Als meine biologische Uhr tickte, sah ich überall nur Schwangere. Seitdem ich Mitte 40 bin, seh’ ich überall nur Falten. Die Phase beeinflusst die Perspektive, da scheint was dran zu sein. Nicht nur, dass mich im Spiegel dauernd mein alterndes Ich mit hängenden Lidern anblinzelt. Auch sonst scheint jeder Satz, den mittelalte Menschen über ihren Verfall von sich geben, gerade zwingend bei mir zu landen. Am meisten hängen geblieben ist gerade der aus Suse Kaloffs Sonntagskolumne: “Dieses Gesicht heute ist das jüngste, das du jemals haben wirst!“ Und irgendwie scheint er mir ein Gamechanger in Sachen entspannt altern…

Logisch: Die Linien und Dellen, die mir heute ein Graus sind, werden in einer nicht allzu fernen Zukunft zu einem jüngeren Ich, das ich vermutlich gern zurückhätte. Und weil daran kein Serum der Welt etwas ändern kann, will ich mich gerade einfach viel mehr über mich, mein Gesicht und meinen Körper freuen.

Besser als heute und hier wird’s mit unserem Äußeren vermutlich nie wieder.

Aus Linien werden Falten, aus Krähenfüßen Krater, das ist der Gang der Dinge. Wenn’s richtig rund läuft, kann man den Status Quo eine Weile halten, das war‘s dann aber auch. Und klar ist das alles eine fürchterlich oberflächliche Betrachtung. Weil wir so viel mehr sind als die Summe unserer Alterserscheinungen, die auch vor Hüftumfang und Winkearmen nicht Halt machen, egal, wie sehr wie uns beim Pilates auch quälen. Was uns alles nicht kratzen sollte, aber es dann eben doch mitunter tut.

Weil niemand mehr guckt – nur wir erstaunt in unser eigenes Spiegelbild. Weil niemand mehr pfeift, uns verschwörerisch zublinzelt oder sonst wie Notiz von uns nimmt. Weil wir ab Mitte 40 offenbar nur für den weiblichen Teil der Welt sichtbar bleiben. Was mich zu dem Schluss führt: Eigentlich können wir es doch jetzt so richtig krachen lassen. Ist das glatte Gesicht erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert.

Denn vielleicht ist es das, was uns entspannt altern lässt: Wir haben nichts mehr zu verlieren. Nur zu gewinnen.

Die Jugend ist perdu, die Familienplanung längst abgeschlossen und bei Tinder muss man auch nicht mehr mitmischen. Insofern wäre es viel schlauer, das Klagen und Kaschieren sein zu lassen und sich einfach für seinen Ich-Zustand zu feiern. Denn ganz ehrlich: Wer hat sich schon in seinen 20ern darüber Gedanken gemacht, ob man übermorgen nur noch halb so frisch aussieht wie heute? Was waren wir blauäugig.

Aus diesem Wissensvorsprung sollten wir etwas machen. Wir sind seitdem so viel schlauer, so viel bewusster und vor allem so viel resilienter in Sachen Schönheit und deren Vergänglichkeit geworden. Wir wissen, dass uns jeder einzelne Tag weiter weg bringt von dem, was wir mal als Ziel allen Seins und für immer erstrebenswert hielten: Die Jugend. Hat sich einfach von allein erledigt. Wie die Unbeschwertheit, die Fruchtbarkeit, die Unsterblichkeit. Aber, hej, so jung wie heute sind wir eben nie wieder.

Und bevor es jetzt einen großen Aufschrei gibt: Natürlich hat auch das Alter seine eigene Schönheit.

Sind auch Falten attraktiv und Lebenserfahrung sexy. Vielleicht sind es gerade die vertrackten 40er, die einem den Übergang zwischen gerade-eben-war-ich-noch-ein-Hingucker hin zu huch-plötzlich-bin-ich-quasi-unsichtbar ein wenig schwer machen. Ich habe den Eindruck, zwischen 40 und 50 kommt für Frauen vieles ziemlich überrumpelnd – die Menopause, die Stirnfurchen, die Schlafstörungen – und der Scheinwerfer, der sich plötzlich nur noch auf Jüngere richtet. Vielleicht nicht soo überraschend, dass man da erst mal unentspannt ist, bevor man sich dann entspannt zurücklehnen kann.

Auch wenn uns Ü-40-Frauen die Welt aus den Augen verliert – wir selbst sollten uns gerade jetzt sehen, und zwar mit freundlichem Blick. Gegen den unbarmherzig kritischen können wir nur verlieren (und haben es auch schon getan als wir deutlich frischer waren). Ich versuch mir gerade häufiger vorzustellen, wie ich in fünf, in zehn Jahren auf mich heute zurückblicken werde. Ganz bestimmt eher mit “Hach” als mit “Ach”. Und mit der Ahnung kann ich mich gerade viel milder im Spiegel betrachten (ausgenommen natürlich die in der H&M-Umkleide, in denen ich mich bis heute frage, warum es nicht möglich ist, dort ein schmeichelhafteres Licht zu installieren).

Wie geht es euch mit dem Altern?

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Alles Liebe,

Katia