Ich weiß nicht, ob es das Alter ist oder all das, was da draußen in dieser Welt passiert. Aber in letzter Zeit gucke ich meinen Mann öfter an, beobachte ihn, wie er sich die frisch gewaschenen Haare aus dem Gesicht streicht, wenn er morgens hektisch seine Arbeitstasche sucht (beide ähnlich grau). Wie er mir begeistert von neuen Plänen erzählt, in denen mein Name vorkommt…
Wie er grinst, wenn er abends neben mich aufs Sofa sinkt, nachdem wir beide den gletschergleichen “Bett-Bring-Berg” erklommen haben – aber er mit den Großen länger brauchte. Dann schaue ich ihn an, freue mich und mir fällt ein, was wir ganz gut hinkriegen in Sachen Liebe: Wir können beide gönnen.
Wir haben beide Freude daran, wenn der andere etwas Schönes macht, länger schlafen kann, allein in den Urlaub fährt. Wir rechnen beide nicht auf danach, zählen nicht Ausschlaf-Tage oder Abholungen im Kindergarten oder Spülmaschinenauspackrunden. Er besteht nicht auf exakt fünf Tage Jungsurlaub, weil ich mit den Mädels auf Mallorca war. Er ist auch nie aufgestanden, wenn ich früher unsere Babys im Bett gestillt habe. Warum auch?
Warum sollte jemand bloß der Gleichberechtigung zu Liebe aufstehen?
Ganz ehrlich, ich habe ihm über das schmatzende Mündchen meines Babys beim Schlafen zugesehen und mich für ihn gefreut, dass er schlafen kann. Dass er Kraft tanken kann für den nächsten Tag, an dem auch ich und das Baby ganz sicher von dieser Kraft profitieren würden. Keine Frage, auch für mich muss ein Beziehung aus Geben und Nehmen bestehen. Aber für mich muss das, was man gibt und nimmt, nicht immer gleich sein. Viel wichtiger finde ich es, dass jeder sagt, was er braucht oder sich wünscht. Und wenn der eine noch mehr Schlaf braucht, als der andere, weil er sonst noch müder drauf ist, als der andere, dann bekommt er eben mehr Schlaf geschenkt. Dafür macht er vielleicht die alptraumgleichen Steuern.
Ich habe heute manchmal dass Gefühl, dass in Partnerschaften so viel aufgerechnet wird, wer sich cared und kümmert, dass so viel minutiös abgerechnet wird, dass wir vergessen, was Liebe ausmacht: Nämlich dem anderen eine Freude zu machen, ganz uneigennützig, ohne Hintergedanken. Einfach so. Meinem Partner etwas Gutes zu tun und ihm aus tiefstem Herzen etwas gönnen können, empfinde ich ein großes Glück. Und als Liebeserklärung. Als ich letzte Woche in den Flieger gestiegen bin, hatte ich die ganze Zeit seinen letzten Satz im Ohr: “Ich freue mich so für dich!” Ich habe mich lange nicht so verbunden mit ihm gefühlt, obwohl ich kilometerweit weg war.
Wow, das ist so toll! Da muss ich mich ehrlich gesagt ganz schön an der Nase nehmen. Ich frage mich auch wieso. Werde gleich damit anfangen und meinem Mann das Ausschlafen am Samstag gönnen. Und anschliessend jagen wir ihn auf die Rollschuhbahn 😉
Wie sympathisch, dass du das zugibst. Ich freue mich, wenn ich mich mit meiner Arbeit hier inspirieren kann.
Und ganz viel Spaß auf der Bahn!!!
Alles LIebe,
Claudi
Liebe Claudi,
oh weh … voll erwischt … hier wird ständig dieser wer-macht-mehr-und-ist-erschöpfter-Kampf gekämpft … DANKE fürs Erinnern und Zeigen, dass es anders gehen kann und darf. Ich liebe diese Texte von dir ja eh. Oft denke ich, ich müsste unbedingt bei all den Themen, die so im Netz besprochen werden, mitgehen. Müsste dann auch so denken, handeln etc … und dann kommst du mit einem persönlichen Text und ich möchte dich knutschen (und sofort als Freundin adoptieren ;-)), weil du zeigst: Nee, geht auch anders, nicht so „ganz oder gar nicht“. Du machst nicht jeden „Trend“ mit, sondern guckst, wie es für euch passt … hinterfragst, ob diese „Vorgaben“ wirklich sein müssen … und zeigst dann: Nee, muss nicht. Und das finde ich so schön unkompliziert und wirklich immer eine Erleichterung für mich … so … vielen Dank dafür 🙂
Liebe Grüße!
Dorthe
Liebe Dorthe, oh, was für ein tolles Feedback. Ich liebe es immer, wenn wir hier gegenseitig bei uns so richtig was in Gang setzen können.
Du hast das so wunderbar und ehrlich beschrieben! Danke,
alles Liebe,
Claudi
So ein wunderbar geschriebener Reminder! Danke herzlich…
Ich danke dir für das liebe Feedback!
Wie schön, dass euch das gelingt, liebe Claudi! Das möchte ich in Zukunft auch mehr schaffen 🙂
Herzliche Grüße
Christiane
Liebe Christiane, auch ich arbeite jeden Tag dran. Alles Gute für dich und euch!
Claudi
Toller Text und guter Reminder, danke Claudi! Genauso schön wie den Text finde ich die Kommentare, die machen mir nämlich deutlich, dass ich nicht die Einzige bin, die beim Thema Gönnen noch Ausbaumöglichkeiten sieht – danke für eure Ehrlichkeit, ladies!
Sehr gern, das freut mich. Und natürlich bin ich auch nicht perfekt. Ich rutsche auch oft rein in diesen Abzählen und Aufrechnen. Aber dann spüre ich wieder, wie wenig das mir und uns hilft.
Und deinem Dank schließe ich mich sehr gern an:
AUCH ICH FREUE MICH SO ÜBER EUCH HIER, LADIES!
Alles Liebe,
Claudi
Wie schön. Das klingt wirklich sehr harmonisch. Ich fürchte nur, dass dafür eine grundlegende Gleichberechtigung herrschen muss, denn wenn der eine immer 90 Prozent und der andere immer 10 Prozent übernimmt, ist das mit dem gönnen echt schwierig.
Genau darum geht es in einer Partnerschaft. Um das WIR! Nicht um meins & deins. Nicht um Du hast, also darf ich. 💖💖
JAAAA! Genau so muss es sein. Merke an mir selbst, wenn ich so agiere, fühle ich mich besser.
Mein Mann hat (bei 4 Kindern 😉 nie meinen Frauenarzt kennengelernt. Einige haben sich darüber gewundert. Er hat immer gesagt, seine Zeit kommt noch und dann hat er “gemacht”.
D A N K E Claudia
Danke Claudia für diesen Text, der mich sehr berührt hat und auch einen kleinen Stich im Herzen hinterlässt. Es stimmt was du sagst! Und doch wird es bei uns anders gelebt. Dieser Perspektivwechsel durch deinen Artikel hat sehr gut getan und rückt einiges wieder zurecht was in der kraftzerenden Coronazeit zu kurz kommt! Also DANKE! Bin sehr froh, dass ich Dich und Dein Team entdeckt habe und freue mich schon sehr auf das neue Kochbuch! Wenn ich aus dem ersten koche, habe ich irgendwie das Gefühl, dass das Essen mehr „Seele“ hat.🤗💞