Ich rede wahnsinnig gern über meine Kinder. Wer tut das nicht. Bloß in einer Situation hatte ich immer fast ein bisschen Angst davor: in Elterngesprächen. Diese Woche hatte ich wieder eins, ein Standard-Gespräch, dem Alter meines Kindes geschuldet. Trotzdem begann es in meinem Magen kurz zu zwicken, als die Erzieherin im Kindergartenflur mit ihrem Kalender hinter mir hereilte und unbedingt ganz zeitig einen Termin machen wollte. Ich meine, ich bin selbst Lehrerin. Ich habe jahrelang nicht verstanden, wieso Eltern vor Elterngesprächen Bammel haben – bis ich selbst Kinder hatte…
Eigentlich weiß gar nicht, was das Problem ist. Inzwischen. Ich meine, es ist doch eigentlich großartig, mal zwanzig Minuten mit der Erzieherin oder Lehrerin allein zu haben. All die Fragen stellen zu können, die man sonst am liebsten zwischen Frühstückstisch, Gang zur Turnhalle oder Abholung stellen würde. Mal ein wenig mehr zu hören über die Zeit, in der man nicht jedes Lachen, jedes Weinen, jedes Wort mitbekommt. Dennoch fühlte es sich lange Zeit so an, als wäre ich wieder zehn und müsste mit meiner Mathearbeit nach vorn zum Lehrerpult, um allein mit dem Lehrer über meine Arbeit zu reden. Bauchgrummeln. Schwitzhände. Ach was, viel schlimmer. In meine Mathearbeit war ich schließlich nicht verliebt.
Die Angst davor zu hören, dass das eigene Kind stört, schlägt, stottert, was auch immer ist groß. Noch größer später in der Schule, wenn wir Eltern uns noch mehr Sorgen und Probleme beim Lesen- oder Rechnenlernen fürchten. Sei es auch bloß aus dem ganz pragmatischen Grund, weil wir Eltern keine Zeitlücke im durchgetakteten Wochenstundenplan mehr finden könnten, um eine Stunde bei der Logopädin oder Nachhilfe einzubauen.
Ich finde es übrigens verrückt, dass es im Internet zigtausend Seiten gibt, die Erziehern und Lehrern Tipps für gut Elterngespräche geben. Bloß den Eltern gibt keiner Tipps. Dabei sind Elterngespräche doch die Chance für uns Eltern, eine Folge unserer absoluten Lieblings-Serie zu sehen. Eine, die sonst nie freigeschaltet wird. Hauptdarsteller der Serie ist unser Kind. Die Serie heißt: “This is I”.
So war es auch bei meinem Eltern-Gespräch diese Woche. Ich hörte, was er gern macht und was nicht. Manches wusste ich, vieles nicht. “Er ist sehr nachdenklich, manchmal beinahe melancholisch”, meinte die Erzieherin. “Wir führen nahezu philosophische Gespräche.” Ich war überrascht. Und auch wieder nicht. Ich kenne ihn auch so. Aber noch mehr sehe ich zuhause zur Zeit den kleinen Kasper in ihm.
“Er kann sehr wütend und traurig werden”, erzählte die Erzieherin weiter. Oh ja. “Aber wenn man von seinem Kaninchen erzählt, ist alles wieder gut.” Und dabei hatte ich gerade in letzter Zeit überlegt, ob sein Kanincheninteresse bereits ausgemistet ist.
Ich habe tatsächlich das Gefühl, ich werde in Elterngesprächen mit jedem Kind besser. Weil ich weiß, dass uns niemand etwas Böses will. Weil ich ganz sicher bin, dass ich mein Kind nicht weniger liebe, wenn mir die Erzieherin sagt, dass es beißt. Weil ich weiß, dass auch die Beißphase wieder vorbei geht (und zwar meistens, ohne dass ich irgendetwas tun muss). Weil ich mir vorher notiere, was ich fragen möchte. Weil ich übe, bloß die guten Sachen direkt an mich heranzulassen. Weil ich versuche, die anderen Sachen, Dinge die mein Kind üben und dazulernen und verbessern sollte, in einen Gedankenordner zu packen. Den kann ich entweder hinten ins Regal schieben und abhaken (mit einer Ergotherapie-Empfehlung habe ich das zum Beispiel schon mal gemacht. Zum Glück!) Oder aber ich nehme den Ordner nach ein paar Tagen noch einmal hervor und überlege selbst, wie ich meinem Kind beim Dazulernen helfen kann. Bestenfalls mit der Lehrerin oder Erzieherin zusammen.
Gibt es ein Problem, hilft es, ganz konkret nach Lösungsideen zu fragen. Eins weiß ich nämlich aus meiner Arbeit als Lehrerin: Alles ist bloß halb so schlimm, wenn man als Elternteil dem Lehrer erstmal zuhört und Dinge annimmt. Dann kann man auch gern mal anderer Meinung sein. Ein grundsätzliches Zeichen mit Lehrern und Erziehern zusammen arbeiten zu wollen ist wie der Vorspann für eine verdammt gute Serie.
Und was fühlt ihr im Bauch kurz vor einem Elterngespräch?
Alles Liebe,
Was für ein schöner Blogpost.
Wichtig!
Viele fühlen sich gern persönlich angegriffen, wenn man zu Kinder/Haus/Irgendetwas seine persönliche Meinung äußert. Dann gibt es Unfrieden.
Wenn man sich BEWUSST ist, dass es nur eine andere Meinung ist… warum kann man andere Meinungen denn nicht einfach stehen lassen. Muss man sich dann wirklich rechtfertigen. Eine gute Möglichkeit wäre doch erst die Lehrermeinung anzuhören und dann einfach ohne eine Absicht die andere Meinung ändern zu wollen von seiner Sicht zu erzählen.
„Oh, so verhält sich mein Sohn. Wie interessant…“
Ich nenne dies immer: dein Schiff, mein Schiff. Grundverschieden….
Aber keiner möchte das andere Schiff kapern…
Oh wie Recht du hast. Viele Empfehlungen habe ich auch Gott sei Dank abgehakt. Eine angebliche Sprachentwicklungsstörung mit Therapie Notwendigkeit habe ICH mit ihr innerhalb von vier Wochen in den Griff bekommen. Ich habe mir Sprechübungen im Internet gesucht und nicht Mal fünf Minuten abends im Bett geübt. Letztendlich habe ich nicht locker gelassen und sie wurde vor einer Woche an den Ohren operiert. Wie ich mir sicher war, war nämlich das ganze Ohr voll Wasser und sie hatte Polypen. Daher auch die zuerst schlechte Aussprache. Bei mir waren es zwar Arztgespräche, aber ich wurde mir nach dem fünften Arzt auch immer sicherer. Man muss sich selbst auch Mal die bessere Kompetenz in Sachen seiner Kinder zusprechen. Damit hilft man ihnen oft besser. und das bedeutet nicht, dass man nicht auch die “Probleme” sehen kann.
Übrigens bin ich auch Lehrerin und kenne die andere Seite ? daher sage ich auch bei jeder Einladung zu einem Elterngespräch sofort dazu um welches Thema es geht, damit sich die Eltern bis dahin keine Gedanken machen müssen.