Die Sache, die mir während des Kochbuchprojekts in unter einer Sekunde Schweißtropfen auf die Stirn perlen konnte, war die übliche Frage meiner Kinder am späten Nachmittag. “Was gibt’s heute Abend zu essen?” In mir drin fing es damit auf Knopfdruck an zu brodeln: Hektik, Stress, Panik und Unlust brodelten hoch, nicht selten kochte ich über: “Brot, man!”, stöhnte ich. Oder: “Tiefkühlpizza!” Sie maulten und ich gestehe: Ich steckte in einer echten Kochkrise. Ausgerechnet! Statt Schreibkrise hatte ich Schmorkrise…

Dabei hatte vor über einem Jahr alles ganz entspannt mit einer guten Idee begonnen. “Wäre es nicht toll”, überlegten Grafikerin (und meine Nachbarin) Claudia Obertaxer und ich bei einem Kaffee, “wenn wir nochmal ein Kochbuch zusammen machen würden?” Das letzte war lange genug her und wie beim Kinderkriegen hatten wir die Schmerzen seiner Geburt längst vergessen. Inzwischen stand “Barfuß in der Küche” hübsch dreijährig im Regal herum. Wir blätterten immer wieder stolz darin, kochten regelmäßig danach. Betrachteten es voller Liebe.

“Urlaubsrezepte!”, schlug ich vor und grinste mit geschlossenen Augen in die Sonne. “Das wär’s doch! Schnelle für unterwegs!!! Und welche, mit denen man sich das Urlaubsgefühl nach Hause kochen kann.“ Claudia nickte aufgeregt. Ich auch. “Dazu Geschichten von unseren Reisen. Ganz viele Tipps…” Ihre Augen funkelten. “Eine coole Optik, die überrascht“, rief Claudia, „die einem sofort Urlaubslaune macht.” Uns war ganz warm geworden. Wir sonnten uns in unserer guten Idee, zwei Claudias auf Cookingcrack. André rechnete am Abend alles sachlich durch – und gab sein Go.

Verrückt, wie schnell und unkompliziert ich mitten drin steckte in einem neuen Großprojekt.

Am Anfang dachte ich noch, dass ich dieses Mal alles besser machen würde. Organisierter, strukturierter, hey, schließlich war ich doch nach “Barfuß in der Küche” und “Polly und Pelle in der Küche” ein Profi. Ich ging ganz früh auf Rezept-Recherche, überlegte, was ich gern kochte, welche unserer Lieblingsrezepte unbedingt mit ins Buch mussten, schrieb viele zum ersten Mal auf. Kramte im Kopf, welche Rezepte von Freunden und Familie ich unbedingt abstauben wollte.

Ich durchwühlte meine wilde Reiseküchenkladde. Darin sammele ich Rezepte von unterwegs, mal auf einen Bierdeckel notiert, mal bloß als Foto zur Erinnerung. Auch einen Ausriss aus einem niederländischen Supermarktmagazin gibt’s darin, handgeschriebene Karopapierzettel oder ausgedruckte Handynotizen. Ich bekochte meine Familie mit den ausgewählten Rezepten, immer und immer wieder. Manche Gerichte fielen knallhart in dieser Runde raus.

Einer meiner Söhne war so sehr im Testesser-Modus, der rief nach einer Portion Not-Miracoli: “Kann ins Kochbuch!”

Wir mussten oft sehr, sehr viel lachen beim Abendbrot. Auch die Shootings waren wild, aber meistens super lustig. Um unserem Stil treu zu bleiben, heuerte ich dasselbe Team von Kochbuch 1 und 2 an: Ilona Habben für die Fotos und Anne Beckwilm für das Styling. Weil Anne zum Ende hin ausgebucht war, kam noch Stylistin Lena Haunstetter dazu.

Warum ich nicht einfach alles selbst mache, wie viele Kollegen bei ihren Büchern? Weil ich Texterin bin und weder besonders gut fotografieren, noch appetitlich stylen kann. Außerdem bin ich an Shootingtagen voll und ganz damit ausgelastet, all meine Gerichte zu kochen und super froh, dass da immer noch vier Augen mehr drauf gucken. Neben den Food-Shootings hatten wir noch zwei Outdoor-Shootings, unter anderem ein Shooting am Meer, für echte Urlaubsgefühle.

Den Titel und ein paar andere Bilder haben wir in Dahme, am Strand vor unserer liebsten Surfschule fotografiert. Was haben wir gelacht, als ich nach Ilonas Anweisung “was Lustiges mit dem rosa Topf“ gemacht habe… Hinterher stießn wir mit einer Runde Caipi an. „It‘s a wrap!“ rufen zu können, also „Alles im Kasten!“ ist ein wahnsinnig gutes Gefühl.

Ganz unter uns: Unser Coverfoto ist dennoch eine gephotoshoppte Version aus mehreren Bildern. Gegen Abend gab es nämlich einfach kein Bild mehr, auf denen wir sechs, das Meer, der Sand, der Wind und der Kohl gemeinsam gut aussahen. Ha, ha!

Ganz viele Behind-the-Scenes Momente könnt ihr euch im Kochbuch-Highlight bei Instagram ansehen und hier lesen. Das tolle Auto aus dem Buch gehört dem Erdbeerhof in Börnsen bei uns in der Nähe. Die super nette Familie war so nett und hat ihn uns für die Fotos geliehen (unser Caddy war mir nämlich zu langweilig.)


Elf bis dreizehn Gerichte haben wir an jedem der zehn Shootingtage fotografiert. Das ist wahnsinnig viel und es funktioniert nur, weil wir es im Team machen. Während ich also in der Küche herumrase und versuche, nach und nach auf den Punkt alles fertig zu stellen, bauten Ilona und die Stylistin schon die Sets auf. Verrückterweise haben wir bei diesem Kochbuch fast alle Gerichte an genau einer Stelle bei uns im Wohnzimmer fotografiert. Auf einem Gartentisch oder auf einem Fotountergrund auf dem Boden, mit natürlichem Licht von einer Seite. Ist es nicht verrückt, dass die über 100 unterschiedlichen Stimmungen und Welten auf den Fotos im Buch nur dank unterschiedlicher Untergründe und Requisiten erschaffen wurden?

Die Tatsache, dass man auf Papier eine ganz eigene, sinnliche Welt erschaffen kann, die man riechen, fühlen, hören und natürlich schmecken kann, das ist für mich das Schönste am Kochbuch machen.

Einmal hatten wir ewig an einem Aufbau herumgefummelt. Der Dampf war längst längst weg, die Soße wurde bereits zäh, die Kartoffeln setzten dunkelgelbe Stellen an. Als wir dachten, endlich das perfekte Foto zu haben, zoomte Ilona das Bild auf dem Kontrollbildschirm heran und wir kreischten: Eine Fliege saß mitten auf dem Braten!

So ein riesiges Buchprojekt ohne Verlag herauszubringen, dringt ganz tief ein ins Familienleben. Die Kinder liefen hier immer herum, schauten uns über die Schulter, probierten, aßen begeistert die fertig fotografierten Gerichte auf. Aber: Mein „Hungrig am Strand“ hat mich wirklich an meine, hat uns als Familie, an unsere Grenzen gebracht. So ein Projekt mit einem Mini-Team zu rocken, ist Wahnsinn. Dieses Mal aber ganz besonders wahnsinnig. Weil ich es nämlich noch toller haben wollte. Weil wirklich alle guten Ideen hinein sollten. Weil noch so viel anderes los war auf meinem Schreibtisch. Weil so viel drückt und mich bedrückt. Dazu die Papierkrise, steigende Energiepreise, Krieg, Inflation.

Ich kann gar nicht zählen, wie oft irgendjemand anrief und meinte: „Wird übrigens teurer.“

Ich fragte jedes Mal leise: „Wie viel?“ „Siebentausend!“, antwortete die Stimmte am Telefon. Ich schlug mir immer wieder mit der Hand vor die Augen. Schrecklich, mit was für Summen man plötzlich hantiert. Und nein, ohne die Hilfe unserer Familien hätten wir es dieses Mal nicht geschafft. Dieses Projekt ist ein Mittelklassewagen. Dieses Buch hat mir verdammt viele Sorgenfalten gemacht. Nüchtern betrachtet: Über ein Jahr Produktionszeit, monatelanges Testkochen, wochenlange Recherche und Schreibzeit, über 2400 Fotos. Dazu 16 liebevoll illustrierte Karten, plus die Fülle an Ideen als riesengroße Herausforderung für die Grafik.

Mehrmals wollte ich abbrechen, aber da steckten wir schon zu tief drin. Mittendrin in Chaos und Überforderung immer meine vier Kinder, die in diesem Jahr definitiv zu kurz kamen – die aber sowas von zusammen gewachsen sind. Jetzt sollte “Hungrig am Strand” nächste Woche hier per LKW auf den Hof fahren, ihr könnt es hier vorbestellen. Mit dem Kauf des Buches unterstützt ihr nicht bloß dieses Projekt, sondern auch unsere gesamte Arbeit hier auf dem Blog. Und wenn ihr direkt bei uns im Shop bestellt, ist das so viel besser für uns als beim großen A. Und wir versenden Bücher auch versandkostenfrei.

Denn ganz ehrlich: Bei einem Verlag hätte dieses Buch keine Chance gehabt.

Thematisch viel zu gemischt, viel zu viele Themen auf einmal. Die Verlagsvetreter wüssten nicht, was unser Buch für ein Buch ist, in welche Schublade sie es stecken sollten: Kochbuch? Roman? Reiseführer? Sachbuch? Hardcover-Magazin? Es ist einfach alles. Und es ist so sehr WAS FÜR MICH. Ich liebe die bunte Mischung!

Als Claudia und ich, wieder auf der Terrasse, aber ein ganzes Jahr später das Layout besprachen, uns langsam annäherten, an das, was uns optisch umhaute, was uns Gänsehaut machte, da prickelte es wieder. So ein Gesamtkunstwerk zu erschaffen macht glücklich.

Es hat verdammt viel gekribbelt, gekocht und gebrannt bei diesem Buch.

Ich freue mich wahnsinnig darauf, “Hungrig am Strand” endlich in den Händen zu halten. Aber ich sage es auch ganz ehrlich: Ich habe riesengroßen Bammel. Ob alles klappt, ob die Bindung hält, der Laster nicht vom Deich fällt, der Druck nicht schief ist. Ob wir keinen fetten Fehler übersehen haben. Ob die Menschen da draußen in so verrückten Zeiten wie diesen Geld für ein Buch, für mein Buch, ausgeben.

Aber jedes Mal wenn ich den Probedruck hier durchblättere, muss ich lächeln. Mit tiefem Seufzer und feuchten Augen. Total kitschig, ich weiß. Aber oh Gott, was war das für eine schwere Buchgeburt.

Claudi