Ich wundere mich über die quietschgrünen Blätter der Rose im Dezember, als ich die Schleife an die Haustür hänge. Dabei ist es kalt geworden, leider kein Schnee, Regen. Das Terrassenholz rutschig. Die Sonne blinzelt, lässt meine Schleife leuchten. Ich hätte gern eine große aus Baumwolle gehabt, wie ich auf Instagram gesehen habe. Aber die waren mir zu teuer. Kaum öffne ich die Tür, sehe ich Chaos…

Der November ist für viele ein trüber Monat. Ein wenig langweilig vielleicht sogar (bitte mal hier rufen, wenn das so ist?). Einmal Luftholen für den BlingBling-Dezember wär schön. Für alle Shop-Inhaber und Conten Creator ist der Monat der anstrengendste überhaupt. Denn jetzt gibt’s die meisten Jobs.

Endlich mal wieder Werbebuchungen, was mich freut, aber stresst. Ich werde bis in alle Ewigkeit noch aufgeregt vor einer Storyaufnahme sein. Überall Produkte, die Arbeit wohnt mit.

Auch in unserem Shop ist die wichtigste Zeit. Jetzt  stört mich besonders, dass er kein bisschen so ist, wie ich ihn gern hätte. Außer die schönen Produkte.

Unser Flur, das Wohnzimmer, unser Schlafzimmer sind auch Lager. Neue Tücher, Rücksendungen, Produktsamples. Rollen von Verpackungsmaterial, Produkte, die fotografiert werden müssen. Puh.

Zwei Absätze über die Vorweihnachtszeit bei uns, aber noch kein Satz über die Kinder.

Dabei sind die natürlich auch noch da. Und wie. Aber es hat sich verändert. Wenn ich heute nach hause komme, höre ich sie nicht als erstes, ich sehe ihre Schuhe. Teilweise lang wie mein Unterarm, überall. Dann ein paar Jacken auf dem Boden, Sportbeutel.

Meist höre ich gleich danach Tiktoksounds.

In der Küche riesige Haufen mit Schulbüchern, der Kühlschrank voller Klausurentermine.  Nicht nur für uns sind der November und Dezember wilde Monate, auch für sie. Als wäre es nicht ohnehin schon wild genug. Vorweihnachtszeit ist Klausurenzeit.

Warum lernen Kinder in der Schule nicht, wie man sich auf eine Klausur vorbereitet? Und warum lerne ich nicht, dass die Vorweihnachtszeit mir vier Kindern nicht so romantisch ist, wie in einer Netflix-RomCom? Nicht wenn sie klein sind, aber schon gar nicht, wenn sie größer werden. Und vielleicht sollte ich mich endlich damit abfinden, dass in meinem Job eine entspannte Adventszeit nicht möglich ist. Im Januar dann vielleicht, wenn alle digital detoxen.

Lassen wir uns nicht länger einreden, dass alles geht: Vollpower im Job, ein perfekt dekoriertes Haus, lecker gekochtes Essen und Selbstgebackenes, entspannte Zeit mit den Kindern, schick Ausgehen mit Freunden, Sport nicht vernachlässigen und sich feierlich fühlen? Keine Chance!

Im Nachhinein war es einfacher, in Weihnachtsstimmung zu kommen, als die Kinder noch in jahreszeitlich organisierten Institutionen waren. Kleinkindzeit spricht alle Sinne an. Jetzt liegt es an mir, den Zauber aufrecht zu halten. Oder lag es das immer und ich packe bloß die Erinnerung in Funkelfolie?

Es scheint an der Zeit zu sein, an manchem festzuhalten und anderes gehen zu lassen. Backen wir noch gemeinsam, oder bestehe ich nicht drauf? Kaum möglich, einen Nachmittag zu finden, an dem alle hier sind!

Mache ich das Lebkuchenhaus nur mit einem Kind oder stelle ich jetzt die Weichen, dass wir das vielleicht auch noch zusammen machen, wenn sie zwanzig sind?

Auf jeden Fall fange ich endlich an zu lernen, dass neue bunte Weihnachtsteller oder der ganze Konsumkram einen nicht zwangsläufig in Weihnachtsstimmung bringen. Dass man Teller oder neue Kugeln vielleicht nächstes Jahr schon wieder vergessen hat. Oder nicht mehr mag. Und sie deshalb vielleicht lieber gar nicht erst kauft.

Dafür freue ich mich seit Jahren mal wieder auf das Basteln in der Grundschule. Weil die Bastelmale bald gezählt sind, vermutlich. Weil Endspurt.

Es ist nicht leicht, sich festlich zu fühlen, wenn vor allem die To-do-Liste funkelt.

Daher übe ich mich darin, die kleinen Weihnachtsdinge zu feiern: Der Zimtstaub auf meinem knisternden Milchschaum. Eine besondere Tasse, eine flackernde Duftkerze beim Arbeiten, das Wald-Duschzeug unter der Dusche, unser Samstag Abend mit Freunden und Kekshörnchen vor dem Kamin. Ein kitschiger Weihnachtsfilm.

Ich feiere die stillen Morgen, dunkel und trüb oder mit funkelnder Wintersonne, noch mehr als im Sommer. Wenn alle Kinder aus dem Haus sind und ich nur mir zuhören darf. Ein Hauch Vanilleteelichtduft in der Luft vom Vorabend.

Aber auch den wilden Spätnachmittag, wenn ein Kind neben mir auf dem Sofa sitzt und ich vorlese. Ich hab die Weihnachtsbuchkiste vom Dachboden geholt. (Mache ich vermutlich noch, wenn die Kinder ausgezogen sind). Die Großen sind beim Sport, wie fast immer.

Dann kommt ein Teenager rein, blickt über das Chaos, seine Familie, Kekskrümel, Lego und sagt: “Ach ist das schon schön weihnachtlich bei uns.”

Ich schwanke mehrmals täglich, zwischen dem Drang, das Brigitte-Rezeptheft durchbacken zu wollen und dem Plan, dieses Jahr bloß fertig gekaufte Lebkuchen zu vertilgen. Aber egal wie, zwischendurch habe ich diese Momente, in denen ich Lebkuchen rieche und dann fühle ich das Weihnachtsgefühl.

Letzte Woche habe ich es geschafft, den Fahrdienst nachmittags nicht als Stress zu sehen.

Habe nicht darüber nachgedacht, was ich für den Job in dieser Zeit schaffen könnte. Ich habe mich drauf eingelassen. Wir haben Seite an Seite Musik gehört, Last Christmas mitgegrölt, uns angepflaumt, entweder über beleuchtete Häuser gestaunt oder auch mal schweigend über die trübe Landschaft geguckt.

Sie haben mir das Geschenk gemacht, mich teilhaben zu lassen an ihrem Leben. Und ich habe mich über ihren Humor gefreut und sie mehrmals aus dem Augenwinkel ungläubig bewundert.

Die Weihnachtzeit ist ein Geschenk. Mit großen oder mit kleinen oder mit gar keinen Kindern. Schenken wir uns, unsere Ansprüche runterzufahren. Machen wir es uns so gemütlich wie möglich. Wir müssen nichts, aber dürfen alles.

PS: Advent bei uns 2019, 2023 und 2022

Alles Liebe!

Claudi