Ich habe die Existenz einer biologischen Uhr für ein Gerücht gehalten – bis meine eigene von heute auf morgen vernehmlich zu ticken begann. Vorher hatte ich zwar vage den Gedanken an eigene Kinder gefasst, aber ohne dieses zwingende Gefühl, das mich mit Anfang 30 plötzlich überkam. Es war wie ein Ziehen, ein innerer Drang, der mich ansonsten eher beim Anblick von guter Schokolade überkommt. Das hatte ich jetzt unkontrolliert bei jedem Kinderwagen, der meinen Weg kreuzte. Dumm nur: Mein Freund fühlte das damals ganz und gar nicht…

Oder sagen wir: Er war noch auf Stand des vagen Gedankens an gemeinsame Kinder. Kein kategorisches “Nein!”, aber eben auch weit entfernt von einem “Ja, jetzt los!” Aber genau das wollte ich unbedingt.

Es fühlte sich an, als dulde es keinerlei Aufschub, sofort mit der Kinderproduktion loszulegen.

Aus meiner Warte gab es auch nichts, was dagegensprach: Wir waren seit fünf Jahre zusammen, hatten schon stürmische Zeiten durchstanden und waren uns einig, unser weiteres Leben gemeinsam zu verbringen. Außerdem waren wir beide in Festanstellungen – und ich mit 33 im allerbesten Alter für Kind Nummer eins. Fand ich. Mein Freund fand, wir sollten noch warten.

“Aber worauf denn…?!”, fragte ich ihn. Er würde sich eben noch nicht bereit fühlen, erwiderte er. Wann er denn glaube, sich dafür bereit zu fühlen…? “Später.” Die K-Frage wurde schnell zum Frust-Thema für uns beide: Die Reaktion auf mein erst behutsames und dann zunehmend forscheres Drängen führte bei meinem Freund zu Rückzug, bei mir zu Tränen und zu verdammt unbefriedigenden Gesprächen, die sich ewig im Kreis drehten.

Und wie unentspannt ist bitte Sex, wenn sich alle Gedanken nur um dieses eine Thema drehen…?

Alles, was früher leicht und selbstverständlich war, wurde plötzlich zum Krampf. Selbst, wenn wir die K-Frage großzügig ausklammerten, schwang es unterschwellig immer mit. Meine Welt schrumpfte auf exakt ein Thema. Ich sah überall nur noch Babys, Schwangere, hormonverstrahlte Säuglingseltern. Im Freundeskreis waren wir so ziemlich die Letzten ohne Nachwuchs, was die Sache nicht einfacher machte.

Dabei war ich selbst noch kurz zuvor nicht sonderlich interessiert an den Kindern der anderen gewesen. War insgeheim sogar manchmal froh, noch nicht von einem solchen kleinen Wesen fremdbestimmt zu werden. Jetzt wollte ich genau und nur noch das – um jeden Preis! Aber die Kluft zwischen meinem Freund und mir wurde immer größer, je mehr Zeit verstrich. Ich glaube, am Ende wussten wir einfach nicht mehr, wie wir unbeschwert miteinander sein konnten. Obwohl wir einander immer noch liebten, hatten wir das Verständnis für den jeweils anderen irgendwo auf dem Weg verloren.

Es war das erste Mal, das ich ernsthaft über eine Trennung nachdachte.

Obwohl ich ihn und keinen anderen zum Mann wollte – noch zwingender wollte ich Mutter sein. Wollte spüren, wie es ist, ein Kind in mir zu tragen, es zur Welt zu bringen, dafür zu sorgen. Und ich wollte unverzüglich damit loslegen – denn ich wünschte mir ja nicht nur eines, sondern mindestens zwei. Und ewig Zeit hat man dafür dann ja eben doch nicht, wenn man mit knapp Mitte 30 noch kinderlos ist.

Ich glaube, ich hatte damals vor zwei Dingen große Angst: Dass mein Freund sich nie dazu durchringen würde – und auch davor, dass mein Körper mir einen Strich durch die Rechnung machen könnte.  Immerhin hatte ich es mit der Verhütung in den vergangenen zwei Jahren nicht immer so ganz genau genommen – und passiert war dennoch nie etwas. In der Zeit fühlte ich schon den Anflug von Verbitterung im Nacken. Musste mich zwingen, mich nicht dauernd in Negativ-Gedankenspiralen zu verlieren.

Denn was würde aus mir werden, wenn diese große Sehnsucht nach einem Kind nie erfüllt werden würde…?

Ich sah mich schon als freudlose alte Tante mit Schicksalsfrust mein restliches Leben fristen. Kurz vor unserem gemeinsam geplanten Sommerurlaub, vereinbarten mein Freund und ich eine Trennung auf Probe. Wir wussten nicht mehr vor und nicht zurück. Wir waren wund – voneinander, von dem ewig gleichen Thema.

Ich stellte mir viele Fragen in diesen drei Wochen: Ging es mir wirklich nur um ein Kind – ganz gleich mit welchem Mann? Hatte ich mich zu sehr in das Thema verrannt? Immerhin hatte mein Ex auf Probe ja stets signalisiert, dass er Kinder wollte – und im Laufe unserer Beziehung hatte ich nie Zweifel an seinem Wort haben müssen. Setze ich ihn zu sehr unter Druck, ließ er mich am ausgestreckten Arm verhungern…? Statt als Paar war ich als Single mit unseren französischen Freunden unterwegs, die gerade ihr erstes Kind bekommen hatten.

Ich glaube, in diesen Tagen habe ich vielleicht das erste Mal begriffen, was es wirklich heißt, ein Baby zu haben.

Dass man dafür tatsächlich viel aufgibt, dass es nicht nur reine Wonne ist, sondern ein irrer Ritt, den man als Paar bestimmt besser meistert als Alleinerziehende. Denn so weit war ich zwischenzeitlich zumindest gedanklich bereit gewesen zu gehen. Diese Sommer-Wochen haben damals ein wenig mehr Realität in mein Idealbild gebracht, das ich mir die vergangenen Monate in den pastelligsten Farben ausgemalt hatte. Ich kam wieder zurück auf den Boden. Und zu dem Schluss, dass ich den Mann, den ich liebte, nicht aufgeben wollte.

Als wir uns wiedertrafen, waren wir vorsichtig miteinander. Ich war zu erschöpft, um das Thema wieder in der gleichen Intensität aufzunehmen – und ich wollte aus meinem Kinder-Tunnel raus. Ich wollte wieder spüren, dass das Leben auch noch andere Facetten hat als das Kreisen um die K-Frage. Ich beschäftigte mich viel damit, was mich, was uns sonst noch glücklich machen würde. Und so kamen wir zu unserem Wochenendhaus im Wendland (habe ich hier schon einmal drübergeschrieben).

Im Nachhinein denke ich, dass es die Rettung war: Für uns als Paar, für meinen Seelenfrieden, für die Kinderfrage.

Denn in dem Maße, wie ich losließ, wie ich mich anderen Dingen zuwandte, die mir ein gutes Gefühl gaben, fanden wir als Paar wieder enger zusammen – und mein Freund kam aus seiner “Später”-Deckung hervor. Und so kam es, dass ich am Ende unseres ersten Wendland-Sommers ziemlich überraschend schwanger wurde. Und danach noch zwei weitere Male. Daran muss ich häufiger denken, wenn mir unser Fünfer-Familientrubel zwischendurch zu viel wird:

Dass ich mir nichts sehnlicher gewünscht habe als das. Dass ich kinderlos vermutlich kreuzunglücklich geworden wäre. Dass mein Freund, der heute mein Mann ist, und ich vielleicht nicht mehr zusammen wären, hätten wir keine Kinder bekommen. Dass ich mich verdammt glücklich schätzen kann. Dass mein Leben die richtige Kurve gekriegt hat, obwohl es sich heute öfters so anfühlt, als würde ich aus eben dieser Kurve fliegen. Aber all dem liegt zugrunde, dass die Kinder-Frage nicht mein unglückliches Lebenstrauma geworden ist – sondern mein überaus wildes Lebensthema.

Wie war das bei euch: Wart ihr euch von Anfang an einig über die Kinderfrage?

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Alles Liebe,

Katia