Viele meiner Kollegen zieht’s weg. Auswandern ist in, zumindest in meiner Instagram-Blase. Ich habe fast das Gefühl, bald ist keiner mehr da, bloß noch wir. Und auch ich habe letztens in einen WhatsApp-Chat mit drei Freundinnen (davon eine, die bald auswandert) getippt: “Ach, ich würde ja auch so gern”. Aber ganz ehrlich, würde ich das wirklich…?
Mehr Sonne wär super. Ein lässigeres Lebensgefühl. Mehr Alltagsabenteuer. Mehr Chillen am Strand, mehr Pasta und mehr Amore. Mehr Zeit für meine Liebsten. Aber wenn ich ganz realistisch darüber nachdenke, denke ich, dass wir davon vielleicht sogar mehr bekommen, wenn wir bleiben. Zumindest noch für eine Weile.
Denn ganz ehrlich, wenn ich mir vorstelle, ich müsste unser Leben in einen Container verfrachten, bekomme ich Schnappatmung. Ich schaffe es ehrlich gesagt gerade nicht mal, ein paar zu kleine Kinderteile auszusortieren. Okay, vielleicht habe ich auch einfach keine Lust darauf. Ich bin so müde, so platt.
Dabei wäre das ja bloß ein Fussel gegen die Packerei fürs Frachtschiff.
Ich denke im Alltagsgewusel kaum daran, den nächsten U-Termin zu machen. Vergesse ständig die neue Anmeldung für die nächsten Wochen Schulmittagessen der Kinder. Warum? Weil es ein To-do von hunderten ist. Und ja, ich gebe es zu, weil es mich langweilt. Weil ich meine Energie viel lieber in andere Dinge stecken möchte: in lange Schreibprojekte zum Beispiel. Oder in spannende neue Jobideen. Oder in Freizeit. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste mich stattdessen die nächsten Wochen darum kümmern, unser komplettes Leben hier ab und woanders wieder anzumelden, dann wäre das einzige, was ich gern in einen Koffer packen würde, ich. Und von innen würde ich ganz fest zumachen. Das wäre wirklich das Allerletzte, auf das ich gerade Lust hätte.
Neues Auto, neues Haus, neue Straßen, neue Nachbarn, neue Postfiliale, neuer Supermarkt, neue Hobbys, neue Spielfreunde, neues Lager, neues Möbelhaus. Neue Schule, neue Zeiten, neue Ärzte, neue Buslinien, neue Abfahrtszeiten. Neue Freunde. Neue Freunde?
Ehrlich gesagt, wird mir schwindelig, wenn ich darüber nachdenke.
André würde derzeit weder auswandern wollen, noch können, weil er bei uns auf dem Dorf eine Kanzlei hat. Er kennt sich mit dem Rechtsystem in Deutschland aus – im Ausland wäre er arbeitslos. Und dass er sich nur noch um meine Verträge für den Blog und unseren Shop kümmert und wir kein weiteres Standbein mehr hätten, oh no, das würden wir beide nicht wollen.
Der Wichtigste Grund aber: Ich gehe fest davon aus, dass meine Kinder mir einen Vogel zeigen würden. Die beiden Großen gehen schon steil, wenn ich mal aus Spaß seufze: “Ich glaube, wir wandern aus.” Die beiden werden gerade flügge und ich komme gut damit klar, sie flügge werden zu lassen. Weil ich hier bei uns das Gefühl habe, dass wir ein dichtes Sicherheitsnetz gewebt haben, das sie im Notfall auffangen würde.
Sie fühlen sich wohl in ihren Schulen, lieben ihre Hobbys – Daueraufträge und Fahrgemeinschaften laufen. Mein Schwiegervater von nebenan übernimmt tollerweise einen Teil der Fahrerei. Meine Schwiegermutter springt immer ein, wenn wir sie brauchen. Ganz ehrlich, ich wüsste gerade nicht, woher ich die Energie nehmen sollte, all diese Hilfslinien neu zu knüpfen. Meine Eltern wohnen zwei Stunden entfernt – und das kommt mir gerade schon unglaublich weit weg vor. Was wäre, wenn zwischen uns nicht bloß ein Stück A7, sondern mehrere Flugstunden liegen würden? Es würde sich gerade nicht gut anfühlen.
Aber was ist eigentlich mit mir? Würde ich wirklich wegwollen?
Ja! In den nächsten Urlaub. Himmel, ich hab so Bock auf Urlaub. Aber wenn ich darüber nachdenke, dann wünsche ich mir vor allem mehr Zeit für mich und meine Familie. Außerdem mehr Zeit für schöne Jobprojekte und mehr Zeit für Nichtstun. Und ganz viel Zeit mit Freunden – die wir ja auf keinen Fall mit in den Container verfrachten könnten. Und irgendwie habe ich dann das schöne Gefühl, dass ich das alles zur Zeit hier viel mehr bekommen kann, als ganz woanders.
Und du? Träumst du vom Auswandern?
Alles Liebe,
Liebe Claudi,
wieder mal ein so schöner Text, in dem ich mich wiederfinde. Tatsächlich sind meine Familie und ich vor 2 1/2 Jahren ins Ausland gezogen und auch wenn der Umzug auf sechs Jahre zeitlich begrenzt ist, würde ich es als auswandern bezeichnen. Das Weggehen aus Deutschland fiel nicht schwer, denn unsere Tochter war damals noch nicht mal zwei Jahre alt. Wenn ich daran denke, dass wir irgendwann wieder zurück müssen, wird mir allerdings schwer ums Herz – zu viele gute Freunde haben wir hier gefunden, zu gut haben wir uns eingelebt. Ich glaube, mit größeren Kindern würde ich auch nicht auswandern wollen, mit kleinen Kindern finde ich es hingegen ein tolles Abenteuer und ich freue mich, dass unsere Tochter bereits in so jungen Jahren ihren Horizont so sehr erweitern konnte und sie vielem Neuen gegenüber einfach aufgeschlossen ist, weil sie so viele unterschiedliche Perspektiven bereits kennenlernen konnte.
Esther
Liebe Esther, ich denke auch, mit kleinen Kindern ist es vielleicht einfacher. Und natürlich mit zwei Jobs, die man überall
ausüben kann. Was ich auch noch spannend finde: Ich würde mich gar nicht festlegen wollen und können, wo ich hin wollen würde.
Ich finde nämlich so viele Orte spannend und möchte noch so viel sehen. Spricht also wohl auch eher fürs Reisen.
Danke dir für deine Geschichte und alles Liebe,
Claudi
liebe claudi,
eigentlich dachte ich immer JA unbedingt … klassischer gedanke „sonne meer „cooler“ lifestyle etc…“ jetzt aber wo ich deinen text so lese schnürt es mir auch alles zu…. nein eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen und fahre lieber öfter in den urlaub 🤪
Ich danke dir. Für mich war das Drüberschreiben auch gut.
Hat einiges zurecht gerückt. Ein bisschen Sehnsucht bleibt aber.
Aber manchmal passt es eben (gerade) nicht.
Liebe Grüße,
Claudi
Liebe Claudi,
Ich bin sprachlos!Aber im positivsten aller Sinne!Ich möchte jedes deiner Worte unterstreichen und markieren und allen meinen Lieben schicken.Du sprichst mir so sehr aus der Seele, dass es mir schon fast gruselig vorkommt, weil sogar die Details (das Mensaessen, die U-Untersuchungen) übereinstimmen. Beim großen bald-Pubertier machen wir uns übrigens schon Gedanken, ob der unsere vielen und in den Sommerferien 5-6 Wochen langen Urlaube in 2-3 Jahren überhaupt noch mitmachen will, wenn seine Jungs und Mädels vielleicht nicht verreisen und die Zeit ohne ihn gemeinsam im Schwimmbad verbringen…
Liebste Grüße
Frau V
Liebste Grüße
Danke dir. Bin ja fast ein wenig froh, dass ich nicht die einzige bin, die diese Mensabestellungen ständig verdaddelt.
Ja, und das habe ich mich auch schon gefragt. Obwohl sie natürlich schnell neue Leute kennenlernen.
Aber wenn müssten wohl zumindest beide Elternteile Feuer und Flamme sein.
Und das ist hier definitiv auf keinen Fall so.
Vielen Dank für deine Worte und alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi, lies doch noch mal deinen eigenen Text und achte darauf, was du hier alles magst und vermissen würdest. Wie kann man sich da überhaupt die Frage stellen, hier weg zu wollen? In einem anderen Land hat man deswegen doch nicht automatisch mehr Zeit. Ihr habt die Möglichkeit verhältnismäßig oft aufregend zu reisen. Das Ausland und das Abenteuer ist also immer nah. Ich glaube der Gedanke kommt daher, dass es bei Insta wirklich den Anschein macht, dass viele gerade ans Auswandern denken oder es sogar tun. In meiner Blase auch. Frage mich was es mit Madeira auf sich hat (habe vor vielen Jahren dort Urlaub genossen, aber man fragt sich schon ob die Insel das gerade auf Instagramer*innen abgesehen hat). Weißt du was ich glaube? Was dich da triggert ist die Frage: Müsste ich das jetzt auch wollen? Muss ich meinen Lebensentwurf auch in Frage stellen? In Frage stellen ist immer gut, Erkenntnis erlangen auch!
Ich danke dir! So spannend, eure Gedanken hier zu lesen.
Ich denke, was mich eher triggert ist die Frage, ob ich da entspannter wäre.
Wenn ich realistisch drüber nachdenke, denke ich, ich wäre es nicht.
Aber der Gedanke gibt mir den Tipp, mal zu schauen, wo ich mehr Lässigkeit reinbringen kann.
Ich glaube wir sind alle ganz schön platt derzeit.
Alles Liebe,
Claudi
Hallo liebe Claudi,
Wir haben zwei Kinder ( 10, und 13 Jahre ) und mir käme es nicht im Traum in den Sinn jetzt auszuwandern ! Aber wer weiss, wie es denn in 15 Jahren aussieht….😉
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Christina
Puh, sehr guter Text und trifft mich sehr. Allerdings will ich gar nicht auswandern. Wir überlegen nur, ein neues Haus in der Stadt der Schule der jüngeren Kinder zu bauen. wir haben einen schönen Bauplatz und jonglieren gerade mit vielen Zahlen herum und manchmal überkommt mich die große Panik, wenn ich das alles dann weiter denke. Wir fahren jeden Tag in diese Stadt. ich immer mit dem Auto. Wäre schön, wenn ich das nicht mehr müsste. Gewonnene Zeit. Mein Vater fährt die Kinder nicht mehr. Das leidige Fahren möchte er nicht, man könne die Kinder ja auch vor Ort in die Schule geben. Meine Mutter hilft nur, wenn es gerade mal für sie in den Plan passt und nicht so, wie es für uns gut ist, sondern, wie es für sie gut ist.
Also es spricht schon viel für diesen Umzug. Aber ich bin auch müde und ich weiß nicht, wie das alles nur werden kann. Ich gehe aber tapfer weiter. Noch. Mal sehen, ob es dabei bleibt.
Viele Grüße
Die Großfamilienmama
Ich hab´s gemacht, das ist jetzt ein halbes Jahr her und weißt du was? Noch vor 4 Jahren habe ich genauso gedacht wie du. Der Gedanke, meine gewohnten Strukturen aufzugeben und mich völlig neu in alles einzufinden… Oh mein Gott!
Dass ich den Gedanken schließlich doch in mir wachsen lassen habe, war einer zunehmenden Unzufridenheit geschuldet und der stärker werdenden Neugier, der Lust auf Abenteuer, Ausbrechen, was Neues. Und nicht zuletzt der Tatsache, dass unsere vier Kinder zwischen 4 und 13 begeistert waren von der Idee.
Schließlich war es auch alles gar nicht so schlimm, wie in meinen Vorstellungen – rückblickend zumindest. Und hier kommt die gute Nachricht: All diese furchtbaren Mammutprojekte wie ein Umzug mit vier Kindern, sich neu zurechtfinden, wie läuft was im fremden Land – all das sind Etappen von überschaubarer Dauer, einige Wochen, vielleicht 1, 2 Monate, dann ist auch ein Riesenumzug gewuppt, der neue Zahnarzt gefunden und ein guter Bioladen entdeckt worden. Jetzt nach einem halben Jahr bin ich im Flow in meinem neuen Land. Und denke sogar ein kleines bisschen darüber nach, ob es nicht noch mal woanders hingehen könnte – die Welt ist schließlich groß 😉 .
DAS klingt dann doch wieder so wunderbar, und nach so einem schönen Familienprojekt, dass es doch gleich wieder in meinem Bauch kribbelt.
Wo lebt ihr denn jetzt?
Alles Liebe,
Claudi
Der Wichtigste Grund aber: Ich gehe fest davon aus, dass meine Kinder mir einen Vogel zeigen würden. Die beiden Großen gehen schon steil, wenn ich mal aus Spaß seufze: „Ich glaube, wir wandern aus.“
diese gedanken finde ich großartig! ja sie zeigten dir den vogel- ganz sicher. 🙂
ich weiß noch, wie sich unsere drei kinder (2 davon pubertiere) wehrten, als wir mal überlegten, 10km weiter in den nächsten ort zu ziehen.
sie sagten NEIN, sie hätten die schule wechseln müssen und all ihre guten freunde hier im ort verlassen müssen. die hätten uns nur mehr angejammert.
d das ist g
ich denke auch, dass die auswanderer keinen spaß haben, wenn sie damit konfrontiert sind, herumlaufen zu müssen, um sich wieder alle ärzte, kinderärzte, zahnärzte, therapeuten, labore, krankenhäuser usw. zusammensuchen zu müssen und sie vielleicht auch gar nicht zu finden, zumindest nicht in der qualität, wie man es gewöhnt ist.
dazu kommt dann noch alles, was du aufgezählt hast und das ist ganz schön viel.
liebe grüße!
Danke dir. Vielleicht wären sie ja auch anders drauf, wenn das bei uns ernsthaft zur Debatte stehen würde.
Wer weiß. So kann ich sagen, wir sind ganz schön zufrieden hier. Und ich hoffe einfach auf Frieden (in der Welt und mit uns) für uns alle!!!
Liebe Grüße,
Claudi
Liebe Claudi,
Ich hab schon bei der Überschrift gedacht, warum man sich die Frage so herum stellt. Das scheint ja wirklich eine ziemliche Insta Blase fernab jeder Realität zu sein. Haben wir nicht gerade 2 Jahre Pandemie hinter uns, ist nicht gerade ein Krieg ausgebrochen. Da stelle ich mir gerade ganz andere Fragen als dass ich mich im sonnigen Ausland selbst verwirklichen möchte. Die Dankbarkeit endlich wieder Freunde und Familie unbeschwert treffen zu können und hier in Frieden zu leben ist groß.
Dein Leben klingt großartig, da würde ich jetzt auch nicht auswandern.
Meine Mutter, die aus Australien ausgewandert ist hat mir so einige Sprichwörter mitgegeben. Zwei davon passen vlt. ganz gut: „the gras on the other side is always greener“ und „you can‘t eat your cake and have it“.
Danke für Eure tollen Texte!
Lg, Mathilda
Haha, ja, da hast du wohl Recht. Wenn man sich da schon rein beruflich viel herumtreibt, kommt man auf die wildesten Gedanken.
Ich denke, es ist eher ein Wunsch nach Entspannung und Frieden, in der Welt und mit mir, gerade jetzt, nach diesen zwei wilden Jahren.
Aber nach dem Schreiben des Artikels und heute, wo die Sonne so schön scheint, bin ich sehr, sehr zufrieden mit meinem Leben.
Schreiben ist definitiv auch therapeutisch bei mir ; )
Danke dir für deine Worte, alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi,
Ich verstehe absolut was du meinst! Seit liebe Freunde ans andere Ende der Welt ausgewandert sind (und auf fb, insta, … natürlich ausschließlich die tollen und sonnigen Seiten ihres neuen Lebens posten, haha ;-)), habe auch ich diese Gedanken immer wieder mal. Und zwar vorwiegend zwischen Mitte November und Ende Februar, denn bei mir ist es die dunkle, kalte Zeit, die mir echt zu schaffen macht. Und so wie du es beschreibst, ist es bei dir eben der ganze riesige Packen an To-Dos und Verantwortung, den du gerne mal abladen und zurücklassen würdest, oder?
In Zeiten, in denen uns alles mal zu viel wird, sehnen wir uns eben nach einem einfacheren, ruhigen Leben. Ich denke, das ist völlig normal! Und unsere Sehnsucht nach einem ruhigeren Leben wird eben in heilere, sonnige Anderswo-Welt projiziert (-Insta ist ja der optimale Kanal zur „Pflege“ solcher Sehnsüchte…)
Gönn dir vielleicht öfter mal Alltagsfluchten und Auszeiten, mach dir bewusst, dass wir unsere To-Do-Listen im Ausland genauso hätten (die helfenden Schwiegereltern jedoch nicht). Und mit beginnendem Frühling sieht das Gras auch daheim gleich wieder viel grüner aus, versprochen!
<3 Alles Liebe aus dem südlichen Nachbarland,
Julia
P.S. … und Himmel, ja, ich hab auch so Bock auf Urlaub!
Ich danke dir für deine Worte. Oh ja, ich glaube auch, dass meine Auswanderungssehnsucht im Winter weitaus größer sind, als im Sommer, wenn man hier vor lauter Wiesenduftbeinahe betrunken wird. Und ja, ich denke auch, dass da bei mir eigentlich bloß der Wunsch nach weniger To-dos und Pflichten steht. Die würde ich derzeit aber wohl überall hin mitnehmen.
Schön, hier zu sein.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudia,
ich bin zufällig hier gelandet, da ich mich viel mit dem auswandern befasse und der Text ist strukturiert und nachvollziehbar geschrieben.
Allerdings finde ich die Gedanken und Argumente (ausgenommen vom Job deines Mannes) nicht sehr aussagekräftig.
Das kann natürlich jeder sehen wie er will und jeder hat einfach andere Prinzipien.
Für mich klingt das eher nach Bequemlichkeit, man müsse ja etwas tun dafür, Zeit investieren und sich kümmern.
Aber das liegt dann bestimmt auch an der Wichtigkeit des Ziels/Traums…. wenn man etwas wirklich/unbedingt möchte, dann investiert man auch etwas dafür, wie zum Beispiel die Zeit oder den Aufwand.
Aus deinem Text lese ich heraus, dass das Bedürfnis oder der Wunsch nach dem auswandern dann nicht so hoch ist, was ja auch völlig in Ordnung und Legitim ist.
Allerdings finde ich es schade, dieses Thema dann so erschwerend darzustellen.
Hallo Dominik, danke für deine Rückmeldung.
Allerdings geht es hier ja genau darum: Um das Darüber-Nachdenken.
Das hier ist weder ein Artikel, um Lust auf Auswandern zu machen, noch Tipps zu geben, noch soll er raten, es nicht zu tun.
Hier geht es einzig um allein um meine Gedanken dazu. Dass ich die deiner Meinung nach strukturiert aufgeschrieben habe, freut mich natürlich sehr.
Und ganz ehrlich, ganz sicher bin ich natürlich nicht, was für uns am Besten wäre.
Ansonsten würde ich ja nicht so viel drüber nachdenken.
Alles Liebe,
Claudi
Hallo Claudia, ich bin ganz zufällig hier gelandet, kannte Deinen Blog noch gar nicht. Ich reise (in normalen Zeiten) auch ganz viel. Ich liebe es, fremde Länder kennenzulernen. Aber ich habe unter den vielen Ländern, die ich schon bereist habe, keines gefunden, von dem ich sagen würde: Hierhin würde ich gern auswandern. Die Vorteile, die ein Leben in Deutschland bietet, überwiegen für mich nach wie vor: sauberes Trinkwasser aus der Leitung, gute Krankenversorgung, gemäßigtes Klima, keine tödlichen Insekten, Menschen, deren Mentalität man versteht, Demokratie … Für ein paar Wochen auf Reisen auf etwas oder vieles davon zu verzichten, ist okay und spannend. Aber auf Dauer bin ich glaube ich zu “deutsch”, um mich woanders wirklich wohlzufühlen.
Liebe Claudi,
tatsächlich empfinde ich genau das Gegenteil. Ich hab das Gefühl, dass uns hier Jahr um Jahr, Monat um Monat immer weniger hält. Weil eben wirklich viele enge Freunde weggehen und das Netz nach und nach löchrig wird. Meine Familie würde ich unendlich vermissen aber auch jetzt schon wohnen wir eine Stunde entfernt, was sich manchmal gerade in Zeiten von Corona sehr weit weg anfühlt.
Außerdem gibt es glaub auch einfach viele Familien und dazu zähle ich uns, für die Deutschland einfach sehr teuer ist und gefühlt immer unerschwinglicher wird. Wir können uns trotz zwei Vollzeitjobs keinen tollen Urlaub leisten, können uns kein Auto leisten und sind immer am kämpfen. Hinzu kommt, dass mein Mann aus einem afrikanischen Land stammt und so zieht es uns immer mehr in seine Heimat, wo wir mit weniger als der Hälfte des Geldes deutlich besser klarkommen.
Deutschland schafft es immer mehr einkommensschwächere Familien mürbe zu machen. Weil man mit dem Lebensstil der als “normal” gilt nicht mehr mithalten kann ohne sich kaputt zu arbeiten, zumindest wenn man im Niedriglohn-Sektor angesiedelt ist. Daher fühlt es sich gar nicht so sehr nach einer freien Entscheidung an, sondern viel mehr nach einem rausgedrängt werden.
Nur um hier noch eine etwas andere Perspektive aufzuzeigen.
Ich freue mich, darauf dass wir hoffentlich ganz bald in der Heimat meines Mannes für weniger Geld mehr Leben bekommen, weil wir mehr Zeit für uns und die Kinder haben und uns nicht kaputt arbeiten müssen.
Ich freue mich aber für dich, dass ihr es euch so gemütlich gemacht habt und das so sehr hier genießen könnt! Glaub mir, da kannst du deinem Bauch vertrauen, wenn es sich hier so gut anfühlt, dann darf das doch auch einfach noch eine Weile so bleiben!
Ganz liebe Grüße
Lena
Liebe Lena, danke für deine Geschichte! Ich wünsche dir alles Gute!
Claudi
Tjaaaa, nicht so einfach…Ich kann deine Gedanken zu hundert Prozent nachvollziehen. Allerdings muss man sich einfach fragen, warum so viele momentan den Wunsch nach Veränderung haben. Mir geht es schon lange so, nur mein Mann ist nicht so amused darüber. Und weil ich ihn mehr liebe als den Wunsch auszuwandern, bleibe ich halt hier. Aber in mir drin wird der Wunsch trotzdem immer “dicker”. Es hält mich tatsächlich NICHTS in Deutschland, ich bin sogar ziemlich enttäuscht von dem Land, der Politik, von vielem. Wir sind seit 22 Jahren selbstständig und machen eigentlich nichts als arbeiten, war zu diversen Burnouts, Hörstürzen und Krisen geführt hat. Immer wenn man mal dachte, jetzt wird es ruhiger, wurde das doch wieder nix. In einem Urlaub in Dänemark haben wir uns mit einem Angestellten eines Möbelhauses lange unterhalten über sein Gehalt, das Leben in Dänemark und wir dachten danach nur: “der war die beste Werbung für sein Land”. Wieviel einfacher es dort doch ist, mit Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen und zurecht zu kommen.
Ich möchte jetzt nicht nach Dänemark auswandern, aber es gibt einige Länder auf der Welt, in denen sich Leben sicherlich leichter anfühlt als hier. Das Procedere bis dahin ist bestimmt ein Kraftakt und kein Spaziergang. Aber ich denke, es lohnt sich, es wenigstens einmal auszuprobieren, bevor man den Wunsch einfach begräbt.
Mein Auswanderwunsch hat allerdings auch nichts mit “in der Sonne liegen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen” zu tun. Ich stehe auch gar nicht auf leichtfertige Auswander-Geschichten, auf naives Wunschdenken. Gut vorbereitet, gut recherchiert, mit Job in der Tasche und mit einem echten Plan denke ich aber, es ist eine Alternative zu einem Leben in Deutschland, das an einem Punkt angekommen ist, wo Änderung ganz laut HIER schreit.
Ich finde, das klingt tatsächlich sehr überlegt.
Ich bin gespannt, für was du/ihr euch entscheidet.
Alles Liebe,
Claudi