Paare feiern Mottohochzeiten, Schwangere fordern WLAN im Kreißsaal, Eltern verschicken Save-the-Date-Karten zum ersten Schultag ihrer Kinder. Und Zweijährige bekommen zum Geburtstag aufwändige Einhornkuchen. Familien lieben, heiraten, erziehen, reisen, feiern und wohnen heute anders als vor 40 Jahren – und sind dabei furchtbar gestresst…

Das trifft vor allem auf die Mütter zu, denn sie sind die Trägerinnen des sozialen Wandels. Der (mediale) Mütterdiskurs vermittelt ihnen, dass sie einen schönen Körper, eine erfüllte Beziehung, eine tolle Karriere, kluge Kinder und eine abwechslungsreiche Freizeit haben können – und müssen.

Die Realität sieht freilich anders aus und kostet viel Kraft.

Mütter wünschen sich deshalb Aufmerksamkeit und Wertschätzung für ihr tägliches Multitasking. Um diese Aufmerksamkeit zu bekommen, nutzen sie – in der Regel unbewusst – die Strategien moderner Massenmedien. Sie inszenieren sich und ihr Familienleben auf Instagram, Facebook und WhatsApp und tun so, als wäre ihr durchgetakteter Alltag ein einziger vergnüglicher Liebesreigen.

Das Gegenteil ist der Fall: Die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit setzt die Mütter unter Druck, das ständige Vergleichen steigert ihre Unzufriedenheit und lenkt sie vom Wesentlichen ab: dem gemeinsamen ziellosen Zusammensein, das Familie zum letzten verbliebenen Rückzugsort in dieser hektischen Welt macht.

„Genauso ist es!“ , habe ich von vielen Frauen gehört, als ich ihnen von meiner Dissertation „Das Aufmerksamkeitsregime – Wenn Liebe Zuschauer braucht“ erzählte. Aus diesem Interesse ist mein Buch „Happy Family –  Warum die Sucht nach Aufmerksamkeit Familien unter Druck setzt und wie wir uns davon befreien können“ entstanden.

Vielleicht öffnet mein Buch die Augen.

Vielleicht ermöglicht es Müttern, sich abzugrenzen, um ein stressfreieres, gelasseneres, bewussteres – also weniger medialisiertes – Leben zu führen. Denn das ist die zentrale Botschaft: Die Medialisierung der Familie setzt Mütter, Väter und Kinder unter Stress.

»Ordinary is the enemy.« 

Must be a frightened way to live.« 

The Last Tycoon

Der Wortwechsel stammt aus der Serie The Last Tycoon, die die Welt der Hollywood-Studios in den 1930er Jahren beschreibt. Natürlich durfte und darf in Filmen nichts gewöhnlich sein, sonst geht ja niemand ins Kino. Heutzutage darf aber auch im realen Leben nichts mehr gewöhnlich sein. Und ja, das kann einen schon das Fürchten lehren. Denn es lenkt uns ab von den wesentlichen Dingen im Leben, degradiert uns zu Showmastern. Wir leben im Außen, statt uns auf das zu konzentrieren, was uns selbst wichtig ist.

Deshalb dreht sich die Aufmerksamkeitsspirale immer weiter und lässt Scheinwelten entstehen, die mit unserem wahren Leben nichts zu tun haben. Nicht nur auf Facebook oder Instagram inszenieren sich Menschen als Kunstfiguren, sondern auch im Alltag. Wir müssen einen Kontrapunkt setzen, sonst geht es uns bald wie den Japanern. Dort engagieren Brautpaare mittlerweile Schauspieler, die auf der Hochzeit ihre Eltern mimen sollen, weil sie die leiblichen Mütter und Väter für wenig vorzeigbar halten. Kein Witz.

Wider das Aufmerksamkeitsregime! Geht es nicht auch anders?

Ich glaube nicht, dass die Familie ein Auslaufmodell ist, ich sehe nicht überall nur Krisen und Probleme – wir können auf vieles sehr stolz sein. Dass Frauen heute entscheiden können, welchen Beruf sie ergreifen, ob und wann sie heiraten oder Kinder haben wollen, ist ein großer Gewinn und in vielen Teilen der Welt keineswegs selbstverständlich. Ebenso wie der gestiegene Wert von Kindern, die nicht mehr geboren werden, um ihren Eltern die Rente zu sichern, sondern um geliebt zu werden. Die vielen Möglichkeiten, uns auszuleben, Spaß zu haben, unserem Leben Sinn zu verleihen, sind herrlich.

Deshalb ist es berechtigt zu fragen, was daran verwerflich sein soll, wenn die Nachbarin Bilder aus ihrem Wellnessurlaub postet, Hochzeiten und Kindergeburtstage Mottos haben, Kindergärten und Schulen viele Feste feiern und Küchen nur noch benutzt werden, wenn Freunde kommen. Meine Antwort darauf ist: Es macht uns unglücklich. Wir geben grundlegende familiäre Werte auf – Privatheit, Intimität, die Freude am einfachen Zusammensein – und tauschen sie gegen Praktiken ein, die mit Familie überhaupt nichts zu tun haben, sondern den Funktionsprinzipien von Wirtschaft und Medien folgen.

Immer noch mehr Klicks, immer noch mehr Likes, immer noch mehr Neues und Aufregendes. Das Ende der Fahnenstange wird nie erreicht sein, der Markt ist immer hungrig. Aber zu Hause können wir offline gehen. Familie braucht keine Zuschauer. Das macht sie so wertvoll und einzigartig.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem wirklich spannenden Buch „Happy Family –  Warum die Sucht nach Aufmerksamkeit Familien unter Druck setzt und wie wir uns davon befreien können“ von Doktor Bianca Kellner-Zotz, erschienen bei Goldmann. 

Wir dürfen drei Exemplare des Buches verlosen. Hinterlasst also gern bis zum 29.März  einen Kommentar, wir ziehen dann drei Gewinner.

Fotos: Verlag Goldmann

Bianca