Manchmal würde ich schon gern wissen, was mich in der Zukunft so erwartet. Wer ich bin, nur fünf Jahre weiter. Bin ich zufrieden? Oder plagt mich eine ausgewachsene Midlife-Crisis? Haben mein Mann und ich unseren zweiten Frühling oder eher das verflixte 20. Jahr? Ich mag solche Gedankenspiele. Und noch viel mehr mag ich die Idee von FutureMe: Dort kann jeder seinem zukünftigen Ich eine Mail schreiben, die uns in einem, in drei, in fünf Jahren erreicht. Denn wir wissen vielleicht nicht, was uns dann erwartet. Aber wir können uns ein paar Ideen, Wünsche, Ratschläge mitgeben. Als Anker für unsere zukünftigen Gedanken. Als Zeitkapsel für unser späteres Ich…

Funktioniert natürlich auch hervorragend als Erinnerung für die Kinder zum 18. Geburtstag (“So süß warst du mit 7”) oder als wiederkehrende Silvester-Idee: Immer am 31. Dezember des einen Jahres schreibt man seine Wünsche und Träume für das zukünftige auf – und öffnet sie exakt ein Jahr später.

Aber weil gedanklich der nächste krasse Lebensabschnitt mit dem kommenden runden Geburtstag zusammenfällt, will ich heute einen Brief an mein 50-jähriges Ich schreiben.

Liebe Katia,

ich habe den Eindruck, je älter man wird, desto mehr erschließen sich einem plötzlich diese ganzen Sinnsprüche und Teebeutel-Wahrheiten: Ich meine, ernsthaft: “Wo ist nur die Zeit geblieben?!” Jetzt also 50. Ja, es ist ein wenig seltsam, diese Zahl zu sehen. Weil man sich, je älter man wird, immer jünger fühlt. Früher konnte man es gar nicht erwarten, endlich älter zu werden. Verrückt, wie sich die Dinge im Laufe des Lebens verkehren, oder?

Weißt du noch, dein 40. Geburtstag? Diese Zahl, plötzlich eine 4 vorweg – das hat dich damals ziemlich umgetrieben. Und vielleicht ist es jetzt gerade wieder so. Ich glaube aber, Zahlen verlieren im Laufe des Lebens an Bedeutung. Im letzten Jahrzehnt konnte ich manchmal nicht sagen, ob ich nun 46 oder 47 bin. Es ist auch nicht weiter wichtig. Wenn sie überhaupt interessant sind, dann vielleicht deswegen:

Je höher die Zahl unseres Lebensalters, desto mehr Freiheiten gewinnen wir zurück. Und das ist definitiv ein Grund zu feiern!

Ich meine: Dein Ältester ist jetzt 15, deine Mittlere 12 und der Jüngste neun – da musst du garantiert niemandem mehr den Hintern abwischen. Oder im Viertelstundentakt Brote schmieren und Snackteller befüllen. Du hast das Ehebett wieder für dich und deinen Lieblingsmann. Du brauchst keinen Babysitter mehr. Du könntest vermutlich jeden Abend ausgehen, wenn dir danach ist. Was das für ein Gewinn an Zeit, an Lebensqualität ist!

Nutzt du sie auch für die richtigen Dingen? Wenn du dir unsicher bist, kleiner Reminder: Du hattest dir mal vorgenommen, wieder mehr zu reisen. Auch mal ganz für dich allein. Schon gebucht…? Du wolltest einen Roadtrip durch die New England-Staaten machen. Du wolltest Nordlichter sehen und mit dem Wohnmobil durch Skandinavien fahren. Vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, all das konkreter anzugehen.

Und was ist mit den restlichen Träumen: Hast du schon mit deinem Roman angefangen?

Denn was ich bereits von hier aus sagen kann: Die Zeit hört nicht auf zu rennen, nur weil die Kinder älter werden, im Gegenteil. Das ist schon jetzt, also in der Vergangenheit spürbar. Insofern: Mach das, was dir unter den Nägeln brennt – und zwar bald.

Ich stelle mir vor, dass dieses Lebensjahrzehnt ein sehr kraftvolles ist, eines mit Energie und Freude und hoffentlich wenig Schicksalsschlägen. Eines, in dem man den Menschen, zu dem man über die Jahrzehnte geworden ist, feiert anstatt ihn dauernd optimieren zu wollen. In dem man ziemlich ungeniert einfach sein Ding macht – mehr oder minder frei von den Verpflichtungen einer Familie, von den Ansprüchen anderer, von eigenen überzogenen Erwartungen, die man endlich als solche enttarnt hat. Eine Lebensphase, in der man vor allem sich selbst verpflichtet ist.

Es fällt mir nicht leicht vorzustellen, wie sich dein/mein Leben jetzt anfühlt.

Aber ich merke beim Schreiben: Ich male es mir schön aus. Ich stelle mir viel Freude vor, Dankbarkeit, Stärke, Klarheit in der Sicht auf die Welt und die eignen Entscheidungen. Und vielleicht sind diese Gedanken von heute der beste Weichensteller, dass es so oder ähnlich wirklich kommt.

Herzlichen Glückwunsch, du Liebe. Das wird ein Fest! Apropos: Ich hoffe, du schmeißt eine riesige Party? Du wolltest doch eine Barkassenparty auf der Elbe, weißt du noch? Also, auf dich!

Was würdet ihr eurem zukünftigen Ich auf den Weg geben wollen?

Alles Liebe,

Katia