Dieser Tage sind tolle neue Romane erschienen – der nächste von Sally Rooney heißt “Intermezzo”, da freu ich mich schon sehr drauf! Genau wie auf Joachims Meyerhoffs neuen Roman “Man kann auch in die Höhe fallen” – liebe seinen Sound ja schon seit “Wann wird es endlich so, wie es niemals war”. Aber jetzt erstmal zu fünf anderen, ziemlich besonderen Romanen, die ich euch für kurze Tage und lange Nächte dringend ans Herz legen will:
Brutal schön und unerwartet witzig: Barbara Kingsolvers “Demon Copperhead”
Okay, hätte ich nicht so verdammt viel Gutes von diesem Roman gehört, den die Washington Post als besten des Jahres bezeichnete – ich hätte ihn vermutlich nicht gelesen. Aus dem ganz einfachen Grund, dass mich 800 Seiten derzeit eigentlich immer eher abschrecken, weil es von mir verlangt, dass ich über Tage und Wochen sehr tief in ein Buch abtauchen muss, um in der Geschichte zu bleiben. Kleiner Spoiler vorweg: Ist bei diesem atemberaubenden Roman überhaupt kein Problem…
Dabei ist Demon Copperhead kein wellness read, eher ein ziemlich wilder Ritt, erzählt es doch die Geschichte des titelgebenden Jungen Demon, der als Sohn einer Junkie-Teen-Mom und eines toten Vaters zur Welt kommt. Der von Anfang an eigentlich keine Chance in einem Amerika hat, das zwar immer noch die vom Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichten preist, aber das nicht für White Trash-Waisen in den Wäldern Virginias gilt.
Und doch ist dieses Buch nie hoffnungslos, was vor allem daran liegt, dass der heranwachsende Demon seine Geschichte selbst erzählt – in einem fast unbekümmerten Ton, auch wenn er von Armut, üblen Pflegfamilien und ganz generell von menschlichen Abgründen erzählt. Harter Tobak zwischen Tabakfeldern. Ich habe den Jungen mit den kupferroten Haaren und der großen Klappe so sehr ins Herz geschlossen, wie lange keinen Helden mehr – ganz große Empfehlung! Hier geht’s direkt zum Buch.
Wenn die Familiengeschichte plötzlich eine andere ist: Kristin Vallas “Das Haus über dem Fjord”
Manchmal finden einen Bücher, so wie dieser norwegische Roman mich gefunden hat. Erst fiel er mir in der Buchhandlung auf, nur Tage später bekam ihn eine Freundin zum Geburtstag geschenkt – und schließlich durfte ich ihn bei der besten Kaffeerösterei Schleswig-Holsteins vom hauseigenen Bücherflohmarkt-Stapel mitnehmen.
Es ist ein Herbstbuch, obwohl ich es im Sommer gelesen habe, aber der Grundton ist so unaufgeregt und ein wenig melancholisch, dass er perfekt in diese Jahreszeit passt. “Das Haus über dem Fjord” erzählt von der Journalistin Elin, die aus Oslo in das norwegische Kleinstadtkaff ihrer Kindheit zurückkehrt, um ihr Elternhaus aufzulösen. Als Zehnjährige hat sie bei einem Unglück bereits ihren Vater und zwei Brüder verloren – nach dem Tod der Mutter ist nun ganz allein.
Aber sie trifft Ola wieder, einen Freund ihres Bruders, der sie damals nach dem Unglück aufgefangen hat und auch jetzt wieder an ihrer Seite ist. Der wieder zum Fels in der Brandung wird, als sie nach und nach herausfindet, dass ihre Familiengeschichte eine ganz andere ist, als bislang angenommen… Auch wenn ich schon drölfzig Varianten dieser Plot-Idee gelesen habe – sie wird mir nie langweilig! Weil Familiengeschichten einfach so viele psychologische Abzweigungen ermöglichen, dass eben doch jede wieder ganz einzigartig ist. Diese Wendung am Ende habe ich in keiner Weise kommen sehen – das Buch lohnt allein wegen des unerwarteten Finales. Aber auch sonst: Einfach schön. Hier geht’s direkt zum Buch.
Mama liebt die Köter mehr als ihre Kinder: Alina Herbings “Tiere, vor denen man Angst haben muss”
Ist vielleicht so eine Art guilty pleasure: Ich mag Bücher über gescheiterte Aussteiger. Die eine Utopie dekonstruieren, obwohl ich eigentlich großer Fan alternativer Lebensentwürfe bin. Aber häufig sind es genau Geschichten, die mich mitten hineinziehen in das, was mal ein großer Traum war – und dann zum Albtraum wird. Es ist also eine Art Anti-Idyll, in dem die Teen-Schwestern Madeleine und Ronja mit ihrer alleinerziehenden Mutter aufwachsen.
Wobei: Von Erziehung kann genau genommen keine Rede sein, nicht mal von erkennbarer Mutterliebe. Seitdem die Mutter kurz nach der Wende Lübeck den Rücken gekehrt hat, um mit der Familie in einem mecklenburgischen Kaff neu anzufangen, zerbröckelt das Ideal von Familie wie der marode Hof, in dem die Mädchen mit ihrer Mutter leben. Statt sich darum zu sorgen, dass ihre Kinder nicht bei elf Grad Celsius in ihren zugigen Zimmern frieren, kümmert sich die Mutter lieber hingebungsvoll um misshandelte Hunde, Labortiere und verletzte Wildtiere, die sie am und größtenteils im Haus hält. Dass die Tiere mehr Raum einnehmen als die Menschen, sorgt beim Lesen immer wieder für Beklemmung – beispielsweise, wenn Madeleine sich nicht aus ihrem Zimmer traut, weil vor der Tür ein bissiger Köter wartet.
Dieses Buch erzählt davon, wie man trotz widriger Umstände dennoch seinen Platz in der Welt finden, dass Familie auch schwesterliche Komplizenschaft meinen kann und dass Landleben nicht immer so bullerbüesk ist, wie man glauben möchte. Habe es innerhalb von 24 Stunden inhaliert – aber immer wieder mit Schnappatmung. Hier geht’s direkt zum Buch.
Ein Thriller, der keiner ist: Calla Henkells “Ein letztes Geschenk”
Für die Künstlerin Esther läuft es nicht so rund wie erhofft: Statt mit ihrer Verlobten in ihrem hübschen Haus in den Blue Ridge Mountains eine Mama-Mama-Kind-Familie zu werden, bläst sie nach der überraschenden Trennung Trübsal mit Mikrowellen-Burritos. Bis sie den Auftrag für Multimillionärin Naomi annimmt, ein Familienalbum aus Erinnerungsstücken anzufertigen und unversehens in den Sog dieser anderen Familiengeschichte gerät. Denn plötzlich ist Naomi tot – und Esther scheint einem ungeheuerlichen Geheimnis auf der Spur…
Eigentlich bin ich kein Thriller-Fan, aber dieser tarnt sich so perfekt als Familienroman mit Abgründen, dass ich die knapp 500 Seiten innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe. Außerdem fand ich die Verquickung von Kunst und Krimi super gelungen – vermutlich deshalb so authentisch, weil die Autorin selbst Künstlerin ist. Außerdem hat sie ein gutes Gespür für moralische Abgründe und schreibt so bissig und pointiert, dass ich beim Lesen häufig laut gelacht habe. Wäre auch gut als Sommerroman durchgegangen! Hier geht’s zum Buch.
Weihnachten und Wehengeschrei: Claudia Schaumanns “Die Geburtstagsbande – Jeder Tag ist Feiertag”
Die Anfangsszene von Claudis finalem “Geburtstagsbande-Band” katapultierte mich unversehens in das Hamburger Geburtshaus, in dem ich damals der Vorbereitungskurs gemacht hatte: Während wir gerade über die richtige Atemtechnik sprachen, schrie im Nebenzimmer permanent eine Frau in den Wehen. Ganz ähnlich geht es Rio, denn seine Mutter besteht auf eine Hausgeburt und Rio ist Wand an Wand dabei, als seine kleine Schwester auf die Welt kommt. Was für ein ungewöhnlicher Auftakt für ein Kinderbuch!
Rios große-Bruder-Aufregung wird allerdings bald schon von neuen Party-Plänen abgelöst, die mindestens genausp aufregend wie die geburt seiner kleinen Schwester sind. Diesmal will die Geburtstagsbande ihrem Mitschüler Nikki zu einem tollen Geburtstag verhelfen, dessen Familie knapp bei Kasse ist. Und dann steht ja auch noch die Klassenweihnachtsfeier an. Klar, dass es bis zum Heiligenabend ordentlich trubelig bei den drei Freunden wird. Genau das richtige (Vorlese-)Buch, um in Adventslaune zu kommen. Hier geht’s direkt zum Buch.
Und welche Bücher warten auf euch im Herbst…?
Alles Liebe, viel Spaß beim Schmökern,
Liebe Katia, ich habe schon sehnsüchtig auf deine neuen Buchempfehlungen gewartet. Habe ich letztens erst die vorherigen empfohlenen Bücher von dir beendet. Der Herbst kann also kommen und die gemütlichen Tage auf der Couch. Danke für deine Mühen. Viele Grüße Britta
Hej liebe Britta, das freut mich aber! 🙂 Hoffe, es ist diesmal auch wieder etwas für dich dabei – Buchliebe ist ja meist höchst subjektiv… Alles Liebe, hab einen schönen Schmöker-Herbst, Katia
Liebe Katia,
ich freue mich immer sehr über Buchempfehlungen und werde eins davon in unseren Buchclub mitaufnhehmen.
Viele Grüße, Steffi
Hej liebe Steffi, oh, großartig! Welches solls denn werden? Berichte gern, wie es dir/euch gefallen hat. Alles Liebe, viel Lesevergnügen, Katia
Liebe Katia,
Danke für die tollen Empfehlungen! Von Alina Herbig habe ich vor Jahren “Niemand ist bei den Kälbern” gelesen. Das mochte ich auch gerne! Auf meinem Nachtschrank liegt schon ein Stapel kitschiger Weihnachtsliebesromane, auf den ich mich richtig freue! Vorher lese ich noch “Revolution der Verbundenheit” von Franziska Schutzbach zu Ende (Empfehlung!).
Viele Grüße
Nina
Hej liebe Nina, ich kante Alina Herbig vorher gar nicht, will nach “Tieren…” aber dringend noch ihr Debüt lesen – hat mich sehr gefesselt! Ich hab irgendwie noch eine Menge Sommerromane auf dem Nachttisch, die gerade bei mir auflaufen – ich scheine noch nicht so recht in Vorweihnachtsstimmung… 😉 Einen schönen Lese-Herbst, alles Liebe, Katia