Eigentlich wollte ich diesen Text mit Herbstlaub beginnen. Damit, wie wunderschön Berlin im Herbst ist. Goldgelbe Blätter baumeln an den Stadtbäumen, Ton in Ton mit den Altbaufassaden. Liegen als weiche Raschel-Decke auf dem Asphalt oder taumeln hübsch durch die Luft. Hier stand genau so ein Berlin-Text, aber irgendwie fühlte es sich nicht richtig an. War nur ein Textskelett, ohne Fleisch und Gefühle, wie ihr es auch in jedem Reiseführer lesen könntet. Darum traue ich mich jetzt einfach mal. Denn: Unser Berlin-Kurztrip mit vier Kindern war anstrengend. Puh, so anstrengend. Ich denke, das können Städtetrips immer mal wieder sein, da gibts nichts dran zu rütteln, in der kälteren Jahreszeit ganz besonders. Gucken wir also, was ihr machen könnt, damit euer nächster Berlin-Trip statt stressig die meiste Zeit über einfach nur schön wird…
Ich weiß gar nicht woran es lag, dass ich diesen Trip so anstrengend fand. Schließlich waren wir im Sommer bereits drei Wochen zu sechst unterwegs – und ich fand es die meiste Zeit kein bisschen stressig. Wir hatten in Berlin super Herbstwetter – kühl, aber die meiste Zeit sonnig und wir schliefen in der perfekten Unterkunft, wunderbar zentral, mit Stil und trotzdem absolut kinderfreundlich. Das Novotel Am Tiergarten hatte uns für unsere Recherchereise eingeladen und das war ein großes Glück. Denn sobald ich durch die Schiebetür ging, die große, helle Eingangshalle betrat, den sonnigen Frühstücksbereich sah und die gemütliche Bar, sobald jemand hinter der Rezeption freundlich lächelte, ging es mir besser. Mein Puls fuhr runter – es fühlte sich ein bisschen an wie nach Hause kommen – bloß in aufgeräumt.
Wir wohnten in zwei Doppelzimmern mit Verbindungstür und riesiger Fensterfront und der Blick nach draußen war besser als jedes Fernsehprogramm. Gleich morgens zogen die Jungs ihre große weiße Daunendecke aus dem Bett hinter sich her, setzten sich nebeneinander auf die große Fensterbank und guckten Großstadtgewusel. Vorher haben sie den Willkommensteller geplündert, mit Obst, Keksen und kleinen Schokoladentafeln. Zum Glück war hinterher immer noch Platz im Bauch, denn das Frühstück im Novotel ist ein Traum, es gibt einfach nichts, das es nicht gibt und wir aßen an großen Tischen im Sonnenschein mit Blick auf einen kleinen Antikmarkt direkt vor der Tür. Das Publikum ist bunt gemischt, Ältere, Familien, Gruppen, herrlich entspannt und an einem Abend schliefen die Kinder oben im Zimmer mit Babyfon und André und ich trafen unten in der Bar noch eine Freundin auf einen Drink. Er war wunderbar…
Vielleicht fand ich es tagsüber so stressig, weil wir einfach drauflosgelaufen sind, wie es unsere Art ist, weil wir bei der Bahn keine Ahnung von der besten Farkarte hatten, nicht vorher drüber gesprochen haben, wo wir überall hinwollen und wann, nicht genug Pausen gemacht haben. Vielleicht war es einfach Pech, dass das Baby ausgerechnet dort jaulig war. Ich seh mich in Berlin sitzen, auf einem hölzernen Bauzaun rund um eine Linde und höre mein Baby an meiner Brust meckern. Neben meinen Füßen Tüten und ein trotzendes Kleinkind, das lange Band meiner Babytrage quer über den Bürgersteig verteilt. Ich zu kaputt um aufzustehen und es einzusammeln. Der Mann weg – ein Klo suchend mit den Großen. Als sie wiederkommen gehen wir endlich auf den Spielplatz, ein wunderschöner Spielplatz, sie hatten ewig nach einem gebettelt. Aber als wir da sind wollen sie nicht mehr. Manchmal ist eben einfach der Wurm drin.
Dafür haben sie später Spaß mit einer Tischtennisplatte, klettern immer wieder darauf, laufen los und springen in Papas Arm, alle drei hintereinander, immer wieder. Und in einem Buchladen vorn am Postkartenständer mit den hübschen Motiven von Vierundfündzig Illustration, die mein Bilderbuch illustriert hat. Immer und immer wieder müssen wir den Kartenständer drehen. Und dann das Naturkundemuseum, den ganzen Weg dahin Gemaule – und dann stehen sie minutenlang stumm vor Staunen da, winzig klein vor dem riesigen Dinosaurierskelett. “Hab ich doch gesagt!”, denke ich, verkneife ich mir aber. Genauso wie das: “Hättet ihr euch das ganze Gemaule vorher nicht sparen können?” Stattdessen staune ich lieber mit.
Einen Tag fahren wir raus aus der Stadt bis zum Spreewald, wollen den Kindern eine Freude machen: frische Luft tanken und Boot fahren. Aber auch hier: Gestreite, Gejaule und Gejammer. Und Nieselregen. Ich muss immer wieder ganz tief ein und ausatmen. Erst abends wirds besser, als wir ganz wunderbar unter dicken Decken und einem Schirm direkt am Wasser essen – statt Gemaule ganz viel Lachen. Und diese Art von Gesprächen führen, die wir immer nur unterwegs führen. Auf dem Rückweg, alle sechs Hand in Hand durchs Dunkel, denke ich, dass es den ganzen Stress eben doch wert ist. Reisen mit Kindern ist keine permanente Aneinanderreihung von Glücksmomenten. (Reisen ohne Kinder auch nicht). Vielleicht hatte mein Kopfkino noch nicht den Film umgespult, von Familie ohne Baby zu Familie mit Baby, vielleicht hatte ich gedacht, wir könnten mit vier Kindern einfach so weitermachen wie mit dreien.
Angestrengt sein hat ja auch oft etwas mit Erwartungen zu tun, die so nicht erfüllt werden. Und ganz ehrlich, ich glaube reisen mit (vielen) Kindern ist eben nicht immer rosarot und pippileicht, auch wenn Instagram und viele Blogs einem das pausenlos suggerieren. Da ist es beinahe egal, ob man nach Berlin, Bangkok oder um die ganze Welt reist. Kinder haben ist anstrengend. Überall. Aber wenn man die Anstrengungen erträgt, es schafft, das gelegentliche Gemaule zum einen Ohr rein- und zum anderen wiederraussausen zu lassen, ertragen kann, dass es nicht immer instagramable ist, dann erlebt man zusammen kleine Kostbarkeiten. Echte Zusammenschweißmomente, die ich trotz aller Anstrengung nicht missen möchte. Ich habe das Gefühl, Kinder sind Verstärker, sie machen die nervigen Momente nerviger, aber die schönen Momente noch schöner.
Meine neun Tipps, damit euer Berlin-Trip viel entspannter wird als unserer:
1. Rucksack (und Gedanken) packen. Ich bin keine Mutter, die permanent perfekt ausgestattet ist, aber für unseren nächsten Berlin-Trip wäre ich es: Feuchttücher, Windeln, einen Snack und etwas zu Trinken, ein kleines Spiel, vielleicht einen aufblasbaren Ball, drei Pixibücher und Malsachen würde ich einpacken. Außerdem die neue Ausgabe Berlin mit Kind von den Machern des Himbeer Magazins. Während André mit den Kindern noch beim Frühstück sitzen bleibt, würde ich schnell rüber zur U-Bahn Station flitzen und zwei Tageskarten (á 7 Euro) kaufen, damit kann man den ganzen Tag lang beliebig viele Fahrten unternehmen und jeweils bis zu drei Kinder bis 14 Jahre mitnehmen. Die Tageskarte ist am Tag der Entwertung bis zum Folgetag 03.00 Uhr gültig. Noch am Frühstückstisch würde ich besprechen, wo wir als erstes hinfahren. Vielleicht würde ich einen “Nicht-Meckern-Beutel” mit Süßigkeiten packen: Wer es schafft auf der Fahrt bis zum Ziel nicht zu motzen darf einmal in die Tüte greifen.
2. Ein Museum. Eins der schönsten Museen für Kinder ist das Naturkundemuseum. Ich möchte wetten, es verzaubert jedes Kind, vor einem riesengroßen Dino-Skelett zu stehen, enorm große Spinnen anzusehen – oder die Vitrine mit den unzähligen, von Besucherkindern selbstgemalten Insekten im Keller. Vielleicht würde ich es nicht Museum nennen, das setzt bei Kindern ja manchmal eine Motzkette in Gang. Vielleicht würde ich sagen: “Komm, wir besuchen die Dinos. Übrigens einen Fernseher gibts da auch, einen runden, der von der Decke hängt.” Die Show über die Entstehung der Erde, die man gemütlich auf dem Boden liegend schauen kann ist wirklich sehr sehenswert.
3. Eine Unterkunft suchen, in der man nach dem anstrengenden Entdecken runterfahren kann. Das Novotel am Tiergarten kann ich mit Kindern echt empfehlen – es ist weitläufig (so hat man als Eltern nicht ständig das Bedürfnis “Psst” zu raunen), hat Stil, Gäste und Mitarbeiter sind entspannt, die Lage ist super zentral, es gibt eine Dachterasse, eine Bar und einen Fitnessbereich (super nutzbar mit Babyphone-App) und ein himmlisches Frühstücksbuffet.
4. Spielen! In Berlin gibt es großartige Spielplätze. Einer in meinem Lieblingskiez, mit lauter Goldlaub und wunderschönen alten Häusern drumherum ist der Spielplatz am Helmholtzpark. Neuste Entdeckung: der skandinavische Spielplatz am Klausenerplatz in Charlottenburg. Eine hübsche Ansammlung von roten Holzhäusern, Holzschweinen und -findussen, Rutschen, Schaukeln und Bänken für die Erwachsenen. Für nächstes Mal auf der Liste: Klein- Lummerland.
5. Entspannt shoppen: Der allerschönste Kinderladen in Berlin ist für mich eindeutig der Lila Lämmchen Shop. Ich kannte ihn schon aus dem Internet, aber jetzt wo ich da war, kann ich sagen, es ist nicht bloß ein Shop, es ist gefühlt eine ganzes Straßenstück Bummelglück (Dunckerstraße 79). Davor ist ein breiter Bürgersteig mit einer Bank, wo Männer und Kinder warten können. Es ist natürlich viel schöner reingehen zu können und all die schönen Wolle-Seide-Teile zu berühren, die Postkarten anzufassen, die zauberhaften Jahreszeitentisch-Figuren zu streicheln oder in der super Auswahl an Kinderbüchern zu schmökern, als nur online hinzusurfen. Übrigens gibts bei der lieben Josephine ab vier Kindern einen Großfamilienrabatt von 5 Prozent.
6. Über gute Ideen staunen. Noch ein toller Shop – für alle Familienmitglieder – ist der Erfinderladen in der Lychener Straße. Dort gibt es lauter Sachen, die man nicht braucht, oder eben doch unbedingt doch braucht, zum Beispiel einen knautschbaren Berlinstadtplan.
7. Entspannt essen: Im Charlottchen gibts gute, bezahlbare Hausmannskost (Königsberger Klopse), eine Tobeburg für Kinder und wenn man Glück hat noch ein kleines Kinder-Theaterstück.
Gibt es leider nur im Sommer, aber wie schön ist bitte diese Idee: Im Preußenpark am Fehrbelliner Platz verkaufen Thailänderinnen an kleinen Ständen kleine Köstlichkeiten und selbstgekochtes Essen. Sprich ein kunterbunte Thai-Picknick und so eine tolle Erfahrung mit Kindern. Meine Berliner Freundin sagt: “Absolut köstlich!” Ein echter Geheimtipp!
8. Ungewöhnliche Dinge sehen: zum Beispiel einen Wasserfall mitten in der Stadt. Im Viktoriapark, mit 66 Metern der höchste Punkt in Berlin, kann man sich erfrischen, picknicken und im kleinen Tiergehege neue, haarige Freunde finden. Auch gut, aber eher für ältere KInder: Das DDR-Museum, hier gibt es soviel Kurioses zu entdecken. Mit den Kleinen fährt manzwischendurch vielleicht einfach Flugzeuge gucken in Reinickendorf von dem Parkdeck auf dem Clou-Einkaufszentrum. Die großen Maschinen fliegen direkt über einem – sehr, sehr beeindruckend!
9. Mal raus aus der Stadt: Der Spreewald liegt etwa eine Stunde Fahrzeit von Berlin entdernt und ist ein paradisisches Wald-Sumpf-Gebiet. Leider ist der Tourismus dort – wie soll ich es sagen – ein wenig in die Jahre gekommen und die meisten Angebote richten sich eher an ein (deutlich) älteres Publikum. Bei uns war der Wurm drin, ich glaube aber fest, dass es Kindern Spaß machen kann, mit dem Boot durch die Kanäle zu schippern (unbedingt eine kurze Fahrt wählen, sonst wird es schnell langweilig und gern etwas zum Naschen einpacken). Unterwegs sieht man wunderschöne Natur, und wenn man Glück hat, Nutrias direkt neben sich. Das Freilichtmuseum in Lehde ist wirklich schön und auch für Kinder interessant (unsere fanden die großen alten Puschen zum Reinschlüpfen am Besten). Wirklich himmlisch essen kann man im Kaupen 6.
10. Bären suchen. Um die Kinder unterwegs bei Laune zu halten und sie zum Herumgucken und Entdecken anzuregen, würde ich sie Bären suchen lassen. Den Berliner Bär – das Wahrzeichen sieht man nämlich überall in der Stadt. Vielleicht würde ich sogar diese Bärenaufkleber (Partner Link) bestellen und einen Wettbewerb draus machen: Wer einen Bären sieht, bekommt einen Bärenaufkleber auf die Jacke. Wer abends die meisten Bären gesammelt hat, gewinnt. Verdammt, wieso komme ich da erst jetzt drauf…
Für etwas größere Kinder würde ich noch dieses Buch mitnehmen (Amazon Partnerlink). Darin gibt es Rätsel, Spiele, kleine Aufgaben und Quizfragen rund um Berlin. Super Waffe gegen Langeweile in Bahn, Cafés, Restaurants.
11. Flugschau. Falls ihr auch wie wir im Herbst oder Frühling nach Berlin fahrt und es irgendwie einrichten könnt, macht auf der Hin- oder Rückfahrt an der A 24 einen Stop in Linum, dort befindet sich einer der größten Kranichrastplätze in Europa und es ist einfach wunderschön, so viele der Vögel auf einmal zu sehen. Wir sind gegen Abend dort gewesen und der Himmel war regelrecht kranichschwarz vor lauter Vögeln. Ein toller Platz um im Auto zu picknicken und nebenbei Kranich zu schauen.
PS. Herzlichen Dank an das Novotel Am Tiergarten für die Unterstützung dieser Reise.
PPS. Habt ihr noch Tips für Berlin mit Kindern?
Alles Liebe,
Liebe Claudi!
Danke für die Ehrlichkeit. Danke. Danke. So ist es nämlich wirklich mit (und auch ohne) Kind manchmal und keiner sagt es. Danke.
Toll. Vielen Dank für den Artikel.Wir wollen im Frühling einen Wochenendtripp nach berlin machen und ich werde Deine Tips gern berücksichtigen ! Sind zwar “nur” mit 2 kindern unterwegs, dafür aber 6 Jahre Altersunterschied? .
Und Deine ehrlichen Worte sind sehr beruhigend. Das gleiche Gefühl von “nicht-entspannen-können” hatte ich in einem Sommerurlaub als der kleine noch Baby war und wir auf einem Bauernhof waren, auf dem wir sonst immer die herrlichsten Sommer verbracht hatten. Seltsamerweise war aber dieser urlaub für mich (fast) nur stressig…
Lieben Gruss Yvonne
Liebe Claudi,
da hast Du ein wahres Wort gesprochen;-)
Hier noch ein Tip für den Spreewald: richtig schön und praktisch ein Selbstläufer ist der Wasserspielplatz in Lübben und
im „Strandhaus“ (ebenfalls in Lübben) kann man wunderbar draussen sitzen und Kaffee trinken. Wir waren schon häufiger im Spreewald und es war jedes Mal klasse.
Herzliche Grüße und frohe Weihnachten
Sandra
Toller Artikel!!! Wir wohnen am Stadtrand von Berlin und fahren oft mit der sbahn rein mit den Kindern… Und sind oft völlig fertig,wenn wir nach ein paar Stunden wieder rausfahren- jedoch wartet unser Haus dann nie aufgeräumt auf uns?. Der Park am Gleisdreieck muss noch definitiv mit in deine Liste, denn hier kann man bei schönem Wetter wirklich ganze Tage verbringen- sowohl als 10- als auch als 3jähriger…es gibt unendlich viele Spiel- und Skaterplätze und guten Kaffee auch ?.
Seit unserem Städtetrip nach London, als unser jüngster 6Monate alt war, habe nun auch ich immer bergeweise Essen und Trinken bei (auch dass unsere Laune wegen des immer leeren Portemonnaies nicht immer schlechter wird, weil an jeder Ecke jemand “Hunger ” schreit) und Pausen, Spielen, Toben. Seeehr regelmäßig. Aber so haben wir auf der Suche nach Spielplätzen zB in Lissabon auch Ecken kennengelernt, an die wir sonst wohl nie gelangt wären?.
Weiterhin viel Reiselust für euch- und weiter so mit deiner Ehrlichkeit, tut so gut?
Ein sehr gelungener Artikel. Danke. Den merke ich mir!
Ich bin immer so dankbar, wenn jemand ausspricht, wie es wirklich ist. Vielen Dank für die ehrlichen Worte und die tollen Tipps! Liebe Grüße, Sophia
So gern!
Schöne Weihnachten,
Claudi
Was für tolle Tipps und Ideen! Wir fahren nächsten Sommer mit unseren beiden Kindern in die DJH Berlin Wannsee 🙂 Davor werde ich deinen Blogeintrag sicher wieder raussuchen und mir einiges davon genauer anschauen.
Super! Danke! Wir fahren in den Pfingstferien nach Berlin. Ich bin dort aufgewachsen, aber jetzt schon seit 20Jahren in Bayern. Wir werden uns sicher auch einiges anschauen, obwohl meine Kinder (3 Jungs)schon größer sind.
Ich wünsche euch ganz viel Spaß!!