Ich war aus. Nicht mit dem Mann, zumindest nicht mit dem Großen. Mit dem müsste ich auch mal wieder. Aber dieses Mal nicht, dieses Mal ist Girls-Night…
Mädelsabend, Ausgehen mit Baby,
Dann hat er gekotzt. Ohne Vorwarnung. Auf mein mühsam ausgewähltes Mädels-Abend-Ausgeh-Kleid. Ich saß auf dem Boden, starrte auf die bunten Stückchen und den schwarzen Saum und mein schwarzes Strumpfhosenknie. Auf das vor allem. Der Anblick war so ungewohnt. Das Strumpfosenknie meine ich. Ein bisschen wie ein Holzbein, nach den ganzen Wochen Lodderhose.

In meinem Kopf Karussel. Gedanken sausen. Immer im Kreis herum. Schon den ganzen Tag. Und den davor. 57. Mal überlegt: Ich kann nicht ausgehen. Kann ich doch nicht machen. Muss doch nicht sein. Und davor 56. Mal: Ich gehe. Punkt. Muss jawohl sein. Geht auch. Is doch alles gar kein großes Ding.

Der erste Mädelsabend nach dem dritten Kind. Ewig geplant mit der guten Freundin. Hat sich gut angefühlt, die ganzen Wochen vorher dran zu denken, zwischen Kindergesauge und Kindergeschrei und Kinderkacke. Und der Wäsche für die Kinder. Natürlich hab ich viel überlegt, wie ich das mache. Der Mann hat Weihnachtsfeier an dem Abend, fällt als Babysitter aus. Also Oma. Abpumpen mach ich nicht mehr, nachdem die Stillerei am Anfang so schwierig war und ich stundenlang an der Pumpe saß und die Pumpe verflucht habe, kommt es mir jetzt dämlich vor, es freiwillig zu machen. Stattdessen: Baby kommt mit. Ist doch kein Ding.

„Kriegst du das hin?“, fragt die Freundin. „Klar sag ich.“ „Wie du das machst!“, sagt die Freundin.

Am Mädelsabendmorgen hänge ich mein schwarzes Kleid raus und ein wenig Lässigkeit. Ich glaub, ich hab rote Wangen oder so, auf jeden Fall fragen sie alle im Kindergarten, was wir vor haben am Abend. Ich lächle und sage: „Nicht wir. Ich. Ich geh aus. Mädelsabend.“ „Echt?“, sagen sie. Und: „Und er?“ „Der hat Weihnachtsfeier!“, sage ich. „Ach quatsch, das Baby!“, sagen sie. „Der kommt mit!“, sage ich. „Wie du das machst“, sagen sie. Wie mach ich das eigentlich, denke ich.

Wieder zu hause will ich stillen. Ich denke, wenn ich bloß den ganzen Tag stille, muss ich es bestimmt abends nicht. Aber das Kind schläft. Sonst nie morgens, heute schon. Ich mache Wäsche, nur mal eben, schaffe schließlich drei Körbe voll, das Kind schläft. Das schwarze Kleid sieht gut aus, wie es dort am Schrank hängt und auf mich wartet. Ich freu mich. Ich stelle noch den Nagellack raus, Nagellack, das wär doch mal wieder was. Am besten mache ich es gleich, halt, nur mal eben noch schnell die Geschirrspülmaschine… Das Kind wird wach. Trinkt kurz. Schläft wieder. Sonst nie um diese Zeit, heute schon. Ich vergesse den Nagellack, ich sauge die Erde aus dem Flur. Dann hole ich die Kinder ab. Die Erde ist wieder da.

Ich freu mich auf den Abend und das Essen wie auf ein Festmahl dabei gehen wir bloß in einen dieser neuen Burgerläden, die gerade überall in Hamburg aufmachen. Ich freu mich, ich spiele sogar mit den Kindern dieses blöde Rumpelritterspiel zu dem ich sonst nie Lust habe. Ich gucke auf das schlafende Kind, dass zu dieser Zeit immer schläft, heute auch, kriege ein wenig Angst und freu mich trotzdem. Ich mach das schon.

Das Telefon klingelt. Die Freundin sagt ab. Gegen Kinderdurchfall hilft keine lange Planung. Kinderdurchfall geht vor. Ich denke: schade. Ich gucke auf das schlafende Baby, ich denke: vielleicht besser so. Dann greife ich zum Hörer und frage eine andere Freundin, ob sie einspringen mag. Die, die ihr Kind noch im Bauch liegen hat, nicht im Baby Bay. Ich freu mich.

Als ich mich fertig mache, ist mein Baby wach. Der Mann ist schon los zur Weihnachtsfeier. Ich dusche, es schreit. Ich föhne, es schreit. Ich gucke auf die Uhr, es schreit. In der Brust kribbelt es. Die beiden Jungs bauen Türme aus Kaufmannsladenobst neben meinen Füßen. Sie streiten um die Banane. Sie schreien. Das Baby schreit. Ich bin müde denke ich. Schrecklich müde. „Das Baby schreit!“, schreit der Große. Ich lege das Baby links an, rechts tusche ich mir die Wimpern. Versuche es. Verschmierte Tusche an Augenring. Dann eben ein wenig mehr Lippenstift. Mein Haar sitzt nicht. Vielleicht ist es beleidigt, überlege ich, weil ich es wochenlang ignoriert hab. Schließlich merke ich, dass das schwarze Kleid dem Schrank viel besser stand. Der Schrank hat keinen Restspeck im Hüftbereich. „Scheiße“, sage ich. Das Baby schreit noch immer, die beiden anderen auch, ich glaube, einer hat eine Banane an den Kopf gekriegt. „Scheiße darf man nicht sagen“, sagt der Große. Scheiße, ich bin schon viel zu spät, denke ich. Und dann kotzt der Mittlere.

„Ich bleib dann wohl besser hier“, sage ich zu Oma, die gerade kommt. Und dann nochmal, vielleicht um mich selbst zu überzeugen: „Klar bleib ich hier.“ „Ach was“, sagt sie und holt Handtücher. Ich hatte mich doch so gefreut. Und was soll ich bloß der Freundin sagen, denke ich. Erst einspringen müssen, dann warten müssen, dann sitzen gelassen werden müssen. Oma legt das Bett mit Handtüchern aus. „Ich geh absagen“, sage ich. „Du gehst dahin!“, sagt sie.

PS. Wir hatten einen schönen Abend. Wirklich. Es war seltsam, in diesen Laden zu marschieren mit Baby. Die neuen Burgerläden sind ziemlich schick, das weiß ich jetzt, die Gäste auch. Ich habe mich ziemlich alt gefühlt, ziemlich uncool und außerdem glänzte der schwarze Stoff im Burgerladenlicht nur noch halb so schön und irgendwie ein wenig provinziell. Ich musste den Burger mit links essen, weil ich das Baby die ganze Zeit an der Brust hatte, klar. Die Leute guckten, auch klar, weil natürlich niemand dort etwas anderes an der Brust hatte als ein hübsches Dekolleté. Als die Bedienung die Getränke brachte, grabschte ich schnell meine Stilleinlage aus dem Weg. Nagellacklos. Mir war unglaublich heiß, weil mir immer heiß ist, wenn ich stille und weil ich mich in den riesigen Wollschal meiner Freundin eingewickelt hatte, weil mein Kleid nicht nur falsch glänzte und falsch saß, sondern auch noch den absolut falschen Ausschnitt zum Stillen hatte. Daran hatte ich bei all der Planerei kein bisschen gedacht. Wir hatten hinterher überall Burgersoße – der Schal, das Baby und ich. Ich hatte so viel erzählt wie schon lange nicht mehr. Ganze Sätze zu Ende erzählt. Und Sätze zu Ende gehört. Plötzlich war es zwei. Wie schnell die Zeit vergeht wenn keiner schreit.

PPS. Das Kind hat nur noch noch einmal gekotzt. Ehrlich. Behauptet Oma.

PPPS. Es wird besser, kann ich sagen. Wie immer mit Kind. Ausgehen ist anstrengend, manchmal wahnsinnig. Aber es geht. Ich bin kein Profi, nie, Kind ist ja auch kein Leistungssport. Aber erst jetzt Samstag war ich wieder weg. Wieder Mädelsabend, dieses Mal bei einer Freundin zuhause. Noch besser. Ich hatte sie ewig nicht gesehen. Ich war mal wieder zu spät, hatte im Auto lange überlegt, ob ich beleidigt war, weil die Kinder dieses Mal kein bisschen geschrien hatten. Hatten nicht mal richtig Tschüss gesagt, sondern auf den Fernseher gestarrt, Die Kinder von Bullerbü. „Du weißt auch nicht, was du willst, hatte der Mann gestöhnt. Ich kannte die meisten anderen Mädels nicht und ich hatte wieder den falschen Ausschnitt an – aber dieses Mal nicht, weil ich nicht dran gedacht hatte, sondern weil ich das Kleid unbedingt anziehen wollte. Wir waren also acht Mädels am Tisch, ein Berg Auberginenauflauf und ein Baby. Ich saß da, Saum hoch bis zum Kinn, Baby an Brust und Restbauch, aß mal wieder mit links, kleckerte in einer Tour und unterhielt mich so gut wie schon lange nicht mehr. „Wie du das machst!“, sagte die eine. „Ich machs einfach“, sagte ich.

Eine schöne Woche euch,

Claudi