Was ich mit meinem Leben so anfangen wollte? Ich hatte keine Berufung und auch keinen Plan, als mein Alltag irgendwann erwachsen zu werden begann. Spaß im Job wollte ich haben und dabei gutes Geld zu verdienen fand ich ebenfalls nicht verkehrt. Eine Familie wünschte ich mir auch irgendwann. Ich hatte sehr vage Ideen und verschwommene Vorstellungen davon, wie sich mein Leben als Frau im Arbeits- und Alltagsleben so gestalten würde. Das Wort “Sinn” stand damals jedenfalls nicht auf meiner Bucket List…
Spaß hatte ich dann wirklich eine Menge in meiner ersten Anstellung als PR-Beraterin eines großen Tabakkonzerns. Aber leider auch verdammt viel Stress, ungesunde Arbeitszeiten und oft ein erschlagendes Gefühl von Überforderung. Mal abgesehen davon, dass es der Inhalt meines Jobs war, dem Rauchen ein positives Image zu verpassen. Aber damals trieb mich das ehrlicherweise nicht besonders um. Nach zwei Jahren schmiss ich dennoch hin.
Der danach war mein Traumjob.
Zumindest zunächst. Ich wurde Redakteurin bei einem großen Magazin, reiste für Reportagen um die Welt und war in einem Förderprogramm für Nachwuchskräfte mit Kurs auf die Chefposten. Ich war stolz wie Bolle – und schon nach drei, vier Jahren ziemlich ausgebrannt. Übervolle Arbeitstage, drängende Deadlines und inhaltlich ziemlich angeödet, fragte ich mich immer öfters: Ist es wirklich das, womit ich den Rest meines Arbeitslebens verbringen will? Und wie zur Hölle funktioniert so ein Job mit kleinen Kindern?!
Das Wort “Purpose” war damals noch nicht so präsent wie heute. Ein Begriff, der den übergeordneten Sinn und Zweck des eigenen Tuns beschreibt. Die eigene Anerkennung, dass wir mit unserer Arbeit etwas Gutes bewirken. Ich dachte eigentlich immer, es sollte reichen, seinen Talenten nachzugehen. Und schreiben, das konnte ich eben. War das nicht sinnhaft genug? War es ganz offenbar nicht.
Unser Arbeits-Ego braucht mehr als Geld, das wir mit unseren Fähigkeiten verdienen.
Mehr als nur den Erfolg, in unseren Talenten bestätigt zu werden. Es braucht eine Haltung, in der wir uns nicht verbiegen müssen. Einen Raum, in dem wir niemand anderes sein müssen als wir wirklich sind. Und eine Aufgabe, von der wir spüren, das sie nützlich ist – für uns oder für andere. Es braucht das Gefühl, dass wir wertgeschätzt werden für das, was wir tun. Und dass wir daraus eine Erfüllung ziehen, die einen Beruf im besten Fall dann doch zur Berufung macht.
Die heutige Gen Z ist erstaunlich gut darin, diese Dinge zu benennen. Im Job nach Sinn zu streben ist genauso relevant wie ein angemessenes Gehalt zu fordern. Aber ehrlicherweise war mir das in meinen Zwanzigern noch nicht so geläufig. Ich musste durch die komplette Worklife-Schule – und die war zuweilen hart.
Ich fühlte mich nicht besonders wertgeschätzt, als ich nach meiner ersten Schwangerschaft auf die 0815-Jobs ohne Führungsperspektive versetzt wurde.
Ich fühlte mich nicht am richtigen Ort, als ich in der Vorstellungsrunde einer Weiterbildung erzählte, dass ich dreifache Mutter wäre – und betretenes Schweigen erntete. Das käme nicht so gut an, steckte mir später eine andere Teilnehmerin: Im Business würde man als Frau mit kleinen Kindern nicht unbedingt für voll genommen. Weswegen sie lieber für sich behielt, dass sie eine Tochter hatte. (Mehrfach-)Mütter machen keine Karriere, war der unausgesprochene Konsens.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Immerhin machten meine Kinder einen Großteil meines Lebens, einen Großteil meiner Persönlichkeit aus – und das sollte ich lieber verstecken?! 20 Jahre, nachdem ich ins Arbeitsleben eingestiegen war, fragte ich mich das erste Mal ernsthaft: Wie könnte, wie müsste eine Arbeit gestaltet sein, dass sie meine Neigungungen, meine Lebensumstände und meine Persönlichkeit unterstützen könnte? Und wie definierte ich persönlich eigentlich Karriere?
Und dann fiel mir dieser Job vor die Füße.
Etwas, was ich im Leben vorher nicht für mich in Erwägung gezogen hatte: Zu bloggen – öffentlich über mich und meine Familie, über mein Leben als Frau, Partnerin und Mutter zu berichten. Aber plötzlich passte wie in einem lange unfertigen Puzzle alles zusammen: Mein Talent mit meinem Leben, meinen Leidenschaften und meiner Arbeit. Es machte Spaß, besser noch: Es erfüllte mich mehr als alles, was ich jemals unter Arbeit verbucht hatte.
Mein (Familien-)Leben für mich und für euch hier zu reflektieren, macht für mich so sehr Sinn wie kein Job zuvor. Weil ich mich nicht verstecken, verbiegen, verzetteln muss. Weil mir jeder Tag neue Inspiration für Geschichten liefert, die authentisch, relevant, wichtig sind. Für mich. Und bestenfalls auch für euch.
Weil ich hier Wertschätzung erfahre, unmittelbar, ungefiltert, echt. Weil ich mich gesehen fühle, in dem, wer ich bin, was ich kann und was mich ausmacht. Weil es hier kein Hindernis, dass ich Arbeit und Familie unter einen Hut bringen muss. Weil ich nicht gelangweilt, überfordert, fehl am Platz bin. Sondern genau da, wo ich gerade hingehöre.
Manchmal finde ich es schade, dass ich erst die 40 knacken musste, um mich auch in meinem Job zu finden.
Aber vielleicht kommt es nicht von ungefähr, dass wir uns in diesem Lebensabschnitt noch einmal neu sortieren. Dass wir uns gerade jetzt noch einmal fragen, was uns wichtig ist – im Leben, in der Liebe, im Job. Weil sich die Prioritäten ziremlich stark verschieben, wenn man Familie hat. Und noch einmal, wenn man familiär aus dem Gröbsten raus ist und wieder mehr Kraft und Kapazitäten dafür hat, was man selbst so braucht und will. Am Sinn kommt man dabei einfach nicht vorbei. Weil es eben nicht egal ist, was wir tun.
Und was erfüllt euch in eurem (Arbeits-)Leben mit Sinn?
PS: Hier habe ich ich schon einmal darüber geschrieben, warum man keine schnurgeraden Lebenswege braucht, um glücklich zu werden.
Foto: Louisa Schlepper
Alles Liebe,
Hmm, mein Widerspruchsgeist regt sich. Also, ich gönne es jedem und jeder von Herzen, ihren Traumjob und viel Sinn verbunden damit zu finden. Ich finde, man muss das jetzt aber nicht zu so einem Credo hochstilisieren. Weil es eben auch ein ziemliches Luxus-Ding ist, sich das “leisten” zu können. Das meine ich jetzt nicht nur in fianzieller Hinsicht. Es gehört schon ein gewisser Hintergrund dazu, so leben zu können, das können nicht alle, auch nicht viele.
Ein Job kann auch einfach nur ein Job sein. Also arbeiten, um zu leben, Weiss nicht, ob den ganzen Verkäuferinnen, Pflegenden, Fabrikarbeitern usw ihre Jobs immer so viel Spass machen und Sinn geben. Aber das ist auch okay, und es wäre bitter, wenn diese Jobs keine mehr machen würde.
Aslo, ich will damit wohl nur sagen, dass mensch sich nicht martern muss, wenn der Job einfach nur Geld bringt, das man zum Leben eben braucht, es nicht allen vergönnt ist, sich da so ausleben zu können, dass das aber auch nicht schlimm ist. Dass man auch in diesem Gebiet keiner Perfektion hinterherjagen muss, das Glück und der Sinn lässt sich ja auch in Freundschaften, hobbies, Familie finden.
Hallo Franzi, und vielen Dank, dass du hier mit uns deine Sichtweise zu dem Thema teilst. Ich glaube, jeder definiert für sich ganz individuell, was eine sinnvolle Tätigkeit ist. Oder ob Sinn ganz generell im jeweiligen Leben Platz hat und wenn ja, wobei. Manchmal geht es vielleicht einfach um eine Haltung und darum, dass die Umstände passen – beispielsweise eben mit der familiären Situation matchen. Und das gilt sicher nicht nur nur für Jobs, die du als priviligiert empfindest. Nur, um Missverständnissen vorzubeugen: Auch mein Job ein Broterwerb, ist Arbeit, für die ich bezahlt werde. Ist eine Arbeit, für die ich studiert und volontiert habe. Würde sich für dich die Frage nach dem “ausleben können” nach dem “sich das leisten können” auch stellen, wenn ich Redakteurin bei einem großen Zeitschriftenverlag wäre? Ich tue handwerklich nämlich nichts anderes als damals. Und auch wenn es nicht auf den ersten Blick so wirkt, aber tatsächlich ist auch Schreiben Arbeit und nicht einfach so nebenbei gemacht. Ja, es macht mir Spaß, und das finde ich wunderbar – und vor allem auch, dass ich gerade endlich dieser Vereinbarkeitsfalle entkommen bin, die in den meisten Jobs vorher wirklich haarig war.
Ich stimme dem Kommentar von Franzi voll zu. Ich bin promovierte Naturwissenschaftlerin und weit entfernt von führenden Positionen. Ich verdiene in meinem Job gutes Geld, aber es ist eben nur ein Job. Ich muss mich da nicht hinquälen, an den meisten Tagen ist es voll okay zur Arbeit zu gehen. Aber es ist halt auch nicht mehr. Ich erwarte da auch nicht mehr davon. Und selbst das ist wohl noch Luxus.
Hallo Ulli, und danke auch für deinen Beitrag. Ich habe bereits Franzi eben etwas ausführlicher dazu gewantwortet. Wie gesagt: Jeder hat eine eigene Haltung dazu, was er vom Leben, von einem Job erwartet. Und zwischendurch fand ich es auch völlig ok, “nur” einen Job zu machen, der mich nach Feierabend nicht weiter tangiert. Aber zu spüren, wie gut es sich anfühlt, wenn alles – Inhalt, Umstände, Vereinbarkeit – plötzlich zueinander passt, das ist ein Geschenk. Und ich würde mir dieses Gefühl für jeden wünschen, der dafür aufgeschlossen ist.
Ich habe mal gelesen, dass man den Dingen (oder eben auch dem Job) Sinn geben kann – als Beispiel fällt mir nur gerade etwas aus dem Haushalt ein: Ich kann mich über das täglich wiederkehrende Kochen/Putzen/Waschen ärgern – oder aber sagen:
Der tiefere Sinn für mich dahinter ist, dass ich meine Kinder gesund ernähre, ihnen mit Essen auch ein Heimatgefühl gebe, dass sie lernen, eine aufgeräumte, saubere Umgebung zu schätzen, usw. (Klar, sauber/gesund/usw ist es nicht immer, aber mit dieser Einstellung, mit diesem tieferen Sinn fallen mir die Sachen leichter zu erledigen, bzw tue ich sie auch mit mehr Freude daran)
Mein Job entspricht auch nicht meinen Vorstellungen, was Nachhaltigkeit angeht. Aber ich lerne persönlich und fachlich immer noch dazu. Dazuzulernen, sich weiterzuentwickeln ist für mich ein wichtiger Wert, durchaus “Sinn-voll”. Und mit den Kollegen ist es nett. Außerdem lässt sich der Job auch gut mit der Familie vereinbaren – für mich ebenfalls wertvoller, als meine Sehnsucht nach Kreativität dort auszuleben.
Hej Andrea, während ich gerade eure spannenden Kommentare zu dem Thema beantworte, kommt mir dauernd das Wort “Haltung” in den Sinn. Ich denke, es ist genau das, was du beschreibst. 🙂 Danke für dein Feedback!
Liebe Katia,
Ich habe deinen Beitrag sehr genossen und freue mich fuer dich, dass du endlich deinen Job gefunden hast, der dich in so vielen Aspekten erfuellt. Auch wenn ich verstehe, woher die Gedanken in der anderen Kommentaren herkommen, habe ich deine Worte nicht so verstanden. Fuer mich war es die Geschichte deiner Arbeitslaufbahn und dass du letztendlich da gelandet bist, was dich erfuellt. Was fuer mich herausstach, ist dass du das Bloggen als eine tolle Erfahrung und als etwas efuellendes darstellst. Ich kenne so viele Menschen, die Blogger stigamtisieren, und nur weil es ein ziemlich neues Medium ist, es nicht wertschaetzen koennen. Ich glaube das Wichtige in der ganzen Berufssache ist, dass wir schlicht und einfach dankbar sein muessen, wenn wir das Glueck haben Leidenschaft, Familie und Beruf vereinbaren zu duerfen, denn leider hat nicht jeder das Privileg. Und ich finde es toll, dass du diese Erfuellung gefunden hast und davon erzaehlst, weil es zeigt, dass soetwas in der Tat moeglich ist und nicht nur in Romanen oder Hollywoodfilmen.
Alles Liebe
Andrea
Hej Andrea, vielen lieben Dank, dass du dich an dieser regen Debatte beteiligst – und noch ganz neue Perspektiven einbringst. Und Danke auch für deine Empathie 🙂 Vielleicht ist es das, was du in deinen letzten Gedanken beschreibst: Es ist möglich, Erfüllung in einem Beruf zu finden. Selbst, wenn man gar nicht explizit danach gesucht hat. Das hier ist meine ganz individuelle Geschichte, die im besten Fall dem ein oder anderen einen Impuls, einen Gedanken mitgibt, der sich zu verfolgen lohnt.
Liebe Katja, vielen Dank für deinen schönen Beitrag! Ich empfinde es als besonderes Glück, dass mein Beruf den Kopf ausfüllt und zu 100 % sinnvoll ist. Bei einer ärztlichen Tätigkeit ist das natürlich auch kein Wunder. Zusätzlich erfüllt es eben mich Mit großer Freude, wenn es mir gelingt, dass meine Kinder gerne gesundes Essen zu sich nehmen. Daran habe ich lange sehr hart gearbeitet. Ich freue mich auch daran, wenn das Haus schön, gemütlich und einladend wirkt. Auch dafür setze ich gerne meine Kraft und Zeit ein. Viele liebe Grüße! Charlotte
Hej Charlotte, und vielen Dank für deinen Input 🙂 Das kann ich mir vorstellen, dass der Sinn in den medizinischen Berufen direkt impliziert ist. Und ja: Es gibt noch viel mehr im Leben, das einen erfüllen kann. Jeder definiert in seinem Leben eigene Bereiche, für die er seine Kraft und Energie einsetzt. 🙂