Wenn man mich fragt, was ich mir am meisten wünsche, sage ich immer “Zeit”. Zeit für mich, all das zu tun, wozu ich im wuseligen Familienalltag eben nicht komme: In Cafés rumhängen, in der Hängematte liegen, Löcher in die Luft starren, ein Buch schreiben. Nur: Als ich kürzlich völlig unverhofft vier Stunden Zeit geschenkt bekam, war ich völlig überfordert…
Eigentlich wollte ich mit dem Mann einen Wellness-Vormittag machen – es war unser dritter Anlauf in zwei Monaten. Der leider abermals spontan von einer wichtigen Job-Deadline pulverisiert wurde – und so stand ich da plötzlich mit mir und überraschend viel Zeit. Ich hätte alles tun können. Oder nichts. Ich hätte direkt loslegen können. Bloß mit WAS…?
So verrückt es klingt: Diese unverhofft freie Zeit hat mich total gestresst.
Weil ich eine Million Möglichkeiten gehabt hätte – und überhaupt nicht wusste, was genau ich eigentlich wollte. Weil: Eigentlich wollte ich ja mit dem Mann in die Sauna. Also allein in die Sauna? Irgendwie nicht. Aber finde mal an einem Dienstagvormittag eine Freundin, die bereit ist, spontan alle Pläne für ein Wellness-Date umzuschmeißen. Okay, dann eben bummeln. Gleiches Dilemma: Macht um die Uhrzeit auch niemand ungeplant mit. Und mir war nicht nach allein, mir war nach gesellig.
Tja, und zack! war die erste halbe Stunde meiner freien Zeit schon um und mir brach der kalte Schweiß aus, weil: Ich wollte diesen Vormittag nicht vermasseln, der so besonders werden könnte. Der doch der beste Vormittag seit langem werden konnte, wenn ich nur etwas daraus machte. Ich rief sogar noch bei meiner Masseurin mit den magic hands an, ob sie eventuell direkt einen Termin für mich hätte…? Hatte sie natürlich nicht. Und ich noch eine Viertelstunde weniger…
Ich wollte so unbedingt etwas Besonderes mit meiner Zeit anfangen, dass ich immer verzweifelter wurde, immer hektischer – dabei hätte ich doch entspannt sein sollen.
Ich versuchte mich zu sortieren. Ich wusste nur: Ich wollte auf gar keinen Fall zu Hause bleiben. Weil ich zu Hause doch nur wieder das tun würde, was ich sonst in Schreibtischpausen so mache. Aber ich wusste auch, dass ich es mir nicht verzeihen würde, wenn ich die freie Zeit mit Wäsche und Co. verbringen würde.
Also ging ich erstmal laufen – und zwar nicht meine übliche Runde, sondern ins nahe Wäldchen, was ich sonst nur am Wochenende tue, wenn ich mehr Zeit habe. Und da kriegte der Vormittag dann doch noch die Kurve: Während ich durch das knallige Frühlingsgrün joggte, kreuz und quer auf kleinen Trampelpfaden, kam ich allmählich wieder zu mir. Schüttelte den selbst gemachten Stress ab, weil mir klar wurde, dass es keinen BÄM-Plan braucht, um ein paar schöne Stunden zu verbringen. Sondern nur erste Schritte in eine Richtung, die ich im Alltag sonst nicht unbedingt einschlagen würde. Und genügend Zeit, das überhaupt zu realisieren…
Denn ich kenne dieses verlorene Gefühl auch, wenn ich ein paar Tage ohne meine Familie bin.
Erst kann ich es wochenlang kaum erwarten, dass endlich die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt und ich ganz für mich bin. Und wenn dann der ganze lärmende Haufen das Haus verlassen hat, fühle ich mich plötzlich wie Falschgeld, unvollständig, unfähig, irgendwas Richtiges anzufangen oder zu genießen. Meist schnappe ich mir dann ein Buch und tauche erstmal ein paar Stunden ab, mache Sport, ein Freundinnen-Date. Eigentlich dauert es immer 24 Stunden, bis ich in meiner neuen Realität richtig angekommen bin – und sie wirklich feiern kann.
Die Zeitspanne hatte ich an besagtem Vormittag leider nicht. Aber mein lichter Moment beim Laufen hat enorm geholfen. Und so bin ich am Ende doch zu Hause geblieben. Habe meine Gartenkluft angezogen und bei Sonnenschein in den Beeten rumgewühlt. Habe dabei die Zeit vergessen, den unerbittlichen Timer, der die kostbaren Stunden runterzählte – und war ganz im Moment. Zwischendurch kam sogar spontan eine Freundin vorbei, mit der ich einen Terrasse-Tee getrunken habe. Und am Ende war ich ganz versöhnt mit diesen unspektakulär verbrachten freien Stunden.
Vermutlich steht dieser spezielle Freizeit-Stress ziemlich plakativ dafür, dass ich im Alltag nicht genügend Freiraum habe.
Dass ich zu viele Wünsche und Sehnsüchte aufspare – und wenn ich dann die Möglichkeit habe, gar nicht weiß, wohin zuerst mit mir und meinen Impulsen. Da will, da muss ich jetzt ansetzen. Zumal ich glaube, dass es kein singulärer Spleen von mir – sondern eher ein universelles Frauen- und Mütter-Ding ist. Dabei habe ich eigentlich den Eindruck, ich achte gut auf mich. Offenbar ist da aber noch ziemlich viel Luft nach oben.
Kennt ihr dieses Dilemma auch…?
Alles Liebe,
Liebe Katia,
Oh, wie gut ich das kenne, leider.
Ich bedauere das total, hab aber noch nicht so richtig eine Lösung gefunden. Auf sich achten, sich genügend Freiräume gönnen, ja klar, müsste man , sollte man.
Aber was, wenn es eben schlicht nicht möglich ist, weil immer wieder Schicksalsschläge oder Krankheiten dazwischen grätschen. Was wenn man tatsächlich keine Wahl hat?
Da bleibt nunmal nichts als Durchstehen, auf bessere Zeiten hoffen und darauf vertrauen, dass man es zu gegebener Zeit dann- eines Tages -einfach wieder lernen wird freie Zeit zu genießen.
Ich bin da so aus dem Tritt, dass ich meistens zwei oder drei Stunden(!🙈)brauche um mit einem freien Zeitfenster klarzukommen. Kaum habe ich es dann “geschafft”, klingelt es auch schon wieder Sturm und alle sind wieder da und brauchen ganz dringend x, y oder z von mir;-)
Am ehesten hilft bei mir dann auch einfach raus in die Natur und “einfach” zu akzeptieren, dass man diese Zeit jetzt nicht auf Knopfdruck mit etwas Weltbewegendem füllen kann. Es sind die kleinen Dinge im Leben, wie eigentlich immer. Die Tasse Tee in der Sonne, den Blütenteppich auf der Wiese betrachten, dem Abenlied der Amsel ein wenig zuhören.
Es ist zwar nicht schön, dass es dir auch so geht, aber es ist schön, damit nicht alleine zu sein.
Liebe Grüße
Susanne
Hej liebe Susanne, das klingt nach anstrengenden Zeiten bei dir – dafür wünsche ich dir viel Kraft! Ja, die Erwartungen an freie Stunden runterschrauben hilft bestimmt. Sich ganz bewusst für etwas unspektakulär Schönes entscheiden, das einem zu guten Gefühlen verhilft. Und ja: ich glaube, dieses Gefühl kennen viele von uns 🙂 Alles Liebe und Gute, Katia
Oh ja, da schließe ich mich an… ich warte sozusagen seit Jahren darauf, dass ich wieder mal Zeit für mich habe. Wobei ich ganz extrem danach lechze, einfach mal alleine zuhause zu sein, Keiner da, keiner, dem es schlecht geht der Pflege oder Umsorgen benötigt. Und danach kommen dann die ganzen Aktivitäten, die auf der Strecke bleiben.
Ich wüsste, was ich brauche, aber wie schaffen. Müsste, sollte, … tolle gute Ratschläge aus anderen Lebenswirklichkeiten.
Und ganz sicher, wenn es dann soweit ist, wird zu Beginn ähnlich erstmal die Überforderung stehen, wie die Zeit am besten zu nutzen sei.
Liebe Grüße
Hej liebe Annie, das haus für sich zu haben ist das Highlight schlechthin!! Kommt leider viel zu selten vor. Für dieses Jahr im Sommer plane ich aber wieder ein paar Tage nur für mich ein – zum freie-Zeit-üben 😉 Alles Liebe, Katia
Hallo Katia,
ich bin seit etwa einem halben Jahr alleinerziehend und die Gefühle, die du beschreibst kenne ich aus den ersten Kind-freien-Wochenenden. So viel Zeit zu haben, war ich gar nicht gewohnt und ich war völlig überfordert. Glücklicherweise habe ich diesen Jetzt-muss-es-aber-besonders-wundervoll-werden-Druck ziehen lassen. Ich muss nicht auch noch in meiner freien Zeit performen, sondern höre einfach darauf, was ich brauche. Und wenn das bloß Stunden lang lesen ist oder in Ruhe die Wohnung putzen, dann ist das so. Aber mittlerweile habe ich herausgefunden, welche Mischung ich brauche, damit es mir gut geht.
Liebe Grüße,
Hanna
Hej liebe Hanna, das kann ich mir richtig gut vorstellen! Ich habe das vor allem, wenn ich mal ein paar Tage familienfrei habe (was ehrlicherweise relativ selten vorkommt 😉 Aber ich versuche dann auch, auf Altbewährtes zurückzugreifen, was mir eigentlich immer gut tut – lesen, Sport, eine Freundin treffen. Aber ist jedes mal wieder ein seltsames Gefühl. Alles Liebe, Katia
Oh, liebe Katia, du schreibst mir aus der Seele. Ich habe immer so viele Ideen im Kopf, wie ich Zeit allein gerne nutzen würde, wenn ich diese Zeit nicht habe. Und wenn ich dann mal ein paar Stunden für mich habe, verfalle ich in Optionsparalyse. Dann weiß ich gar nicht, welches von all den Projekten und Unternehmungen, die ich mir für die freie Zeit vorgenommen habe, ich nun zuerst umsetzen will. Und dann steh ich wie das Kaninchen vor der Schlange und die wertvolle Zeit für mich rinnt mir durch die Finger… Alles Liebe Michaela
Hej liebe Michaela, LIEBE dein Wort Optionsparalyse, das kommt direkt auf die Lister neuer Lieblingswörter! 🙂 Trifft es exakt! Ich habe mir schon mal überlegt, ob ich mir für den Fall eine Liste zulege, auf der ich die freie-Zeit-Optionen skizziere. Eine Art Me-Time-to-do-Liste. Alles Liebe, Katia
Liebe Katia,
Ich hab mich einmal ausgeschlossen als ich das erste Mal Zeit für mich hatte ohne meine damals 1, 1/2 jährigen Zwillinge, das 2. Mal war ich mit meinem Mann essen und neben uns setzte sich just eine Familie mit Kleinkind, welches sich total daneben benahm 😅. Da bin ich innerlich ausgerastet und habe den Laden verlassen. Heute kann ich gut über mich selber lachen, Momente alleine sind häufiger geworden und gehören zum Alltag. Ich tendiere mittlerweile auch gerne zum raus in die Natur Programm und nem Terrassen Kaffee mit netter Freundin/Nachbarin ist natürlich auch genau richtig. Ich liebe es auch einfach mal in Ruhe nichts zu machen. Essen, Serie schauen…jetzt im Sommer: Raus in den Garten, Töpfe bepflanzen, auf die liege mit Buch und Kaffee. Es gibt nichts schöneres.
Lg, Mathilda
Hej liebe Mathilda, musste gerade sehr über deine Anekdoten lachen! Fühle ich sehr, den Frust, der einfach illustriert, was einem fehlt. Wie schön, dass es entspannter wird, das merke ich hier auch, je älter und selbständiger die Kids werden. Ganz generell ist Natur und Garten für mich und und mein Wohlbefinden immer eine gute Idee, merke ich auch gerade jetzt, wo ich den Winter abstreife und in den Beeten hocke. Tut so gut! Alles Liebe, genieß den Frühling, Katia