“Guck ihn dir an!”, sagt Andre und ich gucke. Und dann leckt er Joghurtreste von den eingeräumten Löffeln im Geschirrspüler, wirft Pixibücher die Treppe herunter, eins nach dem anderen durch das Absperrgitter, grinsend. Manchmal guckt er einfach, wenn ich gucke; seinen Brüdern zu, der Ameise auf dem Kopfsteinpflaster oder meiner Haarsträhne im Wind. Alles ist ein Abenteuer. Er ist unsers.
Es ist jeden Tag überraschend und doch auf eine warme Art vertraut. Ein bisschen wie damals beim Mathetest, wenn ich ausnahmsweise wusste, was ich tun musste. Er ist unser viertes Kind – und wir genießen anders. Wir wischen nicht sofort hinterher – weder den Boden noch seinen Mund, wir schieben weniger Panik, wir wickeln weniger Windeln, wir reden nicht mehr so viel übers müde sein – wir sind es einfach manchmal. Wir reden sowieso weniger, wir guckgenießen viel.
Meine Melancholie darüber, dass die Kinder groß werden kommt in Schüben, wie Ebbe und Flut. Bei Nummer drei war meine Melancholie wie die Nordsee, irre intensiv, sie zog sich zwar mal müde und erschöpft zurück, spülte dann aber umso kräftiger an Land, todtraurig, dass dieses Kind größer wurde. Ich wollte manchmal nicht schlafen gehen, weil er am Tag drauf schon wieder älter sein würde. Dieses Mal ist meine Melancholie die Ostsee, meist liegt sie friedlich da, mal kommt ein wenig Traurigsein angeplätschert, aber nicht so sehr. Ich freue mich über dieses Kind, ob es nun mini, klein, größer oder ganz groß ist. Ich freue mich jeden Tag, nachts an ihn gekuschelt einzuschlafen und schon abends darauf, dass er morgens wieder wach wird und lacht.
Manchmal frage ich mich, ob ich noch mehr mit ihm hätte spielen, machen, kuscheln sollen in diesem Jahr (obwohl mehr kuscheln fast nicht geht). Aber dann atme ich den Gedanken weg, denke, dass ich dieses erste Jahr nicht hinterfragen mag, sondern wie in Aspik konservieren. Bloß nicht darin herumstochern.
Klar denke ich manchmal, dass dieses Jahr schrecklich schnell vergangen ist, aber dann scrolle ich meine Fotos im Handy und meine Filme durch und denke, nein, das ist es nicht, es war lang und rappelvoll und wir haben irre viel erlebt. Und dann bin ich diesem Handy wirklich dankbar, dass es mich piekst und dran erinnert.
Ich mache nicht viel mit ihm, die Male, die ich mit ihm zum Spielen auf dem Boden saß – Duplostein auf Duplostein – kann ich an einer Hand abzählen. Und doch mache ich alles mit ihm: Texte tippen auf dem Sofa, wischen (seine Hände im Dreckwasser), Brote schmieren (er zu meinen Füßen, die Tupperdosenschublade ausräumend), kochen (auf der Küchenplatte sitzend). Er ist wie eine Melodie im Hintergrund, die mir gute Laune macht. Nur manchmal nervt sie, wenn ich ein paar Dinge einfach tun will. Wie ein Ohrwurm, den ich nicht loswerde.
Er schläft, wenn er eben schläft, vormittags neben mir auf dem Sofa (ich tippe dann schnell Texte wie im Vorspulmodus), mal ihm Auto, wenn ich die Großen einsammle, mal auf meinem Arm, während ich den Großen beim Tennis zugucke.
Er isst immer noch am liebsten Gläschen – von unserem Essen immer nur ein paar Löffel zum Probieren, aber er mag neuerdings kleine Würfel Butterbrot. Manchmal mopst er den Großen ein Gummibärchen, wenn sie am Wochenende auf dem Sofa einen Film schauen, und mehr zum Film schauen als in die Süßigkeitenschale. Den Gummibären finde ich meist später, als klebrig gelutschte Kugel auf dem Boden.
Ich bin so froh, dass er schon ein paar Mal einen Schutzengel hatte: Als ein kleiner Bruder ihn in seinen Hochstuhl gesetzt und vergessen hat ihn anzuschnallen. Als ich ihn auf Treppenstufe vier von unten erwischte, obwohl ich dachte, er schafft nicht mal die eins. Als ich scheinbar doch ein scharfes Messer ins Besteckfach der Spülmaschine gestellt habe – und er es auf dem Dielenboden drehte wie eine Flasche beim Flaschendrehen.
In Sachen Baby- und Kindersachen bin ich entspannt geworden. Ich weiß inzwischen, dass ich es überleben werde, wenn ich den hübschen Overall mit den Löwen von Instagram nicht für ihn kaufe, wenn er ihn nicht trägt, wenn er ihn nie tragen wird. Ich mag ihn immer noch süß anziehen und freue mich darüber. Aber ich habe einige wenige Herzensteile ausgesucht, ein paar Sachen, die hinterher in seine Erinnerungskiste wandern werden, wenn sie ihm nicht mehr passen, so gern hab ich sie. Vor allem diese zuckersüßen Trägerhosen haben es mir angetan. Oft genug krabbelt er aber auch in Body und Strumpfhose herum – und ich sehe es gar nicht weil ich ihn sehe.
Seine Brüder?
Sie erzählen jedem, mit dem wir irgendwo ins Gespräch kommen, dass sie vier seien. Vier Jungs. (An den Worten klebt so viel honigfarbene Zufriedenheit, wie sonst nur an Erzählungen über ihre Sammelkartenhefte).
Sie fangen an über in zu schimpfen, wenn sie Kapla-Wolkenkratzer bauen wollen und er bereits das Fundament umschmeißt. Wenn er jauchzt – und ihre kleinen Legoräder unter den Kühlschrank pfeffert (noch schlimmer: ins Klo wirft). Wenn er das Wissenspiel vom Barhocker runterreißt, weil er nämlich doch schon drankommt, und ein wilder Salat aus Karten, Spielfiguren und Punkteplättchen auf dem Dielenboden liegt.
Sie streiten sich, bei wem er morgens im Bett sitzt, wenn sie sich anziehen. Sie klatschen ihm etwas vor – und freuen sich wenn er ebenfalls klatscht. Sie singen ihm schrecklich schräge Lieder. Sie legen ihm meine Unterwäsche oder getragenen Socken auf den Kopf und schwärmen, wie süß er sei. Sie schieben ihn mit Karacho auf dem Rutschauto um den Küchentresen. Manchmal, wenn sie ein Spiel auf dem Boden spielen wollen, schnallen sie ihn in seinem Hochstuhl fest, türmen Berge von Spielzeug auf ihn und drehen ihn so, dass er zuschauen kann.
Sie fangen an, sich mit ihm zu verbünden, vor allem wenn sie zwei gegen einen streiten. Dann hockt sich der dritte neben ihn, legt den Arm um ihn, flüstert mit ihm. Und er freut sich, wie er sich nur bei ihnen freut.
Sie fangen an, seine Stimme bei Abstimmungen zu nutzen. “Wer ist dafür Sonntag schwimmen zu fahren?”, fragt dann einer von den Großen und hebt nicht nur seinen Arm sondern auch Bos. Manchmal heben beide Großen jeder einen von seinen. Dann sitzt er da, mit beiden Armen nach oben, guckt seine Brüder links und rechts an, grinst und quietscht und dann sagen sie: “Siehst du Mama, das Baby will auch unbedingt ins Schwimmbad!”
Die wunderschönen Sachen, die mein Jüngster auf diesen Fotos trägt sind, sind Lieblingsteile aus dem wunderschönen Kyddo-Shop. Gründerin Marina hat wirklich ein Händchen dafür, die schönsten Teile von den tollsten Labels zusammenzutragen. Ich liebe die kurze karamellfarbene Pumphose von Monkind und den passenden Body. Der Stoff ist weich und trotzdem fest, hat nicht gleich nach ein paar Wäschen kleine Löcher und behält seine Form. Die Wichtel-Mütze mit Bommel aus gewalkter Biowolle ist wasserabweisend, winddicht – und zuckersüß. Auf dem Innenfutter tummeln sich kleine Löwen.
Die lässige Latzhose aus gebürstetem Bio-Sweatstoff “French Terry” vom niederländischen Label Phil&Phae hat vorn eine niedliche Tasche und mehrere Knopflöcher, damit sie schön lange passt. Der Ringel-Body ist ein Klassiker, durch die offenen Kanten aber ganz besonders süß. Ein bisschen neidisch bin ich auf die schwarz-gold geringelte Strumpfhose, die hätte ich selbst gern.
Verliebte Grüße,
Danke, für diesen schönen Text. Einfach nur genießen, das ist etwas, das ich von deinem Blog mitnehme. Ich hab jetzt Baby Nummer Zwei und genieße es auch einfach so sehr. Danke, dass mir das ich durch deine Baby-Beiträge hier so richtig bewusst geworden ist. Und, ich liebe deine Art zu schreiben. Das hinterlässt immer ein wohliges Gefühl, irgendwie! Ich glaube, du bist eine tolle Frau! Viele Grüße!
Liebe Claudi,
das war jetzt eine schöne Gutenachtgeschichte. Danke fürs Teilhabenlassen. Ich hätte jedesmal für Bo einfach Eli einsetzen können, der ist auch schon 1. Und auch irre süß, vor allem, wenn er seine verrückten Grunzlaute macht. Genießt eure Zeit!
LG aus dem Süden
Rabea
Liebe Claudi, was für ein schöner Text über deine vier Jungs und besonders über Bo. Meine Kleinste ist letzte Woche zwei geworden und ich kenne diese Melancholie, wenn sie größer werden. Ich hätte auch gern noch Nr. 4, aber man weiß ja nie, ob das was wird ?. Deshalb versuche ich ebenso wie du, die Momente zu genießen und sie im Herzen zu bewahren! Darf ich dich noch um ein, zwei Tips bitten zu Hamburg mit Kindern (zwischen 2 und 6 Jahren), ein bisschen aufregend, ein bisschen entspannt und auch was Schönes für Mama und Papa? Das wäre ganz lieb, weil wir vorhaben in zwei Wochen für zwei Nöchte nach Hamburg zu fahren! Liebe Grüße Steffi
Liebe Claudi,
Dein Text, so schön und so berührend, voller Mamaliebe.
Ich stell mir gerade vor, wie Bo diesen Beitrag mal 30 liest, eine Tränen im Auge, so wie ich jetzt.
Danke für deinen wunderschönen Blog, deine tollen Beiträge, die mich einpacken in wohlig watteweiche Dankbarkeit.
Ich meinte, wenn er 30 Jahre alt ist, vielleicht mit dem eigenem Kind auf dem Arm.
Liebe Claudi,
diesen Text hast du soooo schön geschrieben!!!! Er ist so in sich rund, ehrlich und man spürt dein ganzes Herzblut darin. Ich kann mir alles bildlich vorstellen und mitfühlen und sehe/fühle mich in einigen Situationen selbst wieder.
Ein dickes Kompliment für deinen Schreibstil und deine Bilder!
Liebe Grüße Angela
Ach, ist das schön geschrieben. Mit Tränen der Rührung in den Augen musste ich dazwischen immer wieder lachen! Der Text hat mich gerade echt verzaubert. Danke ❤️
Liebe Claudi,
Ich verfolge deinen Blog sehr gerne. Zum Einen, weil meine Kinder in etwa genauso alt sind wie deine (und du immer tolle Bastel- und Spieltipps auf Lager hast) und zum Anderen, weil mich deine Art zu Schreiben stets tief berührt und du den Nagel auf den Kopf triffst. Auch mich trifft oft diese Melancholie und es tut gut angestupst zu werden, dass man mehr genießt und nicht im Aspik stochert ? Danke und liebe Grüße!
Danke liebe Claudi für diesen schönen Text. Balsam für die Seele. ? Wunderschön!
Wie schön. Ich freu mich auch, aufgeschrieben zu haben, wie es sich anfühlt.
Gute Nacht, Claudi
Hallo Claudi, ich lese deinen blog nun seit gut einem Jahr, als eben Bo geboren wurde. Damals, schwanger mit meinem dritten Kind, war ich auf der Suche nach Geschichten aus dem Großfamilienleben… Ich bin hängen geblieben und fühle, genieße, leide, lache und weine mit euch mit. Bevor steht mir nun der erste Geburtstag meines sicher letzten Babys… Ich fühle mich bestens vorbereitet.
Vielen vielen Dank für dieses Jahr!
Deine Zaubersprache…perfekte Gute Nacht Lektüre. Und jetzt mit ganz viel Liebe und Wärme im Herzen ins Bett.
Ach du, danke. Mit diesem schönen Wort gehe ich jetzt sehr happy ins Bett ; )
Herzlichst,
Claudi
Liebe Claudi.
Noch nie nie hab ich auf solche blogbeiträge oder ähnliches geantwortet. aber hier habe ich irgendwie das Bedürfnis dazu.
auf deine Seite bin ich gestossen, weil ich, traurig darüber, dass mein drittes kind auch ein Junge wird, “drei jungs” bei Google eingegeben habe und auf deinen tollen Eintrag gestossen bin. sofort schämte ich mich für meine enttäuschten Gedanken..und nun.. stöber ich mich gerade durch deine anderen Beiträge und mit dem Geburtsbericht deines vierten Sohnes und der Beschreibung in der Zeit wurde ich “geheilt” und ich schäme mich für diese so enttäuschten Gedanken und freue mich nun auf meinen dritten Bubi. der 6jährige Erik ( der übrigens lila und Blumen liebt.. ;-)) und der dreijährige Klaas freuen sich riesig auf ihr Brüderchen und wir uns auch!!!
ich wünsche euch alles Gute! Herzliche Grüsse von der Ostsee (Schönberg bei Kiel), Franzi
Das freut mich so sehr! Alles, alles Liebe für deine Männer-Bande. Das wird herrlich ❤️
Herzlichst, Claudi