Ich habe den Film “Als du mich sahst” auf Prime gesehen und fand ihn toll. Herzschmerzig, schön, bauchkribbelig. Perfekte “Good-feel-Film-Pille” im anstrengenden Alltag. Und dennoch denke ich immer mehr darüber nach, was für eine schöne Chance da verspielt wurde…

Die Buchvorlage, die ich vorher gelesen habe, fand ich echt gut: Solène ist geschieden, hat eine 13jährige Tochter und geht in ihrem Job als Galeristin auf. Durch Zufall lernt sie Hayes kennen, Star einer weltbekannten Boyband. Die beiden verlieben sich und starten eine Beziehung. Erst heimlich, dann immer öffentlicher. Der Film unterscheidet sich sehr vom Buch… (Achtung, der folgende Text enthält Spoiler).

Schade-Punkt 1: Anne Hathaway ist bildschön, ist 40, sieht aber im Film nicht aus wie 40.

Kann Zufall sein, an der guten Kamera liegen. Und daran, dass sie einfach sensationell hübsch ist. Wir kennen alle Momente und Lichtverhältnisse, in denen wir einfach besser aussehen. Aber in der Dauer des Films fühlt es sich schon so an, als hätte jemand die ganze Zeit einen Paris Filter drüber gewischt. Ihr wisst schon, die Funktion bei Insta: Einmal in der Story nach links wischen und schon ist man ein wenig glatter. Nur ein bisschen glatter.

Ich bin hin und hergerissen. Ich meine, sie ist 40, sie ist wunderschön, sympathisch, hinreißend. Und klar romanze ich mich gern mir ihr weg. Und ja, auch 20jährige sehen in Hollywood anders aus als echte 20jährige. Aber ich glaube, sie wäre auch mit sichtbaren Fältchen schön gewesen.

Zum Ende, so scheint es mir, sieht man mehr von ihrem wahren Gesicht.

Eine Szene hat mich besonders gestört. Denn wie sie sich am Pool für ihren Körper vor den jungen Mädchen schämt, ist ungewollt komisch, weil sie einfach die heißeste ist. Ist die Botschaft des Films also nicht: Ein jüngerer Mann kann sich in dich verlieben, aber nur wenn man dir dein Alter nicht ansieht? Automatisch, vielleicht unterbewusst, folgen Gedanken wie: Ich brauche Seren, Botox, Straffungen. Ich denke, es wäre eine Chance gewesen, auf ästhetische Weise Haut mit Fältchen, Orangenhaut und schlaffere Brüste auf der großen Leinwand zu zeigen, und damit nach und nach zu erreichen, dass wir aufhören, nur Jungsein attraktiv zu finden.

Weil wir uns damit unter Druck setzen und so viel Lebensfreude nehmen. Weil wir eben alle viel schneller als gedacht nicht mehr 20 sind, sondern 40. Weil es ein Glück ist, 40 zu werden. Und weil man gefühlt viel länger runzlig, als glatt ist.

Schade-Punkt 2: Im Buch geht Solène total auf in ihrem Job als Galeristin. Sie ist ehrgeizig, erinnert Hayes immer wieder daran, dass ihr Job ihr wichtig ist (genauso wichtig wie seiner, auch wenn er Popstar ist). Im Film fliegt sie ohne zu zögern mit ihm um die Welt, nachdem er die komplette Ausstellung in ihrem Laden gekauft hat. Ihre Leidenschaft für die Galerie, für ihre Arbeit kommt im Film nicht wirklich rüber. Schade um das Vorbild.

Schade Punkt 3: Im Film ist Solénes Tochter schnodderige 16 statt unsichere 13 wie im Buch.

Und sie ist schon lange nicht mehr Fan der Boyband. Damit löst sich Solènes Hauptkonflikt auf. Dabei fand ich diese Zerrissenheit zwischen Muttersein und Leidenschaft gerade so spannend. Die gibt’s ja auch ohne Popstar.

Überhaupt Leidenschaft. Noch eine Schadepunkt. Im Buch gibt es viel Sex, zärtlichen, aber auch harten, und ich fand es gut und spannend, eine Mutter sowas erleben zu lassen. Ich gebe zu, würde der Film das zeigen, wäre es wohl ein Porno geworden, dennoch finde ich es schade, dass dieses Entdecken von Sinnlichkeit kein wirkliches Thema ist und Hayes im Film zum braven Schwiegermuttertyp wird. Er hatte so viel mehr Facetten im Buch.

Ein letzter Schade-Punkt, den ich Hollywood aber vielleicht verzeihe: Im Gegensatz zum Film hat das Buch kein Happy-end, dafür den allerschönsten letzten Satz überhaupt. Ich liebe diese Plotidee. Dennoch habe ich mich ein bisschen über das alternative Film-Ende gefreut. Hat meiner Seele gut getan.

Hast du den Film schon gesehen? Das Buch gelesen? Was denkst du?

PS. Der Film “Als du mich sahst”, im Original “The idea of you”, läuft bei Prime.

PPS. Lasst uns doch mal sammeln: Kennst du romantische Filme, in denen Vierzigjährige aussehen wie vierzig? Ich habe “Königin” entdeckt, der ein ähnliches Thema behandelt, aber offensichtlich nicht romantisch ist, sondern sehr viel skandinavischer damit umgeht. (Werde ich nach einer kleinen Schmachtpause ansehen).

PPPS: Gefällt dir WAS FÜR MICH und liest du hier regelmäßig mit? Dann freuen wir uns sehr über ein freiwilliges Steady-Abo, das es uns möglich macht, hier auch weiterhin (fast) jeden Werktag einen Artikel zu posten. Hier kannst du für den Preis eines Latte Macchiatos im Monat ein Abo abschließen. Wir sagen von Herzen Danke!

Alles Liebe,

Claudi