Im Urlaub hab ich etwas gemacht, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe: Ich war ewig auf. Früher hab ich mein Eulen-Gen voll ausgelebt. Hab Nächte durchgelernt, durchgetanzt, durchgelesen und mir später nachts diesen Blog aufgebaut. In letzter Zeit war ich zu müde für alles…
Bis zu unserem Herbstferien-Urlaub. Ich war nicht gut drauf. Hatte mir viel zu viel Arbeit aufgehalst, nahm außerdem jede Menge Grübeleien mit. Statt enthusiastisch mit meinen Kindern im Schwimmbad zu toben, Volleyball zu spielen oder stundenlang Gesellschaftsspiele zu zocken, wollte ich ehrlicherweise nur zwei Dinge: dösen und lesen.
Job und Jungs hatten was dagegen. Am zweiten Abend fing ich gleich nach dem Essen und einem kurzen Spiel an zu arbeiten und blieb einfach am Couchtisch hocken. Die anderen gingen irgendwann hoch, durften noch was gucken und später lesen. André las erst vor und dann noch selbst. Ich blieb sitzen, nachdem ich fertig war. Schaute den Flammen im Kamin zu, raus in die Dunkelheit und atmete durch. Endlich Ruhe.
Die Nacht wollte tollerweise nichts von mir.
Ich holte mir ein Glas Wein und mein Buch. Ich las ewig. Ich dachte in Ruhe nach und ordnete Gedanken. Ich hörte endlich mal wieder mir zu. Ich grübelte nicht, ich war milde mit mir. Und die Nacht war es auch.
Am nächsten Abend hatte ich einiges zu tun und schob noch mehr vor. „Du Arme“, meinte mein Sohn und gab mir einen Kuss. „Mach nicht zu lange!“, flüsterte mein Mann. Ich erledigte meine Arbeit, dann genoss ich aufs Neue Zeit mit mir. Konnte die Stille nicht glauben und dennoch fassen. Fühlte die Entspannung körperlich. Schlechtes Gewissen? Nur ein bisschen. Die Nacht warf mir nichts zum Grübeln hin. Vielmehr fühlte sie sich an, wie jemand, der mir über die Schulter strich und sagte: “Mach nichts, mach es dir einfach mal schön.” Die Nacht sprach wie eine Mutter zu mir.
Ich las, dachte, döste.
Klappte irgendwann sogar entspannt mein Laptop auf, um endlich neue Ideen für Geschichten zu notieren. Hatte mir schon Sorgen gemacht, dass da nichts mehr aus meinem Kopf käme. Aber in der Nacht, ganz entspannt mit mir allein, merkte ich, dass da doch was war. Und dass ich es noch immer liebte. Es war sonst bloß immer viel zu laut, um meinen Ideen zuzuhören.
Auf der Rückfahrt nach Hause waren meine Nächte bloß eine schöne Erinnerung. Bisschen müde war ich, sonst war alles wieder wie vorher. Ab Montag würde der Wecker wieder viel zu früh klingeln. Und ich fing auf dem Beifahrersitz schlagartig an zu grübeln, wie ich nächste Woche alles unter einen Hut bekommen sollte. Alles was ich machen muss und was ich machen will.
Aber dann hörte ich das Lied “Die Nacht” von Lumpenpack. Und ich grinste.
Die Nacht gehört mir.
Die Nacht bleibt lange mit mir auf.
Die Nacht muss morgen früh nicht raus
Nur die Nacht, der Mond und ich
Mehr nicht
Vielleicht hallen diese Nächte doch länger nach. Und hurra, da liegen noch viele Nächte vor mir.
PS. Bist du ein Nachtmensch?
Liebe Claudi!,
nein, ich bin was Produktivität betrifft einfach eine Lerche und will morgens fit sein…aaaaber, ich habe gemerkt, dass ich momentan arge Probleme habe, tagsüber in einen kreativen Flow zu kommen (zu viel im familiären Bereich los, zviel Gegrübel am Schreibtisch). Und da hab ichs mal nachst probiert – und siehe da, ich war für 5 (!) lange Stunden fokussiert! Der Hammer! Ich hab einen Auftrag schön ausfüllen können (selbst und ständig) und konnte am nächsten Tag auch geplant einen Mittagsschlaf machen ;-). Ich nähere mich also der Nacht wollte ich sagen…
Claudi, ich bin echt begeistert wie Du diesen Blog weiterfüllst und was für Themen jetzt hier zu finden sind. Grandios, offen und toll fand ich auch den Text vom Scheitern. (Besonders weil ich es auch gerade hinter mir habe…meine Selbstständigkeit im Bildungsbereich sollte nicht sein und nun muss ich mit 40 wohl noch mal bei null mit einer Ausbildung anfangen, auweia).
Ich komme so gerne hier vorbei, freu mich jetzt aufs gemütliche Kochen aus Deinen Büchern und einfach auf eine mucklige Zeit!
Liebe Grüße aus Richtung Ostsee,
Astrid
Liebe Astrid, ich danke dir für deine Geschichte und dein Feedback.
Dieser Blog ist tatsächlich so was wie eine zusätzliche Herzkammer von mir.
Schön, dass du hier bist,
alles Liebe,
Claudi
Oh Claudi, dieser Text berührt mich total! Das ist ganz wunderbar beschrieben.
Ich kenne das so gut, dass ich abends oder spät nachts endlich das Gefühl habe, nicht ständig rumhetzen zu müssen, niemandem was beweisen zu müssen. Diese Ruhe, diese Klarheit in Gedanken nach zwei Uhr nachts…
Von meiner Veranlagung her will ich glaube ich gar nicht lange aufbleiben. Ich stehe gerne zeitig auf und plumpse abends beizeiten müde ins Bett. Aber mein derzeitiges Leben lässt mir plötzlich den Abend oder öfter sogar die Nacht als Möglichkeitsraum erscheinen, den ich tagsüber einfach nicht finde.
Ja, jaaaaaa. Genau das.
Danke fürs Berührtsein und mit mir teilen.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi,
So schön geschrieben! Ich fühle das so sehr 🙂 Wenn ich gerade nicht direkt unter den Sternen, in eine dicke Decke eingemummelt, sitzen kann, um den Mond anzuschauen und endlich alles loszulassen, dann erinnere ich mich an meine wunderbaren Sommernächte auf der Terrasse meiner Eltern. Diese kühle, klare Nachtluft war schon immer ein Segen für mein sensibles Gehirn 😅 Meine Mama brachte mir immer eine Decke und was zu trinken. Dieses Gefühl, dieser Seelenmoment, trägt mich auch heute noch durch laute und wuselige Zeiten☺️und du hast mich gerade daran erinnert. danke dir!💝
Wow, so eine schöne Erinnerung. Und ja, Nächte auf einer Sommerterrasse sind auch magisch.
Hach.
Alles Liebe,
Claudi
Toller Text! Ich liebe die Nacht und das Gefühl dass niemand was von mir möchte, keine Anrufe, keine Unterbrechungen…. Wenn es den Wecker um 06:30 nicht gäbe, würde ich immer die Nacht genießen 😉LG, Ana
Liebe Ana, genauso geht’s mir auch.
Blöder Wecker.
Liebe Grüße,
Claudi
Was für ein toller Text! Du fasst so treffend in Worte was ich zwar kenne, aber noch gar nicht so genau hätte benennen können. Danke!
Das freut mich. Ganz lieben Dank für das Feedback!
Alles Liebe,
Claudi
Ja, auch ich verdanke einen beachtlichen Teil von allem was ich erschaffen und geschafft habt den Nachtstunden. Leider funkt das frühe Aufstehen mit den Kindern im Schulalter dazwischen, auch jetzt wo ich selbständig erwerbend und eigentlich freier bin. Aber eine Nachtschicht hat immer noch eine gewisse Magie und es tut gut zu wissen, dass man als Eule in diesen Stunden soviel schaffen kann, wenn man will oder muss…
Dir alles Beste, Du schaffst das!
Verrückt, oder? Was wir der Nacht – und unserem Eulengen zu verdanken haben.
Und dito, das wünsche ich dir auch.
Alles Liebe,
Claudi
Oh. Ja. Die Nacht ist auch für mich schon immer der Raum, in dem ich selbst am liebsten mit mir bin. Ich genieße das manchmal aber mehr, als es sich dann mit dem trubeligen Familienalltag vereinen lässt. Dann werden die Augenringe tief. Freue mich schon, wenn alle groß und selbstständig genug sind, damit ich Zeit für den geliebten Mittagsschlaf finde.
Oh ja. Oder ist dann tags so viele Ruhe da, dass wir ihn zur Nacht machen können. Und nachts einfach schlafen?
Ich bin gespannt.
Alles Liebe,
Claudi