Meine Tochter liebt Crop Tops. Für die Älteren unter uns: Früher nannte man das bauchfrei. Jedenfalls besitzt meine Tochter fast nur noch Shirts, die diesen Namen nicht wirklich verdienen, weil sie am unteren Rippenbogen enden und in meinen Augen so aussehen, als ob ein wichtiger Teil fehlt. Der Teil nämlich, der eben den Bauch bedecken sollte. Und die Nieren und alles, was sonst noch so warm bleiben sollte…

Und während ich das schreibe, denke ich, dass ich genau wie meine Mutter klinge. Mit der ich eben diese Diskussionen geführt habe, die ich jetzt jeden Morgen an der Haustür mit meiner eigenen Tochter führe. Allerdings mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ich damals 14 war – und meine Tochter gerade acht ist.

Aber als Mutter sollte man nicht den Fehler begehen, mit seinen Kindern über Modetrends zu lamentieren. Man kann nur verlieren.

Und zwar je nach Charakter und Temprament auch bereits in einem Alter, in dem man selbst früher noch pastellige Minnie-Mouse-Kleider und quietschgelbe Gummistifel getragen hat. Meine Tochter kann drüber nur müde lächeln. Wie auch über die Kleidungsstücke, die ich ihr zunehmend verzweifelt anzudrehen versuche, wenn sie im schwarzen Lederrock und mit nackter Taille bei 2 Grad plus zur Schule will. “Mama, das sieht scheiße aus”, wischt sie meine Einwände und das vernünftige Langarm-Shirt genervt beiseite. Und fährt mit offener Jacke und blankem Bauch davon.

Kürzlich wurde ich bereits von Fachkräften in der Schule darauf angesprochen, dass meine Tochter ja “immer sehr luftig” angezogen sei.

Jetzt bin ich also nicht nur Muddi ohne Mode-Plan, sondern auch noch Mutter Flodder, die ihre Aufsichtspflicht in Sachen Kinder-Styling vernachlässigt. Danke dafür. Es ist übrigens nicht so, dass meine Tochter nicht diverse Variationen davon kennen würde, wie es ist, eine Blasenentzündung zu bekommen.

Aber wer noch nie eine hatte, hält das vielleicht auch nur für eine weitere Mütter-Mär. So hoffe ich insgeheim manchmal auf den “learning by freezing”-Effekt. Nachdem ich als mir als Teen an der frischen Nordsee einmal eine Eierstock-Entzündung geholt habe, wurden die Bünde meiner Hüfthosen jedenfalls schlagartig höher.

Seit der Crop-Top-Chose fühle ich mich zunehmend vernünftig, öde und alltagspraktisch, kurz: alt und langweilig.

Was nicht nur daran liegt, dass ich gebetsmühlenartig die Sätze meiner Mutter wiederkaue, sondern mittlerweile auch jahreszeitlich angemessene Kleidung der modischen vorziehe. Kürzlich habe ich mich gefragt, ob ich insgeheim ein wenig neidisch auf meine Tochter bin. Nicht unbedingt darauf, dass sie bauchfrei tragen kann und ich nicht mehr.

Sondern eher auf die Freiheit, auf die Lust am Spiel – mit Stilen, Trends und der mütterlichen Lunte. Ich erinnere mich gerade daran, wie viel Spaß mir das alles auch einmal gemacht hat. Wie viel Zeit ich darauf verwendet habe, drölfzig verschiedene Outfits auszuprobieren und wieder zu verwerfen. Heute ziehe ich im Alltag einfach meist das an, was gerade auf dem Stuhl rumliegt. Im Zweifel meine Yogahose. Wenn ich im Homeoffice bin, hoffe ich einfach meist, dass niemand ungebeten an der Tür klingelt. Modisch ist bei mir derzeit deutlich Luft nach oben!

Vielleicht hat der frühreife Mode-Geschmack meiner Tochter so gesehen nicht nur Nachteile.

Vielleicht nehme ich es einfach als Inspiration. Crop Tops hat mein Schrank zwar nicht mehr zu bieten – dafür aber ein paar andere Schätze, die vom rumhängen auch nicht besser werden. Vielleicht überrasche ich meine Tochter morgens an der Tür mal mit einem Knaller-Outfit.

Ich hab da noch dieses knallbunte Neckholder-Kleid in grafischen Mustern, von dem meine Mutter früher immer behauptete, sie würde bei dessen Anblick halluzinieren. Wobei: Vermutlich würde das meine Tochter modisch eher auf neue abwegige Gedanken bringen. Dann ist bauchfrei vielleicht das kleinere Übel.

Hier habe ich schon einmal darüber geschrieben, dass keine Biografie ohne modische Entgleisungen komplett ist.

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PPS: Der Text entstand bereits vor einigen Monaten als es a) noch deutlich kälter war als jetzt im Hochsommer und ich b) noch vor der Umstrukturierung meines eigenen Kleiderschranks stand, nach der ich mich styletechnisch nicht mehr so abgehängt fühle…

Und mit welchen modischen Feinheiten schlagt ihr euch zu Hause gerade rum…?

Foto: Shutterstock

Alles Liebe, es lebe der Style,

Katia