Gestern habe ich mal wieder etwas übers Mamasein gelernt. Es war eigentlich anders geplant, aber dann waren plötzlich zum allerersten Mal meine beiden kleinen Söhne außer Haus verabredet und ich mit den beiden großen allein zu Hause. Zuerst war das alles “uncool” (fanden sie) und ich dachte “dann arbeite ich eben schnell noch was weg.” Aber dann machten wir doch was zusammen und nach einer Weile ließ ich mich drauf ein, auf ihr nicht mehr so richtig Kind sein und versuchte mein Mama-Ich vor die Tür zu schicken und stattdessen ihr Sparring-Partner zu sein. Es war ein wirklich wunderbarer Nachmittag…
Mir geholfen hat eine Einsicht vor einer Weile abends auf dem Sofa, die mich ziemlich erschreckt hat. André und ich hatten “Überweihnachten” geschaut, diese Netflix-Serie, in der Luke Mockridge nach Hause zu seinen Eltern fährt, um dort mit der Familie Weihnachten zu feiern. Ich musste dabei sehr lachen – und ein bisschen weinen. Unter anderem, weil ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass mein Leben und ich uns wohl eher in der Rolle der alternden Mutter wiederfänden, mehr zumindest, als in der des Kindes. Dieses Kind, also der Ende Zwanzigjährige, der Heiligabend nach der Bescherung abhaut, um in der Dorfkneipe mit Freunden zu trinken und mit wildfremden Leuten zu knutschen. Ach ja, das war schön gewesen. Aber puh, das war eine gefühlte Ewigkeit her. Es ist alles prima, so wie es ist. Dennoch bin ich wohl so langsam eher die Mutter, die Sachen sagt wie: “Ohne Vanillekipferl ist es aber doch kein richtiges Weihnachten.”
Lektion eins: Nicht beleidigt sein.
Aber will ich das? Also Mama sein ja, aber nerven nicht. Ganz sicher hat mir diese Einsicht gestern geholfen. Ich habe nämlich als erstes mein Laptop zugeklappt und weit weggestellt. “Noch sind sie da”, dachte ich. Und noch habe ich die Chance daran zu arbeiten, dass wir später reden können und nicht bloß sagen: “Na, wie gehts dir?” “Muss ja!” Ich habe also versucht, mich nicht darüber zu ärgern, dass sie motzten, weil ihre Verabredung geplatzt war. Ich überlegte und sagte dann, dass das echt blöd sei. Und dass ich auch immer traurig sei, wenn mir das passierte. Ich versuchte nicht beleidigt zu sein, als sie maulten, weil ich vorschlug gemeinsam Kekse zu backen, da die große Dose nämlich schon wieder leer war. Ich ließ sie maulen und erstmal ihre Computerzeit machen. Dann machte ich mir einen Kaffee – und setzte mich dazu.
Wir waren alle drei ziemlich überrascht davon. Aber ihre Laune wurde schlagartig besser. Als ich versuchte, in ihrem Spiel wie sie lässig einen Rennwagen über eine kurvige Strecke rasen zu lassen und ständig in der Brüstung landete, lagen sie am Boden vor lachen. Wir klatschten ein, ich lachte mit über mich. Ich war ehrlich überrascht, wie geschmeidig sie es schafften, via Touchscreen in der Spur zu bleiben. Dabei bin ich ziemlich gut im Scrollen.
Es beginnt die Zeit, in der ich verdammt viel von ihnen lernen kann
Danach haben wir doch noch gebacken. Ich musste gar nichts mehr sagen, einer fragte einfach: “Wo ist der Teig?” Wir hörten laut ihre Musik dabei und rollten Teig im Takt und als sie aus dem halben Teig mit unserer großen Salatschüssel den größten Keks der Welt ausstechen wollten, schluckte ich mein “Ach nö!” und “Der zerbricht doch eh!” und “Die Krümel mag doch hinterher keiner essen” runter und half. Wir haben es tatsächlich geschafft, ihn gemeinsam aufs Blech zu ziehen. Den ganzen Nachmittag haben sie sich darüber gefreut. Ich musste trotzdem ein paar Mal sagen: “Komm, bitte nicht ganz so albern!” Oder einfach mal laut einen ihrer beiden Namen. Sie haben mir zugezwinkert. Und leise und ernst Sachen aus der Schule erzählt, die ich noch nicht wusste.
Später haben sie Gitarre gespielt und gesungen und wir haben auf dem teigkrümeligen Dielenboden zusammen getanzt. Ich merkte ihnen an, dass ihnen der Nachmittag genauso gefallen hatte wie mir. Und obwohl ich nichts geschafft hatte, von den Sachen die ich gerne geschafft hätte, außer backen, also die Wäsche, Weihnachtskarten schreiben, im Magazin blättern, fühlte es sich in meinem Bauch genauso warm an, wie das duftendende Riesenplätzchen auf dem Blech. Später lag es kaputt in der Keksdose, was aber nicht schlimm war. Die Krümel sind köstlich.
Nicht finde ich so nervig am Mamasein, wie die Tatsache, dass ich bei allem was ich tue, ständig unterbrochen werde.
Und nichts scheint mir ein so guter Erziehungstipp zu sein, wie genau das ständig zu tun. Immer offen sein für Gesprächschancen. Für heute habe ich mir das gleich wieder fest vorgenommen: Jede Gelegenheit nutzen, um mit ihnen in Beziehung zu gehen. Viele meiner Tätigkeiten sofort kurz zu unterbrechen, um ihnen zuzuhören. So oft wie möglich mit ihnen reden. Ihre Ideen nicht sofort als verrückt abtun. Und wieder mehr Dinge mit einem oder zwei allein machen. Und wenn es bloß das gemeinsame Möhrenschnippeln ist, bei ich frage: “Erzähl doch mal, welche drei Computerspiele hast du gerade am liebsten?”
Vorweihnachtliche Grüße,
Danke, den Artikel brauchte ich heute. 🙈Ich fahr dann mal eben runter und rede mit dem Kind, anstatt weiter sauer zu sein. Danke für den Spiegel, den du mir vorgehalten hast…
Viele Grüße
Heidi
Egal welcher deiner Texte.. ich bin jedes Mal gerührt und hab mindestens ein „oh ja“ Erlebnis.
Vorweihnachtliche liebe Grüße auch an Dich
Danke! Ein wunderbarer Text. Und so oft hab ich beim Basteln, Spielen, etc. ein bestimmtes „Ergebnis“ im Sinn. Dabei sollte es nur um die Zeit gehen, die man zusammen verbringt. Und schöne Plätzchen bekomme ich nur hin, wenn ich nach dem Backen völlig gestresst bin, die Kinder latent unzufrieden und renitent, weil ich sie ständig korrigiere, ermahne etc… Dann doch lieber ein paar Krümel mit alten Halloween Streuseln und dafür ein schöner Nachmittag…
Ach Claudiiiii <3
Vielen Dank mal wieder!
Liebe Claudia, genauso ist ein Leben auf Augenhöhe, das darf nie vergessen werden, weder zu hoch noch zu tief. Das ist der Schlüssel für eine gute Mamazeit in jedem Alter. Ich bin jetzt 60 und ne Oma und habe es bis jetzt durchgezogen. Ich hoffe ich halte beim süßen Enkel durch.Liebe Grüße von Elke
Wow. Danke für den Text.
Claudi, ich hatte bei der Serie genau denselben Gedanken… Nun bin ich die Mama, die eines Tages hofft, dass alle zu Weihnachten heim kommen. Du hast es wunderbar geschrieben! Danke!
Wie recht du hast! Im Alltagstrubel geht das leider viel zu häufig unter. Danke fürs Erinnern.
So eine schöne Geschichte! Ich glaube (aus persönlichen Beobachtungen heraus, nicht wissenschaftlich belegt), dass die Frage, ob die Kinder Weihnachten oder generell wenn sie erwachsen sind gern wieder nach Hause kommen oder nicht (und auch, ob man die nervige oder nette Mutter wird) viel damit zu tun hat, wieviel emotionaler Druck ausgeübt wurde in der Kindheit und vor allem Jugend. Wenn Kinder flügge werden, muss man sie, so hart es auch sein mag (ich habe 3 und ich merke schon jetzt, wo sie noch klein sind, dass das hart wird), ziehen lassen. Meine Eltern haben mich immer gehen lassen ohne ein Wort der Kritik oder der Zweifel, aber ich wusste immer, dass ich jederzeit heimkommen kann. Es muss schwer für sie gewesen sein (ich bin erstes Kind und zum Studieren ins Ausland), aber ich habe niemals ein “so schade dass du gehst” oder “wir sind so traurig” oder “bleib doch hier sonst sind wir so traurig”, im speziellen nicht von meiner Mutter gehört. Wenn Kinder das Gefühl haben, dass sie für das Glück und die Zufriedenheit der Eltern verantwortlich sind bzw. das daran hängt, dass sie zu Hause präsent sind, kommen sie einfach oft lieber gar nicht häufig heim, weil immer wenn sie kommen ist die Stimmung irgendwie “klammerig” und einfach “too much”. Ein Teufelskreis, denn je seltener Kinder kommen, desto mehr “klammert” die Mutter (häufig ist es eben die Mutter). Wer diesen Druck nicht erlebt sondern Eltern, die sich immer freuen, wenn man kommt, aber eben nicht “too much”, sodass man sich bedrängt fühlt, kommt meiner Erfahrung nach lieber heim. Ich rechne meinen Eltern das hoch an, dass sie uns so frei von schlechtem Gewissen oder Schuldgefühlen, dass wir sie allein lassen würden, ziehen ließen (habe noch 2 Geschwister). Wir alle kommen immernoch gern nach Hause und es ist immer schön, weil meine Eltern wie Freunde sind für mich. Ich weiß, wenn ich mich mal länger nicht melde, sind sie nicht böse oder eingeschnappt, sondern denken eher dass schon alles ok ist. Das ist die große Übung: Auch wenn es schmerzt, die Kinder ziehen zu lassen und zu schauen, was sie bereit sind zu geben. Die Kinder haben keine “liebesschuld” abzuarbeiten, jeder Versuch, Zuneigung und gemeinsame Zeit durch emotionalen Druck zu erzwingen, geht nur nach hinten los glaube ich. Mal sehen wie ich das hinkriegen werde, aber ich setze da auch auf Beziehung auf Augenhöhe und ehrliches Interesse und Verständnis ohne zu signalisieren, dass mein Glück von ihnen abhängt…
Wow, das hast du ganz wunderbar geschrieben. Und ich glaube, du hast so Recht!!!
Danke und alles Liebe,
Claudi
@Mia: Besser kann hätte man (frau)’s nicht formulieren können! 🙂 Bei mir war’s leider genau umgekehrt – und das Verhältnis dann entsprechend schlecht! 🙁 Ich hoffe, dass ich selbst das lockerer hinbekomme!