Ich hatte meinen Samstagsmorgenkaffee im Bett getrunken. Ein paar Seiten gelesen. Glücklich geseufzt. Meine Ruhe gehabt. Dann, von einem Gedanken auf den anderen, hatte ich Sehnsucht nach meinem großen Kind. Ich nahm meine Kaffeetasse und ging rüber in sein Zimmer. “Na du!”, begann ich liebevoll. “Na…“, brummte er mit seiner immer dunkler werdenden, wunderschönen neuen Stimme, an die ich mich noch gewöhnen muss. Lässig setzte ich mich auf den Teppich vor sein Bett, fingerumarmte die Tasse. “Und”, fragte ich, “was machst du?” Lautes Handyklingeln. Er ging ran, rief lachend “Hi”, drehte sich weg. Und auch ich merkte endlich: Er hatte gerade anderes zu tun…
Warum ich Angst habe, die Bindung zu meinen Kindern zu verlieren
Manchmal habe ich unglaublich Angst, meinen Kindern nicht mehr nah zu sein. Nicht mehr ihre Ansprechpartnerin zu sein, nicht mehr zu wissen, was sie beschäftigt. Sie werden gerade rasend schnell groß und ich wachse nicht mit. Ihre Peer Group ist so viel wichtiger als ich. Blöderweise interessiere ich mich mich nicht für ihren Sport oder ihr neustes Lieblingsdaddelspiel. Manchmal nehme ich mir trotzdem vor, mit zum Turnier zu fahren, einfach nur für sie, oder mich zwei Stunden neben ihr Computerspiel setzen, für uns. Aber dann bin ich so müde von der Woche, dass ich einfach bloß Zeit für mich möchte.
Frage ich, wie es in der Schule war, kommt das übliche “Wie schon? Schule halt.” Dafür lachen sie immer öfter miteinander über geflüsterte Witze. Ich habe nicht mal mehr das Gesicht all ihrer Freunde vor Augen. Ja, manchmal habe ich wirklich Angst, den Kontakt zu ihnen zu verlieren. Sie zu verlieren.
Was ich über große Kinder und Teenies gelernt habe
Sie wollen garantiert nie mit mir reden, wenn ich das will. Aber sie kommen oft an, wenn sie es wollen. Das einzige was ich machen muss, ist, diesen Moment nicht zu verpassen. Ihn nicht verstreichen zu lassen, weil ich gerade noch Mails oder Kommentare beantworte, bei Instagram scrolle oder gerade die Kartoffeln fürs Abendbrot holen wollte.
Genau in dem Moment, wo sie kommen, und etwas fragen oder erzählen, muss ich alles stehen und liegen lassen, sie ansehen, und da sein. Dann reden wir. Dann öffnen sie ihr Leben für mich und ich darf eintreten. Dann sind wir uns nah. Dann spüre ich unsere Verbindung, auch wenn uns thematisch weniger verbindet. Verpasse ich den Moment, ist ihre Tür wieder zu.
Was sonst noch hilft, mit Teenies in Kontakt zu bleiben
Auch gut sind Autofahrten. Wenn ich meinen großen Sohn von einem Freund fünf Dörfer weiter mit dem Auto abhole zum Beispiel. Weil wir uns da ganz nah sind und kein anderer da. Weil wir uns nicht angucken, aber in dieselbe Richtung. Im Auto kann man sich auch super miteinander verbinden.
Wenn erstmal Schweigen ist, bringt es uns in solchen Momenten oft näher, wenn ich von mir erzähle. Von einem nervigen Auftrag am Vormittag, einem Text, der nicht flutschen wollte oder einer neuen Buchidee. Dann erzählt plötzlich auch mein Kind: von einem Video das trended, seinem Erfolg im Staffellauf oder der geplanten Party am nächsten Wochenende.
Bindung ist noch da, ich kann sie bloß nicht festbinden.
PS. Und ihr und eure Teenies?
Wunderbar geschrieben, dankeschön. Wie aus meinem Leben gegriffen. Und ja, es ist wohl so… wenn sie ihre Tür öffnen, müssen wir alles stehen und liegen lassen und die Gelegenheit nutzen.
Ich denke auch! Danke für dein Feedback!
Claudi
Danke für diesen Text.Mein Sohn rutscht gerade rein in diese neue Lebensphase und es fällt mir noch ein bisschen schwer mich darauf einzustellen.
Ich danke dir für dein Feedback! Zum Glück kommt es nach und nach. Ganz viel Freude in dieser neuen Lebensphase!
Liebe Grüße,
Claudi
So wahr, du schreibst mir aus der Seele ♥️!
Ich kenne sie auch, die Angst, ihnen nicht mehr so nah zu sein. Und genau jetzt ist es so wichtig, sie loszulassen, damit sie immer wieder von selbst kommen und sich öffnen.
Danke fürs Gedanken teilen!
Ich danke dir ebenso!
Herzlichst, Claudi
Mittlerweile bin ich fast 40 und selbst Mutter, aber trotzdem gehe sowohl ich als auch mein Bruder immer noch mit meiner Mutter gerne „eine Hunderunde“, wenn wir unsere Eltern besuchen. Das Nebeneinander Herschlendern über Feldwege und Wiesen oder durch das Dorf, das entspannte Hundetapsen neben uns, eröffnete immer Raum für spontane Gespräche. Genau hier konnte ich mein Teenagerherz ausschütten, von Stress in der Schule und Liebeskummer berichten oder lustige Anekdoten und Begebenheiten erzählen. Meine Mutter hörte aufmerksam zu, pfiff nach dem Hund, gab mir einen guten Rat, grüßte schnell die Nachbarin, tröstete mich, nahm den Hund an die Leine, lachte mit mir… und wenn ich viel zu erzählen hatte, sind wir einfach eine größere Runde gegangen.
Ich denke, das Geheimnis und die Magie dieser unzähligen Spaziergänge liegt darin, dass sie in einer lockeren Atmosphäre stattfanden, im Alltag eingebunden waren und somit niemals eine Face to Face „wir müssen mal reden“- Stimmung aufkam.
Wie schön das klingt!!! Danke für diese Geschichte.
Alles Liebe,
Claudi
Tatsächlich glaube ich, dass solche Gespräche oft dann zustande kommen, wenn man selbst irgendwie so rumwurschtelt zu Hause und sich die Kinder im gleichen Raumbefinden. dann gibt es eben die Möglichkeit, die mama anzusprechen ohne dass so eine unangenehme Fokus-Situation entsteht. die krux ist: je häufiger solche Situationen entstehen, desto wahrscheinlicher ist, dass man spricht. dafür müssen aber eltern und kinder auch mal gemeinsam zu Hause sein. wer arbeitet und kinder in der weiterführenden schule hat, die auch hobbies und freunde haben, weiß, wie schwer das ist. gerade wenn es kinder sind, die gern viel außer haus sind. daher finde ich die haltung, dass kinder, die älter werden, die eltern immer weniger brauchen auch daheim ein bisschen zwiespältig. ich glaube es ist gut, die möglichkeiten für ein solches gespräch immer wieder zu schaffen (und ja, man ist dann privilegiert auch irgendwie, weil man ja irgendwie dann gerade nicht arbeiten wird). sie wird nicht immer angenommen werden, aber zumindest besteht die möglichkeit.
Ganz lieben Dank für deine Gedanken! Oh ja, es ist verrückt (und traurig!), wie sehr der Alltag bei vier Kindern an einem vorbeirauscht.
Und ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass diese wuselige Nachmittagszeit unsere Zeit ist, und ich nicht nur hektisch nach vorn schaue, sondern auch neben mich.
Alles Liebe,
Claudi
Hallo Claudi!
Das mit den gemeinsamen Autofahrten kenne ich auch von meiner Tochter und daher mache ich diese Fahrten auch ganz gerne.
Ansonsten macht sie mir auch deutlich, dass es Themen gibt, bei denen ich “leider draußen warten muss”.
Ich versuche mich dann zu erinnern, wie wenig ich in dem Alter mit meinen Eltern geteilt habe und stelle dabei fest, dass ich so gesehen noch mehr von ihnen mitbekommen als meine Eltern damals von mir;-)… zumindest bilde ich mir das ein.
Liebe Grüße
Andrea
Liebe Andrea, danke, dass du das ansprichst. Das hatte ich vergessen.
Na klar gibt’s diese Themen und das ist ja auch so wichtig. Und dennoch besprechen sie derzeit so viel mehr mit mir, als ich damals mit meinen Eltern. Das finde ich so schön.
Alles Liebe,
Claudi
Manchmal ergibt sich bei uns noch ein Bettkantengespräch am Abend. Aber immer seltener. Wenn es sich ergibt, sage ich auch immer, dass er mit allem zu mir kommen kann.
Aber ist wirklich nicht einfach das Abnabeln.
Danke für deinen Kommentar! Bettkantengespräch klingt einfach so schön.
Claudi
Puh, danke für deine Wort und deine Erfahrungen, die du mit uns teilst!
Musste gerade beim Lesen ein wenig weinen, weil ich mich so verstanden fühle❣️
Ach und mach bitte weiter, ich finde es so schade, das auf einmal mit großen Kinder hier auf Insta der Austausch fehlt, mich interessieren auch keine befüllten Brotdosen mehr.
Das Leben geht auch mit großen Kindern weiter und ich mag den Austausch sehr😍
Liebste Grüße Nina
Liebe Nina, ganz lieben Dank! Für mich ist diese Community auch super wertvoll.
Alles Liebe,
Claudi
Besser kann man es nicht beschreiben, auch ich interessieren mich nicht für alles was meine Kinder machen und oft scheitert es auch an der Umsetzung bei vier Kindern, da allen gerecht zu werden – gar nicht so einfach. Dann schleicht sich auf unangenehmer Weise auch noch das schlechte Gewissen ein, was kurz suggeriert, Hey Du könntest schon mit machen.
Aber genau das ist ja meist gar nicht erwünscht, weil es ab einem gewissen Alter doch viel interessanter ist mit Freunden Spaß zu haben. Meistens kommen sie in den ungünstigsten Momenten, aber ich merke wie sehr sie es schätzen und auch sehen, wenn man gerade dann kurz inne hält und die Aufmerksamkeit und das offene Ohr bei ihnen liegt. Da am Tag doch wenig Zeit ist verlagert sich diese Zeit bei uns auf den Abend. Jedes Kind hat seine eigene Zeit am Abend, mal reicht ein gute Nacht, mal sprudeln sie los mit Dingen die sie so sehr beschäftigen. Sie kommen von ganz alleine, aber sie entscheiden wann. LG
So schön! Und ja, das schlechte Gewissen begleitet mich auch oft. Aber ich versuche es wegzudrücken, weil schlechtes Gewissen doch kein guter Berater ist. 🙏
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi, genauso ist es bei uns auch. Zu Beginn habe ich noch abgewiesen, wenn ich gerade vermeintlich Wichtiges zu tun hatte und der Große etwas von mir wollte. Sehr schnell habe ich aber gelernt, dass das genau DIE Momente sind, die wichtig und schön sind. Seitdem lasse ich alles (wirklich ALLES) stehen und liegen und wende mich ihm zu. Und ich sehe, wie sehr es ihn freut und er es genießt. Und ich genieße es auch 🙂
Viele Grüße, Ulrike
Liebe Ulrike, wie lustig, dass du dieselben Erfahrungen gemacht hast. Zum Glück haben wir es rechtzeitig gemerkt. Auch wenn es nicht immer klappt, die Male, die es läuft, sind so wertvoll.
Alles Liebe,
Claudi
Herzlichen Dank für den liebevollen und wichtigen Beitrag! So wahr!!
Und Danke allen, die so wertschätzend kommentiert haben –
was für mich!!
Danke! Ich liebe es auch!
Wie bei Jo von A cup of Jo gilt auch hier: Come for the blog, stay for the comments. So, so wertvoll.
Alles Liebe,
Claudi
Mir hat sich sehr eingeprägt, was ich mal gelesen habe: dass Teenager-Eltern sich wie Topfpflanzen verhalten sollten. Also: in der Nähe sein, nicht nerven, aber anwesend. Anbieten, dass ich dabeisitze, während sie Hausaufgaben machen (ohnen mich einzumischen, oft arbeite ich in der Zeit auch am Laptop). In der Wohnung sein, während sie was anderes machen. Das ist ihnen sehr, sehr wichtig, auch wenn sie nicht unbedingt mit mir reden wollen. Und dann, ja, manchmal, manchmal, darf die Topffplanze auch zum Leben erwachen, wenn es gerade passt…
Ich liebe den Topfpflanzen-Vergleich! Danke dafür! Sehe das jetzt als Postkarte vor mir. Und ja, ich denke auch, dass dieses Nebeneinanderhermachen ganz wertvoll ist. Ich genieße das sehr.
Alles Liebe,
Claudi
So ein wunderschöner Text, ich habe ein bisschen Gänsehaut, obwohl mein Kind erst 2,5 Jahre als ist. 🙂
Ach du, lieben Dank!
Herzlichst, Claudi
So ein toller, berührender Text. Der mich gerade mitten ins Herz getroffen hat. Weil das gerade das Thema ist, mit dem ich versuche klar zu kommen. Meine Kinder sind noch keine Teenies, aber nabeln sich immer mehr ab und mich macht es oft einfach sehr traurig und fällt mir schwer. Zu akzeptieren, dass die innige erste Zeit (die mir auch sehr oft zu innig war) so langsam vorbei geht. Schwierig, loslassen ist nicht so meine Stärke. Ich danke auch den anderen Kommentierenden für die Inspirationen.
Roots to grow and wings to fly sagten meine Eltern immer. So versuche ich es auch zu leben…
Ganz lieben Dank für deine Worte und deine Ehrlichkeit. Ich denke, es ist wichtig, dass man rechtzeitig anfängt, Dinge auch für sich zu tun. Damit man etwas hat, auf das man sich freuen kann. Hilft mir total!
Alles Liebe, Claudi
Ich habe auch schon großen Respekt vor diesem Abnabelungsprozess, dabei ist meine Tochter erst sieben. Das Wichtigste ist wohl tatsächlich, immer ansprechbar zu bleiben. Ihre Probleme bzw. das, was sie gerade beschäftigt oder auch einfach nur ihr Wunsch nach gemeinsamer Zeit sollten stets ernst genommen werden. Das gilt durchaus auch heute schon. Es ist schön zu lesen, wie andere damit umgehen, wenn die Kinder größer werden. Vielen Dank für den berührenden Artikel.
Das freut mich, vielen Dank für dein Feedback! Es kommt ja zum Glück Stück gar Stück.
Alles Liebe,
Claudi
Dank für den liebevollen und wichtigen Beitrag! So wahr!
Weil sich hier das Kind mit dem Schuleintritt angefangen hat, plötzlich abzunabeln, und zwar so doll, dass mich das überrascht hat (und auch glücklich, die Zeit für mich war Balsam): Wir machen hier Dates. Mama-Kind-Date, wie Papa-Mama-Dates. Ab und zu schreibe ich mich in den Kalender vom Kind. Dann gehen wir im Sommer vielleicht Eis essen, oder chillen einfach zuhause. Oder holen den Papa von der Arbeit ab.
Aufgrund von gebundener Ganztagsschule von 8 – 15 Uhr & drei (selbstgewählten) Hobbynachmittagen, ist das Kind mit 8 manchmal von 7:40 – 18:45 Uhr aus dem Haus.
Mit sowas hätte ich nie gerechnet. Ich hoffe, dass uns dieses Date-System trägt.
Bei mehr Kindern ist das natürlich schwierig, aber auch da würde ich Exklusivzeit versuchen unterzubringen. Und wenn es einmal alle drei Monate nur ist. Ich hab das immer genossen (wir waren zu dritt).
Das Topfpflanzen-Beispiel finde ich auch sehr schön!
Toll geschrieben. Deine Erfahrungsberichte zu lesen, haben mir sehr viel Freude gemacht. Danke hierfür. Ich schau nun öfters bei Dir hier vorbei.
Hallo Claudi, ja hört sich irgendwie stimmig an. Ich merke das auch bei meinen Kindern, dass sie mich immer weniger brauchen. Nur können diese Momente schwer entstehen, weil die Kinder bei mir nicht wohnen und ich sie immer nur am Wochenende sehe. Und dazu habe sie gerade keine Lust mehr. Also was mache ich jetzt. Ihnen auf die Nerven gehen , dass sie kommen sollen oder einfach loslassen. Nur dann melden sie sich gar nicht mehr, weil mein Elternverhältnis zur Mutter schwierig ist. Tja, ich habe sie heute. Soll ich das ansprechen oder einfach laufen lassen? LG Florian
Hallo Florian, ich würde das unbedingt ansprechen!!! Je offener, je besser. Erzähle ihnen von deinen Gefühlen, frag sie nach ihren. Und frag sie, worauf sie Lust haben und mach das mit ihnen? Vielleicht braucht es auch eine neue Regelung?
Einen Besuch in der Woche vielleicht?
Ganz viel Kraft,
Claudi