Ich muss ans Sauerland denken, wenn ich an meinen After-Baby-Body denke. Alles an mir rund und hügelig, wie die Landschaft zwischen Winterberg und Lüdenscheid. Keiner brüllt laut “Wow!” Nichts Scharfes weit und breit. Aber: Ich mag die Gegend. Sehr. Ich fühle mich wohl. Alles ist unaufgeregt und gemütlich. Ich stillte, ich trug, ich tröstete, ich kuschelte, ich wärmte, ich trug meine Schwangerschaftshosen; ich war eine Mama, ich fühlte mich wie eine Mama, ich sah aus wie eine Mama. Und es war völlig okay. Selbst in meinem Kopf war alles weich und hügelig…
Ist es nicht absoluter Wahnsinn was unser Körper leistet? Er zaubert aus zwei klitzekleinen Punkten einen Menschen, bläst sich auf Ballongröße auf, schrumpft dann in Rekordzeit wieder und ernährt nebenbei einen kleinen Körper mit. Jedes Mal wenn ich vor dem Spiegel stehe, bin ich dankbar, dass mein Körper das alles gewuppt hatte und verzeihe ihm die Hügeligkeit, die Dellen, die Kilos. Beinahe.
Ich gab mir dieses mal Zeit nach der Geburt. Ich schaffte es milde mit mir selbst zu sein. Ich schaute mich im Spiegel an und sah eine Mama von vier wunderbaren Kinder. Und das durfte man auch verdammt noch mal sehen. Ich cremte meinen hügeligen Sauerlandbauch und spürte – Liebe. Meinen Kindern gegenüber. Und meinem Körper. Hätte jemand das meinem zwanzigjährigen Ich erzählt, es hätte schallend laut gelacht.
Als ich nach ein paar Monaten anfing mich unwohler zu fühlen, schaute ich den Film Embrace, was gut war. Ein Tipp einer Leserin übrigens. Der Film war genau der richtige Durchschüttler, den ich brauchte. Im Film erzählt die australische Fotografin Taryn Brumfitt, dass sie mit ihrer vierjährigen Tochter noch nie schwimmen war, ganz einfach weil sie ihren Körper abstoßend fand. Sie beschloss etwas zu ändern, begann mit Krafttraining, trainierte wie irre, bekam einen Traumkörper – und war dennoch nicht glücklich.
Spannend, oder? Ich musste an mich mit zwanzig denken, an mein Gewicht von damals. Glücklich war ich deshalb nicht jeden Tag. Ich habe mir früher viel verkniffen, ständig verzichtet. Ich war eigentlich immer im Kampf mit mir selbst. Das will ich heute nicht mehr. Ich möchte vielmehr lernen, meinen Körper als Instrument zu sehen, nicht als Schmuckstück. Die Musik müssen meine Gedanken und Handlungen machen. Es kann im Leben doch nicht darum gehen, sich die ganze Zeit zu quälen.
Ich habe seit dem Frühling dennoch wieder ein wenig abgenommen. Vor allem, weil ich genervt war, dass so viele meiner Lieblingsklamotten nicht mehr passten. Aber ohne Quälen. Ich machte es langsam und es war gar nicht so schwer, weil ich einfach angefangen habe sommerlich zu essen. Viel Obst, viel Gemüse, weniger Süßes, in der Woche. Und am Wochenende dann wie ich mag. Wenn ich aber in der Woche eingeladen bin und es Waffeln gibt, sage ich auch nicht nein. Die Entscheidung fällt mir leicht, wenn ich daran denke, dass ich irgendwann sterben muss. Und mir überlege, ob ich dann glücklich über meine schmalgekämpfte Hüfte streichen und “Yes!” denken werde… Oder ob ich mich an den sonnigen Nachmittag mit Freundinnen und Kindern und Waffeln und Sahne erinnern und lächeln werde. Verzicht darf nie zu viel Energie kosten, finde ich.
Meine Jungs trommeln manchmal auf meinem Po herum, freuen sich, dass es schlackert – und machen mir kurz darauf einen Heiratsantrag. Ich hoffe sehr, dass ich ihnen mitgeben kann, dass Humor auf Dauer mehr Spaß macht, als eine schlanke, dauerverzichtende Hüfte. Und ich? Ich denke an Embrace und erinnere mich, dass selbst Frauen mit perfektem Körper nicht jeden Tag glücklich sind. Das hilft. Und dass es mit der Zeit glücklicherweise wichtiger ist, im Kopf knackig zu sein – und nicht in der Kiezkneipe.
Was ich wirklich spannend finde: Mein Mann sieht mich die ganze Zeit über anders. Meine Freundinnen auch. “Du siehst doch gut aus!”, sagen sie immer wieder. Auch schon kurz nach der Geburt. Vielleicht kann ich mich selbst so schwer schön finden, weil ich mich nie richtig sehe. Wann sehe ich mich schon? Vor dem Spiegel nach dem Duschen, im schlechten Licht, vielleicht in einer Hose, die nicht mehr sitzt. Oder selbstkritisch in einer spiegelnden Schaufensterscheibe.
Ich sehe mich nie im Bett liegen, im kuschelknautschigen Nachthemd, mit leicht verruschtem Spitzenausschnitt, unter dem sich meine Brust hebt und senkt. Ich sehe mich nicht, wenn ich schreibe, mit leuchtenden Augen und diesem Schreiblächeln auf den Lippen (von dem mein Mann öfter erzählt). Ich sehe mich nicht, wenn ich mit den Kindern tobe, wenn wir über den Rasen rollen und jauchzen. Vielleicht sehe ich mich selbst viel zu selten mit Liebe an, egal ob mit Partnerliebe oder Freundinnenliebe. Es sollte Spiegel geben, wenn ich aus vollem Herzen lache und mich wohl fühle.
Vielleicht würde ich mich viel schöner finden, wenn ich mich in den Momenten sehen würde, wenn ich so richtig ich bin. Wenn ich glücklich bin.
Alles Liebe.
So wahr, danke! Ich hab das Quälen in den letzten 1,5 Jahren auch mit etwas Arbeit an mir selbst (vorallem meiner Einstellung) aufgegeben und es lebt sich so viel leichter (haha) damit. Meine Oma, über 90 und schon gerne mal etwas zu kritisch, wenn es um Speckrollen geht, ist dennoch kein Fan vom Magerwahn und sagt mit Blick auf einige ihrer Freundinnen, die auch in ihren 80ern noch nur kleine Salatblätter knabbern “wegen der Linie”: “die verpassen doch den ganzen Spaß. Und dann werden sie krank und haben keine Reserven.” So ist es. Liebe Grüße!
Oh ist das schön gedacht und gesagt!
Danke!
Ganz zauberhafter Artikel. Danke.
Genau die gleichen Gedanken habe ich gerade auch so häufig.
Vor 16 Monaten habe ich mein erstes Kind bekommen und so wirklich Druck wegen meiner Figur habe ich mir nicht gemacht. Was eigentlich komisch ist, denn vor ein paar Jahren hatte ich noch starke Probleme mit meiner Figur und dem Essen.
Seitdem mein Baby auf der Welt ist, stille ich ihn nun und schwuppdiwupp sind auch 16 meiner 18kg wieder verschwunden. Manchmal braucht es nur Zeit und ein bisschen mehr Liebe sich selbst gegenüber ♡
Danke für deine schönen und wahren Worte!
Liebe Claudi,
ein sehr berührender und persönlicher Artikel – vielen Dank! Ich kann viel daran nachempfinden.
In unserer Kirchengemeinde bieten wir seit Anfang des Jahres ShineWoman-Kurse an und es ist Wahnsinn, wie viele Frauen alle die gleichen Schwierigkeiten und Gedanken mit und über ihren Körper haben und wieviel es ausmacht, wenn sie plötzlich Wahrheiten wie “Du bist wertvoll”, “Du bist einzigartig”, “Du bist wunderbar gemacht”, aber auch “Du bist widerstandsfähig” oder “Mein Leben hat eine Bestimmung” hören. Jeden Abend gehen sie mit einem Strahlen wieder nach Hause – es ist so zauberhaft.
Im Kurs zeigen wir im Block Wert zwei Videos, die ich ganz toll finde und die ich dir mal verlinke.
https://www.youtube.com/watch?v=_7f2BvxAoyE
https://www.youtube.com/watch?v=DS1kqfAIXbc&t=21s
Ganz herzliche Grüße und gehe immer wieder durch die “Wunderschön-Tür”
Rabea
PS: Der Bretagne-Urlaub im nächsten Jahr ist übrigens dank deines wunderbaren Artikels für die Pfingstferien auf dem Campingplatz bereits gebucht. Mein Sohn Levi (3)sagte nur:”Aber ich hoffe, wir wohnen dann neben der Claudi, ich will etwas mit ihr unternehmen!” – So süß!
Was für ein toller Artikel! Ich habe ihn gerade gelesen, während ich noch im KH mit meinem gerade geborenen vierten Kind (auch alles Jungs) liege!
Ich verfolge diesen Blog jetzt schon eine ganze Weile ohne allerdings jemals Kommentare zu hinterlassen, verteile nur Herzchen! Aber heute mußte ich mich melden und kann nur sagen, daß ich mich auf kein anderes Profil jeden Tag so freue wie auf deins! Immer wieder erheiternd und einfach so lebensfroh und ehrlich! Ich lebe ein ganz ähnliches Leben und nehme diese Geschichten mit auf in unseren Großfamilienalltag!
Weiter so!
Danke, liebe Claudi, für diesen wunderbaren Text.
Ich sitze hier, 9 Tage nach der Geburt meines zweiten Kindes, mit Tränen in den Augen und habe das Gefühl, da hätte jemand meine Gedanken gelesen und aufgeschrieben. ❤
Vielen Dank?, Claudi, hast mir damit gerade ein Leselächeln??? auf die Lippen gezaubert. Wundervoll. Und wieder einmal: sowas von auf den Punkt gebracht. VLG Caro
Also ich will es einfach mal so ausdrücken: Ich bin verheiratet, mein Mann liebt mich so wie ich bin, also brauch ich mir doch keine Gedanken machen über eine eventuelle Brust-Op, weil…naja ich erspare dir mal Details, die weisst ja selber wie das ist, wenn man von mehreren Kindern ausgesaugt wurde 😉
So schön und genau so! Warum drückst Du nicht einfach öfter Deinem Mann oder Deinen Freundinnen die Kamera spontan in die Hand? Oder Deinen Kindern? Das werden bestimmt wunderbare Fotos von Dir!
Ich habe genau über dieses Thema vor einer Weile gebloggt. Den Film habe ich auch gesehen. Mir reichte es nicht zu sagen, wow was hat mein Körper da geleistet. Ich war wirklich unglücklich und konnte mich so auch nicht annehmen. Egal wie sehr der Film sagen will, lieb dich wie du bist oder es andere auch gern predigen mit Body Positivity. Ich habe etwas machen lassen und bin so so so viel glücklicher jetzt. Ich finde nicht, dass man den Körper akzeptieren muss, nur weil man Kinder bekommen hat. Es ist aber wunderbar, wenn man es kann und dann seinen Frieden findet. Ich habe ihn nun auch gefunden und bin weiß Gott sehr weit entfernt von Modelmaßen. Aber ich bin glücklich.
https://supermom-berlin.de/2018/03/21/schwangerschaft-after-baby-body/
So ein toller Text, liebe Claudia, auch für mich als noch-nicht-Mama! Danke für Deine Worte und Deine Sicht, Du hast so Recht!
Ganz liebe Grüße
Nora
Liebe Claudi,
Danke für diesen so ehrlichen&wunderschönen Text.
Ich versuche auch das Bild von mir loszulassen&mein Leben zu geniessen.
Da mein Mann anfang des Jahres eine Krankheitsdiagnose hatte,die uns umgehauen hat, fällt es mir leichter.
Wir sind nur froh, dass er wieder gesund ist& schauen mehr zu unseren Seelen,als zu unseren Körper .
Ich liebe Deine Texte…
Herzlichst Sabrina
Mal wieder so ein schöner Text, ganz vielen Dank!!! Muss ein bisschen schniefen und nicken :,))
????
“Count memories not calories” und so ist es. Wie Du selbst gesagt hast, am Ende zählen die Erlebnisse und nicht die Zahl auf der Waage. Ich war vor unseren Kindern erst sehr übergewichtig und dann stark untergewichtig und essgestört. Ich bekam meine Regel nicht mehr und weinte mir, so wie auch schon in meiner dicken Zeit, jeden Abend die Augen aus weil ich so u glücklich gewesen bin. Erst als mein Körper einen Warnschuss abgab und mir sagte, hör auf sonst ist es vorbei, begann ich wieder zutunehmen und wurde endlich schwanger. Jetzt nach 7 Jahren und 3 Kinder später bin ich einfach glücklich so ein tolles Leben führen zu dürfen. Ich mache viel Sport, verbiete mir jedoch nichts. Ich will das Leben schmecken, riechen und einfach mit Karacho leben ? Meine Tochter soll keine gestörte Wahenehmnung vorgelebt bekommen sondern leben und das ausserhalb von Gedanken über ihre Figur. Durch viele Einflüsse vergessen wir nur allzu gerne was im Leben wirklich wichtig ist. Ich sterbe lieber mit nem vollem Bauch und mit nem Lächeln im Gesicht als hungrig und verkniffen nur weil ich mir immer alles verboten habe. Wo bleibt denn da der ganze Spass von Grillabenden, Candlelightdinner, Geburtstagen und Feiertagen und anderen tollen Gelegenheiten?! So und darauf jetzt ein Stk. Beste holländische Schoki ?
Ich hab als Kind den Bauch meiner Mutter (nach vier Kindern) betrachtet und gestreichelt und er erinnerte mich an einen Hefeteig – warm und weich und lecker (also der Teig)…
Seitdem ich diese Geschichte meinen Kindern erzählt habe, sagen sie das Gleiche zu meinem Bauch, kneten ihn gerne auch mal und quietschen vor Glück – das ist doch hundertmal schöner als ein abschätzender Blick von Fremden!
Liebe Grüße,
Andrea
So schön geschrieben,
Hier gucken die Leute viel auf meinem Bauch, immer wieder erwarte ich anscheinend schon wieder ein Baby, haha, mein Mann und Kinder kuscheln die weiche Mama gerne…
Ich möchtte für mich die Bauchmuskeln etwas trainieren nur weil es mich hindert, ansonnsten glücklich, dankbar und erstaunt das mein Körper schon 8 Kinder ” gemuttert” hat ♡
Was für ein wundervoller Text, bei dem Du hoffentlich auch das Lächeln auf den Lippen hattest, zumindest klingt er sehr danach! <3
[…] „Ich muss ans Sauerland denken, wenn ich an meinen After-Baby-Body denke. Alles an mir rund und hügelig, wie die Landschaft zwischen Winterberg und Lüdenscheid. Keiner brüllt laut „Wow!“ Nichts Scharfes weit und breit. Aber: Ich mag die Gegend. Sehr. Ich fühle mich wohl. Alles ist unaufgeregt und gemütlich. Ich stillte, ich trug, ich tröstete, ich kuschelte, ich wärmte, ich trug meine Schwangerschaftshosen; ich war eine Mama, ich fühlte mich wie eine Mama, ich sah aus wie eine Mama. Und es war völlig okay. Selbst in meinem Kopf war alles weich und hügelig…“ WEITERLESEN […]
Hallo, du hast deine Gedanken so wunderbar aufgeschrieben! Ich kenne den Film und finde ihn sehr eindrucksvoll und wunderbar! Aber deine Worte und Gedanken treffen es für mich noch besser und betühren mich sehr! Vielen lieben Dank dafür! ♡ Eva