Ich weiß nicht, ob ihr auch schon den zweiten Teil von Pixars “Alles steht Kopf” gesehen habt? Ganz großes Gefühlskino, also buchstäblich. Denn die Hauptdarsteller sind die Gefühle von Freude bis Wut, die in der Kommandozentrale, sprich: im Kopf, das Leben des Mädchens Riley steuern. In das plötzlich die Pubertät einbricht – und mit ihr neue Emotionen, die die Schaltzentrale unter ihre Kontrolle bringen. Mit dabei: Ennui – die coole Langeweile, die endgenervt alle anderen Gefühle torpediert. Und im Kino ging mir plötzlich auf: Bei uns ist Ennui auch schon eingezogen…
Scheint, als wäre die Kommandozentrale meines Kindes früher als üblich gekapert worden, immerhin ist es erst knapp neun – aber Vorpubertät ist mittlerweile offenbar ein überaus dehnbarer Zeitraum.
Hier werden jedenfalls gerade dauernd die Augen verdreht und betont entnervt Vorschläge als kindisch, voll öde, laaaaangweilig abgetan.
Und ich muss meist fast ein wenig lachen, weil es so offensichtlich das Ringen mit einer neuen Haltung ist, die sich mein Kind wie eine viel zu große Jacke übergeworfen hat. War ich auch so? Vermutlich hatten meine Eltern damals ebenfalls ihren Spaß mit mir.
Wobei: Ausschließlich lustig ist es nicht – das bringt die (Prä-)Pubertät wohl so mit sich. Denn Ennui hat ganz klar separatistische Tendenzen, die einen Fünfer-Familienalltag oft in Schieflage bringen. Weil es plötzlich total uncool ist, auf das tolle Kindermusik-Festival zu gehen, für das ich bereits vor Monaten teure Tickets besorgt hatte. Weil es inakzeptabel ist, den brandneuen Blumenrock zu tragen, der gestern noch der sehnlichste Wunsch war. Und weil es so verdammt lahm ist, etwas mit seinem jüngeren Bruder zu unternehmen.
Auch wenn Ennui die Neue ist – wenn sie gerade das Sagen hat, stehen alle anderen hinten an.
Ähnlich wie CRO trägt sie eine prägnante Maske zur Schau: Einen irgendwie blasierten Gesichtsausdruck, bar jeglicher freundlicher oder zugewandter Gefühlsäußerungen. Ein verächtliches Zucken der Mundwinkel, eine betont provokant gehobene Augenbraue sind das Maximum an Regung – und sprechen dennoch Bände. Meistens lese ich so etwas wie “Seid ihr alle peinlich/schwer von Begriff/eine Zumutung” daraus heraus. Ältere Kinder sind leichter zu handeln? Von wegen!
Immerhin mischt kindliche Freude auch immer noch in der Schaltzentrale mit, wenn Ennui vor lauter Gelangweiltsein einfach wegdämmert. Dann hebt sich die ich-bin-so-dermaßen-angeödet-Maske und darunter kommt wieder mein Kind zum Vorschein, das lacht und streitet und wütet, was mir alles irgendwie lieber ist als diese Mauer, die Ennui um sich hochzieht. Und ich fürchte, je älter das Kind wird, je näher es der echten Pubertät kommt, desto wehrhafter wird dieser Wall. Gerade ist er noch im Rohbau.
Ich erinnere mich noch dunkel daran, dass es auch bei mir eine Weile sehr en vogue war, alles total uncool zu finden.
Aber auch, dass es ziemlich anstrengend gewesen ist, weil man so viel unterdrücken musste. Wenn man abschätzig guckt, dann kann man nicht mal grinsen. Das würde alles zunichtemachen. Und das Leben auf Dauer ziemlich farblos. Insofern hoffe ich, dass Ennui sich nicht als Dauergast häuslich einrichtet. Sondern immer eher auf Stippvisite vorbeischaut. Hier ist übrigens der Trailer von “Alles steht Kopf 2”.
Welche Gefühle haben bei euren Kindern gerade das Sagen…?
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Bild: Shutterstock
Alles Liebe,
Hallo, ich erinnere mich gut daran, dass ich es nie nachvollziehen konnte, warum manche alles mögliche langweilig fanden… Ich bin dann öfter mal alleine im Dorf mit dem Fahrrad rumgebrettert oder habe mir mit den noch kindischeren Jungs im Freibad Wasserkämpfe geliefert… mich fanden dann wohl etliche Mädels in meinem Alter sehr merkwürdig. Aber irgendwie habe und hatte ich immer zuviel Energie, als mich gelangweilt auf mein Bett zu setzen. Offensichtlich war mein Mann genauso (habe ihn erst Anfang 20 kennengelernt), denn unser 13 jähriger hat eine schier unerschöpfliche Energie, jede Beschäftigung ist ihm lieber als Langeweile! Er nervt sogar seine 11 jährige Schwester damit, wenn sie einfach mal in Ruhe in ihrem Zimmer werkeln möchte. Und ihn nerven seine Freunde, wenn sie einfach nur rumgammeln wollen. Eigentlich sitzt er nur mal, wenn er das Handy in der Hand hat (im Urlaub, 3 Wochen, hatte er es vergessen zu Hause). Mir war himmelangst im Zug zum Flieger, doch es war keine Zeit mehr zum Umkehren… Erstaunlicherweise war der Urlaub doch entspannt, nah gut, wir hatten auch volles Programm. Manchmal tut mir glatt unsere 11jährige leid, weil sie 3 so aufregende Familienmitglieder hat und sie selber gerne mal rumgammeln würde. Bestimmt bekommt sie in der nächsten Zeit mal Besuch von Ennui… Mal sehen, wie wir diese dann in unseren Familienalltag einbauen (ich könnte ja lesen, während sie der Langeweile fröhnt)! Wie das bei meinem Sohn mal wird, ich bin gespannt, ob er mal einfach nur seine Ruhe haben möchte (und ich etwas bekomme ;-)). Ich frage mich auch immer, ob mir so ein wenig Ennui mal gut tun könnte, aber irgendwie begeistert mich immerzu irgendwas…
Hej liebe Kathrin, ich meine tatsächlich auch nicht die Rumhänge-Langeweile, sondern Langeweile als Haltung. Mein Kind hat eigemtlich auch ausreichend Energie, aber gerade ist es als Vorgriff auf die Pubertät eben irgendwie cool, dauernd von allem angeödet zu sein 😉 Das hat gar nichts unbedingt damit zu tun, keine anderen Ideen oder Hummeln zu haben – es ist einfach eine Attitüde, die gerade ausprobiert wird. Aber wie spannend, dass ihr so eine Duracell-Familie seid! Ich beneide dich ein wenig um den 13-Jährigen, der einfach mal so sein handy vergisst. Würde ich mir hier auch öfters wünschen 😉 Alles Liebe, wie schön, von dir zu lesen, Katia
Achso, alles Kinderkram und so… die gerollten Augen und das einzigartige Seufzen kenne ich vom Dreizehnjährigen ziemlich gut! Ich muss ehrlich gesagt immer lachen!
Ich auch! Also lachen. Bis es dann zu nervig wird 😉