Auch wenn es gerade ziemlich unpopulär ist: Lasst uns einfach froh und dankbar für unser Leben sein. Ja, die Inflation hat uns alle am Arsch, die Energiepreise machen uns fertig, in Europa tobt nach wie vor ein Krieg und dann ist auch noch die Leichtigkeit des Sommers vorbei. Trotzdem: Wir haben es doch gut. Haben ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, sind gesund – und ins Kino kommen wir auch gelegentlich mal. Ist es nicht genau das, was wirklich zählt? Vielleicht ist es Zeit, sich mal wieder auf die Basics zu besinnen…

Natürlich fällt mir das auch nicht immer leicht – im Gegenteil: Wir haben dieses Jahr bereits den zweiten Urlaub gecancelt, auf den ich mich sehr gefreut hatte. Weil eben gerade alles verdammt knapp ist. Ich überlege gerade eher drei- als zweimal, ob eine Anschaffung für Haus oder Garten wirklich nötig ist, ob ich den dreifachen Satz Wintersachen nicht irgendwo gebraucht günstiger bekomme. Aber das versaut mir nicht mein Leben. Das ist kein Grund, permanent mit Merkel-Mundwinkeln durch die Gegend zu rennen. Oder mich lauthals zu beklagen. Mir geht es trotzdem gut.

Trotzdem ist gerade mein Wort der Stunde.

Ich mag mein Leben trotzdem. Obwohl ich lieber weniger Sorgen hätte, global und ganz banal privat. Obwohl ich mir lieber keine Gedanken ums Klima und die Zukunft unserer Kinder machen würde. Trotzdem bin ich dankbar – für mein Leben, für das meiner Familie. Für die relative Sicherheit unseres Daseins. Das nämlich verdammt fragil ist. Ich ziehe meinen Hut vor allen, die gerade durch wirklich Existenzielles müssen. Akute Armut, Krankheit, Einsamkeit, Krieg. Das sind die, die allen Grund dazu haben, sich zu beklagen. 

In der Fußballmannschaft meines Sohnes spielt seit kurzem ein Junge mit, der mit seiner Mutter aus der Ukraine geflüchtet ist. Der kaum ein Wort Deutsch spricht, sich an der Schule und auf dem Platz nur rudimentär verständigen kann. Der auf die Gunst anderer angewiesen ist. Der nicht weiß, wie es Verwandten und Freunden ergeht. Der nicht weiß, ob er jemals in seine Heimat zurückkehren kann. Und ob davon dann noch etwas übrig ist. Der auf eine leise, unaufdringliche Art zu erkennen gibt, was er alles in seinem jungen Leben schon durchgemacht hat. Und der nur dann aufblüht, wenn er mit den anderen Jungs unbeschwert zwei Stunden kicken kann. Das sind Momente, die mich demütig machen.

Vielleicht haben wir alle im Laufe der letzten Jahre das Maß verloren. Für das, was wirklich wichtig ist – und was eben nicht.

“Nice to have” ist nichts Lebensnotwendiges. Das war mir selten so bewusst wie kürzlich, als ich in der Hamburger Innenstadt eine Stunde Zeit überbrücken musste und ziellos durch diverse Geschäfte streifte. H&M Home, Maisons du Monde, Søestrene Grene, Depot – und überall gab es das gleiche. Ich wusste gar nicht, dass man Überfluss geradezu körperlich spüren kann.

Versteht mich nicht falsch: Auch ich arrangiere gerne hübsche Dinge um mich herum, bin ein Interior-Fan (wenn auch ohne außergewöhnliches Talent) und mache mir Gedanken um meine Outfits. Aber es ist nicht das, was am Ende oder überhaupt im Leben zählt. Es ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass wir eben keine existenziellen Nöte und Sorgen haben. Dass wir allen Grund haben, unser Leben zu lieben, wie es gerade ist, selbst wenn wir derzeit Abstriche machen müssen. Denn sobald etwas wirklich Einschneidendes in unserem Leben passiert, hat all das schlagartig keine Bedeutung mehr.

Insofern: Ich bin gerade froh, trotz all der Dinge, die uns das Leben schwer machen.

Nicht, dass ich jeden Tag mit einem “Hurra!” auf den Lippen aus dem Bett springen würde, aber ich bin mir gerade wieder sehr bewusst, wie priveligiert wir sind. Wir leben ein gutes Leben, das trotz aller Ärgernisse nicht aus den Fugen gerät. Ich bin froh über jedes meiner unglaublich lebendigen Kinder, über meinen Mann, der mein Fels in der Brandung ist, über unser Haus, das uns eine Heimat ist. Ich bin froh über all die guten Menschen in unserem Leben, darüber, dass wir als Familie zusammen sind und gemeinsam schöne Dinge erleben dürfen. Und an den nahenden Winter gewöhne ich mich auch noch.

Hand aufs Herz: Ist euch gerade bewusst, wie gut es euch trotzdem geht – oder ertappt ihr euch derzeit eher beim Meckern über das Leben?

Alles Liebe,

Katia