Früher habe ich diese typischen Mauerblümchen-Geschichten geliebt. Das unscheinbare Mädchen, das plötzlich und unerwartet ihren großen Auftritt kriegt – und alle erkennen, wie schön, klug, lustig, wie FANTASTISCH sie in Wirklichkeit ist. Ungefähr so funktioniert auch die Geschichte dieses genialen Understatement-Kuchens…

Er stand kürzlich auf einem Geburtstagsbüffet von guten Freunden. Er machte nicht besonders viel her, dass er in hübsche Rautenmuster à la WASFÜRMICH-Kolumnistin Milena Krais geschnitten war, war schon das Auffälligste an ihm. Er war schlicht, ohne Guss, ohne Chichi, kein Beiwerk, nur ein runder, goldbrauner Kuchen. Er war unangetastet, alle stürzten sich lieber auf Erdbeeren und Sahnequark. Ich aber nahm mir ein kleines Stück mit auf meinen Dessert-Teller – und erlebte eine absolute Überraschung!

So unscheinbar dieser Zitronenkuchen auch aussehen mag – er ist göttlich: Saftig, zitronig, buttrig, alles auf einmal.

Ich war hingerissen, schon auf den ersten Bissen. Noch kauend kam ich in meine Tischrunde zurück, nuschelte undeutlich, aber überschwänglich “Ihr müscht unbedingt dieschen Kuchen probieren…” und drehte gleich wieder um, um nachzulegen.

Ich stapelte ein paar Rauten auf eine Platte und stellte sie schwungvoll meinen Freunden vor die Nase. Skeptische Blicke. “Der sah mir irgendwie so trocken aus”, meinte Claudis Mann André, wenig überzeugt. “Probier mal”, drängte ich. “Der ist köstlich!” Seufzend nahm er ein Stück – und riss nach dem ersten Happen erstaunt die Augen auf. “Der ist ja der Hammer”, sagte er ehrlich begeistert – und danach eine Weile nichts mehr, weil er schnell noch ein paar mehr Zitronenkuchen-Rauten essen musste.

Ich habe den Kuchen an diesem Abend insgeheim den Aschenputtel-Kuchen getauft. Unauffällig, aber dann doch der Star des Abends.

Dabei ist es eigentlich der typische Geburtstagskuchen ihrer Familie, erklärte unsere Freundin lachend: Steht auf jeder Familienfeier, ob Geburtstag, Taufe, Hochzeit – weil alle ihn lieben. Vor allem die, die ihn kennen. Wer mehr auf extrovertiertes Backwerk mit Schichten und Früchten und Sahneverzierungen steht, sieht vermutlich schnell über das vermeintlich unauffällige Gebäck hinweg. Ein grober Fehler!

Leider hat sich an dem Abend dann doch schnell rumgesprochen, dass der Zitronenkuchen keinesfalls in die Kategorie Mauerblümchen gehört. Als ich für unsere überzeugte Tischrunde den dritten Nachschlag holen wollte, lagen auf dem Teller nur noch ein paar unauffällige Krümel. Die natürlich auch noch fantastisch schmeckten…

Rezept für den leckersten Zitronenkuchen dieses Spätsommers. Und – psst – schmeckt auch ganzjährig!

Das braucht ihr für eine Springform (26 cm Durchmesser):

200 Gramm Butter

200 Gramm Zucker

4 Eier

200 Gramm Mehl (Weizen oder Dinkel)

1 gehäufter Teelöffel Backpulver

Abrieb von einer Bio-Zitrone

Für den Guss:

200 Gramm Puderzucker

Saft von drei großen Zitronen

Und so geht’s:

Die weiche Butter mit dem Zucker schaumig schlagen, dann nacheinander die Eier hinzufügen. Anschließend Mehl und Backpulver vermengen und über den Teig sieben. Am Schluss den Zitronenabrieb unterrühren.

Den Rührteig in eine gefettete Springform füllen und im vorgeheizten Backofen ca. 30 Minuten auf 180 Grad Ober- und Unterhitze backen. Währenddessen den Guss herstellen: Dazu den Puderzucker mit dem Saft der drei ausgepressten Zitronen vermengen und gut verrühren, bis sich alle Klümpchen aufgelöst haben.

Wenn der Kuchen fertig ist, aus dem Ofen nehmen, mehrfach mit einer Gabel einstechen und auf über den noch warmen Kuchen den Guss gießen, anschließend vollständig auskühlen lassen.

Zum Servieren aus der Springform lösen und rautenförmig aufschneiden. Dazu den Kuchen erst senkrecht in Streifen schneiden, dann im ca. 45-Grad-Winkel schräg von links nach unten (oder umgekehrt) schneiden.


Hier, hier und hier gibt’s noch mehr WASFÜRMICH-Lieblingskuchenrezepte. Habt ihr auch so einen vermeintlich unscheinbaren Knallerkuchen in petto?

Alles Liebe,

Katia