Es hat keine fünf Minuten gedauert und meine Idee vom hübschen Glampingtrip war überzogen von einer fingerdicken Staubschicht. Wir hatten unser Auto auf der wilden Wiese geparkt, waren gerade dabei, den großen Zelt-Sack herauszutragen, da begannen die Kinder neben uns die staubige Erde in die Luft zu schmeißen. Jauchzend – bis sie vor lauter Staub husten mussten. “Oh, wie schön das staubt…!” riefen sie. Ich sagte nichts…
Kulturelle Landpartie
André auch nicht. Er seufzte. Und dann sagte er: “Dass Staub ein Lebensgefühl ist, weiß ich ja zum Glück dank Astrid Lindgren.” Wir ließen sie stauben und staunen, fingen an unser großes Tipi aufzubauen, was tollerweise tatsächlich irre schnell geht und ließen die Jungs dann sogar noch einen Großteil der Heringe in die Erde schlagen. Schon wieder jauchzend. “Ich verhammer den Fisch..!”, meinte mein Sohn dabei und wir alle lachten – mit dem Kopf im Nacken. Und obwohl zwei von zwölf Heringen hinterher krumm waren, war ich glücklich. Weil wir zusammen hämmerten. Und ich Zeit hatte, ihnen zuzuhören.
Kulturelle Landpartie
Wir fahren schon lange mit Freunden einmal im Jahr zur Kulturellen Landpartie ins Wendland. Ich liebe die Gegend Deutschlands, habe dort als Kind, zwischen weiten Wiesen und Wäldern jede meiner Sommerferien verbracht. Jedes Jahr zwischen Himmelfahrt und Pfingsten öffnen viele der dort ansässigen Künstler ihre Ateliers oder reisen extra aus dem Umgebung an, um in alten Scheunen, Ställen und in den Gärten ihr Kunsthandwerk zu präsentieren. Dazu gibt es überall leckere Sachen zu Essen, zu trinken, Musik und viele schöne Angebote für Kinder.

Überall dazwischen spürt man noch immer einen Hauch von Rebellion, denn das Kultur-Festival ist ursprünglich aus dem Kampf der Widerständler gegen die Atom-Industrie entstanden. Unser Wendland-Trip ist jedes Jahr der Pistolenknall, der uns in den Sommer schießt. Weil ein Tag für dieses tolle Event viel zu kurz ist, hatten wir für dieses Jahr beschlossen, mit Freunden für zwei Nächte in Mützingen zu campen, auf einer der Wiesen, die einige nette Bauern tollerweise für diese Zweck zur Verfügung stellen. Eine Anmeldung ist nicht nötig: man kann einfach kommen und zehn Euro im Briefumschlag in einen Briefkasten werfen. Dann reißt man sich eine Nummer vom Block, heftet die an Auto oder Zelt und das wars auch schon mit der Bürokratie fürs ganze Wochenende.


Unser Zelt ist übrigens ein rundes Tipi für bis zu zehn Personen, das ich sehr liebe, weil es Platz ohne Ende hat und nicht nach Plastik riecht. Morgens leuchtet es gelbgolden wie Ingwermilch in der Sommersonne und abends vanillepuddingwarm im Taschenlampenlicht. Es soll sehr wasserfest sein, was ich (noch) nicht bestätigen kann, weil wir absolute Schönwettercamper sind. Wir haben es hier bestellt (Amazon-Partnerlink).

Ich hatte bloß eine Tasche für uns alle gepackt, was großartig war, weil man mit all dem anderen Kram auch den Stress und die Sorgen zuhause lässt. Klar hatte ich für die Kinder je eine lange und zwei kurze Hosen eingepackt (von denen sie bloß eine anhatten. Paniert mit schönem, schönem Staub). Meinen Schlafanzug hatte ich vergessen. Zum Glück hatte ich für mich zwei Kleider aus der neuen Mara Mea-Sommerkollektion dabei, vor allem das blauweiße Ocean Bound ist so bequem, dass ich es gar nicht mehr ausziehen wollte, was ich dann auch nicht getan habe. Das rote sorgte am Tag dann doch noch für ein bisschen Glamping-Glow. Beide Kleider sind übrigens auch Schwangerschafts- und Stillkleider, sitzen aber auch ohne Bauch (oder mit Bratwurst im Bauch) super. Unsere Freunde hatten übrigens die Heringe vergessen. Ließen die großen Kinder dann aber einfach selbst welche aus Ästen schnitzen.

Zu Beginn schien es, als hätten wir dooferweise auch die gute Laune zuhause liegen gelassen. (Lag vielleicht hübsch sauber im Garten und genoss die Ruhe.) Was aber auch kein Wunder war, weil sogar wir Erwachsenen total aufgeregt waren, die Kinder sowieso. Weil sie vor lauter Begrüßungsfreude wild herumflitzten (auch mit staubigen Füßen über vanillefarbene Zeltbaumwolle), sich kitzelten, knufften, bufften und begrüßungsstritten und wir Erwachsenen ermahnten und motzen und maulten und uns erstmal daran gewöhnen mussten, dass Kinder eben Kinder sind, auch beim Camping. Bloß dass da noch jede Menge andere Leute zuhören beim knuffen und motzen.



Ganz schnell war all das vergessen. Die gute Stimmung war da und blieb, wie mit ein paar Heringen und  Hammerschlägen befestigt. Alles war plötzlich einfacher, mittags gab es Dosenravioli, die verrückterweise jeder mochte, die Zelte und der Wald dahinter halfen beim kindersitten und hatten die besten Beschäftigungsideen. Ich fror nachts, aber fand es gleichzeitig irre spannend zu spüren, wie warm es tagsüber war, wie kühl am Abend, wie eisig in der Nacht und schließlich wieder warm am Morgen. Im Zelt trifft man den Sommer mal ganz persönlich, lernt ihn so richtig kennen, hautnah, mit all seinen Eigenarten. Mein Kinder schauten mich morgens mit erdigen Gesichtern an, die Haare wild wie die Wiese hinterm Zelt – und schon waren sie weg und mit den anderen Kindern unterwegs.


Landpartie, Familien-Festival
Ich war fast ein wenig neidisch, als ich die Großen am zweiten Abend zum Zelt brachte, sie es sich dort mit Taschenlampen und Quartettspielen und Chips und Comics gemütlich machten und ich von draußen ihr Kichern und Flüstern hören konnte. Neidisch aber bloß, bis ich durchs brusthohe Gras zurück zur Festwiese ging, auf der André und unsere Freunde zu lässiger Sommermusik barfuß tanzten. Die Luft duftete nach Wiese und Weißwein, ich legte den schlafenden Kleinsten aus dem Tragetuch zu den beiden anderen schlafenden Kleinen in den Bollerwagen unterm Baum und tanzte mit. Dazu. Als ich zwischendurch ein paar Mal auf meine nackten Füße schaute, staubpaniert, fand ich sie tatsächlich auch ganz schön schön.

Unsere Lieblingsspots bei der Kulturellen Landpartie:
Beesem: Ein großer Hof mit vielen Ständen, die hübsches Kunsthandwerk anbieten, ein Sommer-Café mit Life-Musik, Hühner zum bestaunen, eine Lagerfeuerstelle und ein Boulefeld, ein Baum-Labyrinth für Kinder (mit einem überraschenden Schatz), Crépes und eine Bar.

Weitsche: Ein kleinerer Ort mit tollem Kaffee, Kräuterwanderungen, einer tollen Tierfotoausstellung, einer Schaukel und Matschbomben-Basteln für die Kleinen. Ein paar Mal am Tag gibt es Theatervorführungen und Musik.

Mützingenta: Ein großer, alternativer Rummel, mit viel wirklich schönem Kunsthandwerk, Theater und Varieté, Bogenschießen, Massagen, eine riesige Auswahl tolles Holzspielzeug zum Kaufen und Ausprobieren und vielen leckeren Essbuden. Jeden Abend gibt es Konzerte, die manchmal Eintritt kosten, oft geht bloß eine Hutkasse herum. Um 17 Uhr tritt oft das Chaos-Varieté hinten auf der großen Wiese auf, was wir alle lieben und jedes Jahr wieder gern schauen. Und dann gibt es noch das allerschönste Karussell der Welt: mit Holzschweinen und per Fahrrad angetrieben. Hier haben wir auch geschlafen, auf den Wiesen drumherum gibt es drei Campingplätze. Und abends, nach der Band, legt ein DJ bis in die Nacht hinein auf…

Sallahn: Ein eher kleinerer Wunderpunkt, aber mit meinem liebsten Blumenstand, wunderschön geschmiedeten Feuerschalen, einer Drachen-Regenrinne und einer tolle Holzhollywoodschaukel zum Waffeln verspeisen.

Satemin: Hier findet an Pfingsten ein toller, großer Markt statt, mit viel Kunsthandwerk und Musik (der allerdings ein paar Euro Eintritt kostet). Auch ohne Markt ist das alte Rundlingsdorf ganz besonders hübsch.

Und sonst: Meine Freundin und ich fahren auch einfach gern herum, halten an, wenn irgendwo an der Straße ein Hinweis-Schild hängt und lassen uns überraschen. Manchmal entdeckt man große Kunst – manchmal verkauft auch nur eine ältere Dame im Blumenkittel selbstgekochte Marmelade. Das weiß man nie… (Unsere Männer, kleine wie große, finden diese planlose Herumfahrerei und die kleinen Wunderpunkte eher anstrengend).


Auf jeden Fall mitnehmen:
Einen Schlafsack: Ich war zu knauserig mit einen zu kaufen und dachte bei dem warmen Wetter geht das auch mit Bettdecke. War aber trotz Fleecejacke echt kalt.
Eine Kaffeetasse aus Porzellan: für ein kleines bisschen Glamour am Feld. Schmeckt einfach so viel besser daraus.
Wasserkanister oder Leitungswasser in Flaschen: zum Zähneputzen, Gesicht waschen direkt am Kornfeld.
Schnitzmesser: Man weiß nie, wofür man es so brauchen kann…
Übrigens: Es gibt Kompostklos bei der Mützingenta, die überraschend sauber sind. Kalt duschen kann man dort umsonst, warm kostet ein paar Cent.

PS. Noch mehr Landpartie-Tipps gibts hier.
PPS. Und ja, das ganze läuft noch bis Pfingsmontag. Vielleicht habt ihr ja auch noch spontan Lust…

Eine schöne Woche,

Claudi