viel Unruhe in die Klasse – und dem Kind unnötig Bauchgrummeln. Wenn mich Eltern vor der Schule fragen, wie sie mit ihrem Kind bitte am Besten die Buchstaben üben sollen, sage ich immer: “Gar nicht!”. Was so absolut natürlich nicht stimmt. Natürlich darf man seinem Kind ein paar Buchstaben aufmalen, wenn es unbedingt welche lernen möchte. Auch mit einem Vorschul-Heft macht man sicher nichts falsch (obwohl es schon ein wenig ärgerlich ist, wenn sich das Kind durch Selbstunterricht eine falsche Schreibführung angewöhnt). Ist aber alles halb so wild. Was man echt üben sollte, auch noch im ersten Schuljahr: Radieren. Bleistift anspitzen. Kleber zudrehen. Blatt lochen. Tisch decken. Apfel schneiden. Sich trauen, nachzufragen. Sowas alles.
Wichtigste Vorbereitung überhaupt: Die eigenen Schulsorgen und Lehrerabneigungen für sich behalten. Ich habe zum Beispiel erst Jahre später erfahren, dass meine Eltern meine Grundschullehrerin nicht so doll fanden. Hat mich voll überrascht. Ich fand sie nämlich ganz normal. Eigentlich sogar ziemlich gut. Sie haben das erfolgreich für sich behalten, zum Glück. Denn wir bringen Kinder in eine extrem anstrengende Situation, wenn wir das nicht tun. Was hilft? Vertrauen haben. Ich bin selbst Grundschullehrerin und ich habe schon an vielen, vielen Grundschulen hospitiert, ein Praktikum gemacht oder gearbeitet. Fakt ist: Die allermeisten Grundschullehrer machen das ganz wunderbar. Sicher hat jede Lehrperson ihre Schwächen, wie wir alle. Aber gerade Kinder lernen ganz schnell, damit gut zu leben. Wenn wir sie lassen.
Falls einen wirklich etwas bedrückt, spricht man die Lehrperson am besten direkt an: per Mail oder aber am Telefon zu ihrer angegeben Sprechzeit. Am besten äußerst man sein Problem als Sorge – und bittet um Unterstützung oder einen Rat. Also nicht: “Der neuen Platz von meiner Mathilda neben dem Rüpel Kasimir geht ja wohl gar nicht.” Sondern: “Ich bräuchte mal ihren Rat. Mathilda hat seit einer Weile jeden Morgen Bauchweh, wenn sie in die Schule muss… Haben Sie einen Tipp für uns, wie wir damit umgehen können?” Wenn Lehrer spüren, dass man mit ihnen in ein Ruderboot springen möchte, dann rudern sie in den allermeisten Fällen nur zu gern mit. Das gilt auch für ganz große Sorgen, zum Beispiel die Vermutung, dass das eigene Kind gemobbt wird.
Apropos Sitzordnung: Weil das tatsächlich einer der häufigsten Meckergründe zu Beginn ist. Auch hier würde ich empfehlen, einmal tief durchzuatmen, bevor man überhaupt etwas unternimmt. Schüler und Lehrer müssen nämlich erstmal Zeit haben, sich aneinander zu gewöhnen. Und zu sehen, wer gut mit jemanden oder auch einfach nur neben einem arbeiten kann. (Das ist nicht immer die beste Freundin). Es hilft, wenn Eltern auch hier unterstützen und erklären, warum das vielleicht gerade mal so ist. Und: Keine Sitzordnung bleibt für die Ewigkeit. Die meisten Kollegen die ich kenne, wechseln tatsächlich relativ oft.
Dein Kind mag sich nicht trennen? Bei uns hilft eine feste Umarmung an immer derselben Stelle vor der Schule und ein Armband. Ich trage eins, er trägt eins. Wir haben besprochen, dass ich ja beinahe mit dabei bin, wenn er es drückt. Und nachmittags laden wir es mit neuer Energie auf: mit kuscheln und vorlesen. Schön sind auch kleine, angekündigte Botschaften in der Brotdose. Abends setze ich mich ganz bewusst mit meinem Vorschüler hin und spreche mit ihm über den Tag: Was war gut? Was war doof? Hat dich etwas überrascht? Hat dir etwas Angst gemacht? Was hat dich zum Lachen gebracht?
Noch ein ehrlicher Tipp zu Elternämtern: Falls ihr denkt, ihr solltet eins nehmen, habt aber eigentlich keine Zeit und keine Lust, dann macht es doch gleich am Anfang. Traditionell wird es nach hinten raus immer mehr Arbeit. Vielleicht habt ihr aber auch mehr Lust auf Vorlese-Mama sein oder Ausflug begleiten. Und nicht vergessen: Schon eine offene, der Schule gegenüber positive Einstellung hilft im Schulalltag der Klassengemeinschaft enorm.
Ich finde es eine wunderbare Vorstellung, dass unsere Kinder in der Schule ihre ganz eigenen Erfahrungen machen dürfen. Es werden ganz viele aufregende und schöne dabei sein. Ich bin immer überrascht, wie schnell sie Neues lernen und was für spannende Impulse sie mitbringen. Ich finde es total wichtig, dass wir als Eltern ab der Schulzeit einen Schritt zurücktreten und das Kind machen lassen. Auch so können wir nämlich noch jederzeit unsere Arme ausstrecken und ihm helfen. Weil wir aber wollen, das unser Kind in der Schule auch ganz viel übers Leben lernt, Konflikte lösen zum Beispiel, hilft es überhaupt nicht, wenn wir uns als sein Anwalt direkt vor unser Kind stellen (womöglich ohne vorher in Ruhe das Plädoyer der Gegenseite gehört zu haben).
Wenn wir möchten, dass unser Kind lernt, konfliktfähig zu werden, müssen wir es Konflikte führen lassen. Resilienz nennt man die Fähigkeit, mit Konflikten klar zu kommen, sich selbst zu wehren, die eigenen Grenzen kennenzulernen, Rückschläge zu akzeptieren und sich bei Kummer helfen zu lassen. Die Autorin und Psychologin Katja Doubek nennt Resilienz “den Willen zu überleben, die Disziplin, Herausforderungen anzunehmen.” Mit dem Ziel “am Morgen im Spiegel ein fröhliches und kein verbittertes, trauriges oder zorniges Ich zu sehen.” Viele Psychologen bezeichnen Resilienz auch als “Immunsystem der Seele”.
Resilienz fördern wir Eltern am besten schon vor der Schule und dann weiter: Mit Liebe. Und in dem wir unser Kind auch mal loslassen. Immer mit dem Hinweis, da zu sein, wenn es uns braucht. In dem wir es Naturerfahrungen machen lassen und bestenfalls Erfahrungen mit Tieren. Dabei lernt man nämlich ganz viel über eigene Grenzen und die von anderen. Nach der Schule? Also am besten ab in den Garten, Park oder Wald. Ganz wichtig dabei: Nicht stressen. Es gibt kein “entweder-ja-oder-nein” in der Erziehung. Auch ein bisschen gut ist gut. Ein bisschen Geduld, ein bisschen Park. Es muss nicht alles perfekt sein, damit Kinder glücklich aufwachsen. Auch in der Schule muss nicht alles perfekt sein, damit ein Kind sich wohlfühlt.
Was uns Eltern hilft? Nicht schon vorher Sorgen über Dinge machen, die vielleicht gar nicht sorgenvoll werden. Sondern die Beziehung zum Kind durch Gemeinsamkeit außerhalb der Schule fördern und gute Gefühle auftanken, damit Kraft da ist, falls es mal schwierig werden sollte. Was sonst noch hilft? Eine Schultüte für uns Eltern gefüllt mit Durchatmen, ein bisschen Lässigkeit, einer großen Portion Geduld und einer riesigen Portion Vertrauen. Und ein paar Zetteln mit schönen Plänen für die neu gewonnene Freiheit, die so ein Schulkind mit sich bringt.
Schöne Einschulung, schönen Mittwoch, schöne Woche,
Hallo!
Du sprichst mir aus der Seele, als Mutter von drei Kindern und als Lehrerin. Genau so, entspannt und mit einer Portion Vertrauen, dass alles gut wird, sollte Schule beginnen. Am liebsten würde ich dich zum ersten Elternabend im nächsten Jahr, wenn ich wieder mit einer Ersten starte, für einen kleinen Vortrag einladen, aber Elternabende wirst du bei vier Kindern bestimmt zu genüge besucht haben🤪. In SH gibt es so eine Vorschule leider nicht, hört sich aber gut an….
Danke für den schönen Artikel…
Grüße
Ha, ha, ich danke dir für das Kompliment.
Ich fürchte mein Bedarf an Elternabend ist tatsächlich fürs Erste gedeckt.
Ich wünsche dir eine tolle Zeit mit deiner Vierten und sende liebe Grüße,
Claudi
So wahr, so schön. Danke!
Ich danke dir!
Alles Liebe
Hi Claudi! Bei uns ist es zwar erst in einigen Jahren soweit. Aber mir schoss gleich der Gedanke ans tiptoi-Spiel Schule in den Sinn, was bei uns gerade rege bespielt wird. Schul-Vorbereitung light sozusagen. 😉 Guten (Vor)Schul-Start für Deine Jungs! Lilly
Liebe Lilly, das klingt auch nach einer guten Vorbereitung ; )
Weiterhin viel Spaß und alles Liebe,
Claudi
Hallo liebe Claudi, unsere Größte wird nächste Woche eingeschult. Wir sind also alle “neu” in dieser Lebensphase😄
Ich danke dir für deinen tollen Beitrag. Es tat gerade so gut deine Zeilen zu lesen und es beruhigt und ermutigt mich als Mama sehr den Dingen einfach seinen Lauf zu lassen und meiner Tochter noch mehr zu vertrauen, dass sie ihren Weg meistern wird.
Ich bin sehr gespannt wie es ist ein Schulkind zu haben und freue mich auf die Zeit. Aufgeregt bin ich mindestens so wie meine Tochter 😊
Danke für deine lieben Text. Ich drück dich!
Ich wünsche euch alles Gute!
Das wird toll!
Herzlichst,
Claudi
Hallo Claudia,
Ich habe Deinen Beitrag sehr genossen! Für mich hast Du die elterlichen Sorgen, Vermutungen und Bemühungen wie auch die Chancen und tollen Aussichten wunderbar beschrieben und liebevoll auf den Punkt gebracht. Danke dafür!
Ganz herzlichen Dank für das schöne Feedback!
Einen sonnigen Donnerstag und alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudia,
Vielen Dank für deinen schönen Text!! Unser Großer ist jetzt im August vier geworden. Er ist also ein Kann-Kind und wir werden vor der Entscheidung stehen, ob er nach der Vorschule mit grade sechs oder grade sieben eingeschult wird. Wir leben auch in Hamburg. Vielleicht hast du Lust, mal erwas aus Lehrerinnensicht zu diesem Thema zu schreiben? Fände ich sehr spannend, deine Erfahrungen… Herzlichst, Annina
Liebe Claudia!
Vielen Dank für diesen tollen Text! Ich bin selbst Grundschullehrerin und Mama von drei Mädels, davon zwei Schulkindern und kann nur bestätigen, was du geschrieben hast! Hoffentlich lesen ihn gaaanz viele Eltern und KollegInnen und können dadurch dem Schulanfang gelassen entgegen sehen!
Herzliche Grüße aus Nürnberg
Julia
Danke für den schönen Text! Das Thema Kann-Kinder würde mich auch sehr interessieren, vielleicht magst du mal was aus deiner Sicht als Mutter und Lehrerin schreiben? Wann Vorschule und wann erste Klasse, welche Kriterien soll man bei der Entscheidung berücksichtigen, etc. Liebe Grüße
Hallo und lieben Dank für dein Feedback. Ich bin immer eher für “länger im Kindergarten”, aber es muss natürlich immer zur Familie und vor allem zum Kind passen. Daher ist das hochindividuell. Ich würde immer auf mein Bauchgefühl hören, ich habe das Gefühl, das ist ein guter Berater.
Alles Liebe,
Claudi
Ja, die Einschulung ist eine wunderbare Zeit. Voller Stolz und Freude starten die Kinder in der Schule. Doch erleben wir in unserer Arbeit mit Kindern, die Lernschwierigkeiten haben, wie diese positiven Gefühle rasch auch umschlagen können. Wenn Kinder in der Lernentwicklung steckenbleiben, kann sich für die Kinder so viel verändern. Einige Kinder kommen bereits mit den ersten Buchstaben oder mit dem Rechen bis 10 überhaupt nicht zurecht. Sie lernen die Schule als den Ort kennen, wo sie immer wieder scheitern. Sie haben Albträume, erleben Blockaden und wollen am Morgen gar nicht aus dem Haus. Hier ist es wertvoll, als Eltern genau hinzuschauen. Wie geht es meinem Kind? Was tut es? Auch hilft dazu das Gespräch mit der Lehrperson. Damit können wir unseren Kindern helfen, dass die Grundschule ein magische Zeit bleibt.