Gestern Abend beim Abendbrot – Baby erst in der Babyschale, dann auf meinem Arm, will trinken wenn wir essen, wie immer, schaut Andre ihn an, sagt erst nichts und sagt dann: “Er ist so groß geworden – sein Gesicht hat richtige Kleinkindzüge bekommen!” Und ich freu mich erst und kicher stolz (wie nur Mamas und Verliebte über Gesichtszüge kichern können) und kriege dann einen Riesenschreck – mein Baby, schon so groß. Hab ich glatt übersehen. Stecke ihn doch immer noch in die knappen 56er-Bodies. Schaue beinahe täglich Fotos von seinen ersten Tagen – und bin zufrieden, dass er noch gar nicht so viel größer ist. Aber André hat Recht: Unser Baby – drei Monate!
Die langsamleise, liebevernebelte Anfangszeit ist vorbei. Windelgröße eins auch. Wir gucken immer öfter wieder auf die Uhr – und auf den Terminplan. Baby und ich kuscheln immer noch viel, verbringen den Vormittag gern im Bett, wenn es geht, lesen, telefonieren, stillen, essen, schreiben dort, in unserer daunenbedeckten Kommandozentrale, aber die Welt hat uns immer öfter wieder. Und so langsam, ganz langsam bekommt unser Baby immer mehr mit von der Welt. Und das ist so schön.
Er wacht morgens auf, streckt sich, immer noch miniklein in unserem großen Bett, dann lächelt er, ein zahnloszauberhaftes Lächeln, nach links, nach rechts, dort liegt niemand mehr, alle schon ausgeflogen. Er lächelt die Welt an – und ich nehm mir jedes Mal vor, das auch zu tun, morgens die Welt anlächeln, einfach so. Dann beuge ich mich über ihn und er lächelt mich an, noch breiter als vorher die Welt, so als wäre ich der tollste und schönste Mensch überhaupt und da ist doch noch ein Stück der rosa Babyblase, denn in diesem Moment könnte draußen ein Baum umfallen, ich würde es nicht merken.
Ich puste hier und da nochmal die Babyblase auf, wann immer es geht im wuseligen Alltagswahnsinn: die kleine Stillpause in der Ecke während des Kinderturnens, ihn hochheben und einmal kurz ganz bewusst seinen babywarmen Körper spüren – bevor ich ihn in den Maxicosy und ins Auto verfrachte. Meine drei anderen Kinder habe ich oft unterwegs gestillt, im Gehen, manchmal an der Supermarktkasse. Ich vermeide das dieses Mal, ganz bewusst, warte lieber kurz, halte kurz (oder länger) Chaos aus – und mache es uns dann gemütlich. Andocken. Tief ein- und ausatmen. Das Stillen ist mein Yoga gerade. Meine Meditation im Alltagsrummel. Da müssen alle anderen mal warten. So wie das Baby öfter warten muss.
Er streckt sich langsam, entfaltet sich, ist nicht mehr ganz so rund. Die Falte über seiner Nase ist weg. Wir tragen ihn plötzlich öfter aufrecht, nicht mehr in der Armbeuge liegend, sein Köpfchen wackelt noch, aber er guckt gern. Immer öfter liegt er statt im Korb auf seiner Decke, einem kleinen Regenbogenquilt, den ich vor ein paar Tagen endlich fertg genäht habe. Ich lege ihn jetzt öfter auf den Bauch, meist mag er nicht, meckert, die Nase schwer auf dem Stoff, aber er übt fleißig den Kopf zu halten, die Stirn in tiefen Falten vor lauter Anstrengung. Es ist nicht mehr alles so neu zu sechst, es wird nicht mehr so viel Rücksicht genommen auf uns, der Alltag muss wieder laufen. Manchmal läufts auch, dann denke ich, geht doch. Manchmal ist überall Chaos: da braucht einer Hilfe bei den Hausaufgaben, einer hat den Kakao umgekippt, einer trotzt und das Baby schreit. Und in einer halben Stunde müssen wir schon wieder los zum Fußball. Und was ist überhaupt mit Abendessen?
Mein Kopf ist derzeit gleichermaßen zu voll und zu leer für eine Idee, was ich kochen könnte. Der Kühlschrank leider meistens letzteres. Es ist ein ständiges Neuorganisieren, Umplanen, Pläne verwerfen, neue Pläne machen. Ich übe Ruhe zu bewahren. Nicht zu viel auf einmal zu wollen. Einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Ich übe es wie mein Baby das Kopfheben. Genauso anstrengend. Genauso viele Falten auf der Stirn. Ich wiederhole hundertfach am Tag: “Einer nach dem anderen…”
Ich bin froh, dass unsere Nächte okay sind, dass ich quasi im Schlaf stille, er direkt neben mir, und morgens oft nicht mal sagen kann, wie oft er kam. Ein oder zweimal bin ich morgens aufgeschreckt, habe seinen Atmen überprüft, mit prallem Milchbusen, weil er gar nicht kam.
“Schon drei Monate!”, denke ich, weil es mir vorkommt wie gestern, als ich eilig die letzten Sachen für die Klinik gepackt habe, mit ihm im Bauch und heftigen Wehen, oder als ich mit ihm im Krankenhaus lag – draußen G20-Hubschraubergebrumm. So viele Gedanken habe ich mir ums Wochenbett gemacht, so viel geplant und überlegt – und dann vergeht es schnell wie ein Wimpernschlag.
Zum Glück habe ich dieses Mal jede Menge Mini-Filme mit dem Handy gemacht. Der Videospeicher meines Telefons ist mein neues Gehirn (während mein echtes weichgespült und löchriger ist als je zuvor) und ich gucke immer wieder die ganzen kleinen Szenen, Alltagszenen, die ganze zerknautschte Neugeborenenromantik und bin sofort wieder drin. Schön ist das.
“Erst drei Monate!” denke ich dann, weil mein Baby gerade gluckst und breit grinst, sobald ich ihn ansehe und die durchsichtigen Augenbrauen hochzieht, als wolle er sagen, “Hey, Mama, was machen wir beide heute noch Schönes?” Und ich kann es nicht glauben, dass er vor drei Monaten noch in meinem Bauch war. Kann es nicht glauben, dass es überhaupt eine Zeit gab ohne ihn. Die Jungs sind bezaubernd mit ihm, manchmal wild bezaubernd, aber immer bezaubernd. Auch wenn ich noch immer ängstlich Babys Hand halte und nicht loslasse, wenn der Große es stolz auf dem Arm in den Kindergarten trägt, um den Rest der Bande abzuholen. Nachmittags bringen sie ihm Bälle und kleine Autos und Rasseln und warten gespannt, wann er sie greifen kann. Auf älteren Fotos vermissen sie das Baby. Wahnsinn, wie schnell er einfach dazugehört hat.
Die Abende sind unsere, Babys und meine, da brauche ich keine Blase aufzupusten, die pustet sich von allein. Ich pass bloß auf, dass ich keine Arbeit reinlasse, keine doofen Gedanken, die Zeit gehört nur mir und dem Baby, neben- oder aufeinander, Stirn an Stirn oder Nase an Stirn. Ich lese mit ihm auf der Brust, ich schaue eine Folge, ich stille, ich esse Eis. Und mache Pause und gucke ihn an. Und freue mich. Über ihn. Über drei Monate mit ihm. Über die nächsten drei Monate. Über alles, was da noch kommt.
PS. Die Kleidung, die mein Vierter auf diesen Fotos trägt, durfte ich mir im wunderschönen Kyddo-Shop aussuchen: Der kuschelige Winter-Overall aus gewalkter Wolle von Monkind in Kupfer hat eine zuckersüße Wichtelkapuze mit Bommel. Der kleine Strickpullover in Off-white von Kongens Slod hält warm und ist butterweich. Weil ich mir nichts Süßeres vorstellen kann als Babys in Bloomers war es Liebe auf den ersten Blick mit der in Terracotta von Poudre Organic. Und selbst nach der schlimmsten Nacht, dem größten Geschrei, werde ich beim Anblick der Gute-Laune-Ringel-Strumpfhose von CarlinjQ wieder milde. Sie sieht einfach so zuckersüß aus an strampelnden Babybeinen. Überhaupt: mehr Weinrot für kleine Jungs! So hübsch! Welches Produkt im Kyddo-Shop gefällt euch denn am besten? Ich finde den Geschwister-Adventskalender auch so schön. Und vielleicht darf hier zu Weihnachten endlich ein tolles Gesichter-Puzzle einziehen.
Eine schöne kurze Restwoche,
Hallo Claudia, das hast Du wieder so schön geschrieben! Du hast so eine schöne Art und man kann es gut nachfühlen. Alles gute für Euch! Viele Grüße von Anka
Hallo Claudia, vielen, vielen lieben Dank ! Mir fallen beim Lesen fast die Augen zu und doch habe ich ein Lächeln im Gesicht, Du hast es erstens geschafft, dass in Worte zu fassen was auch ich in ähnlicher Form gerade durchlebe, unsere Nr. 4 ist eine gute Woche älter als Bo und zweitens mir wieder ins Gedächtnis gerufen die Momente mehr zu genießen, denn wie Du schon bereits beschrieben hast der Alltag holt einen viel zu schnell ein und leider vergesse ich immer wieder vor lauter, inne zu halten, einfach glücklich statt gestresst zu sein und es tut einfach gut zu lesen dass man nicht alleine ist und es anderen Müttern auch so geht…vielen herzlichen Dank! Mach ‘ weiter so ??