Gestern gab’s bei uns Salagne zum Mittag, das erklärte Lieblingsessen meiner Kinder. Während sich meine Tochter große Gabeln des üppigen Nudelklassikers in den Mund schob, fragte sie mich beim Kauen sinnierend: “Wie heißt das jetzt noch mal richtig…? Salagne, oder?” Tatsächlich kann mittlerweile keines meiner drei Kinder mehr auf Anhieb sagen, ob es nun Salagne oder Lasagne heißt – weil es bei uns nur noch in der Familiensprech-Version verwendet wird, die mein Sohn vor Jahren aus Zufall geprägt hat. Und ich freu ich jedes Mal, weil: Diese schrulligen Insider verbinden uns als Familie noch mal ganz besonders…
Wer bei uns zum Grillen vorbeikommt, kriegt Quietschekäse angeboten – wie viel öder ist dagegen Grillkäse! Der obligatorische Parmesan auf der Pasta heißt bei uns eleganter Parmesahne, zum Dessert gibt’s Choco Moussolat und wenn mein Ältester im Hochsommer auf der Suche nach dem Ventolati das Haus durchkämmt, ist ein Ventilator gemeint, den mein Jüngster mal derart umgetauft hat.
Jedes unserer Familiensprache-Worte liefert eine Geschichte – und gute Gefühle gleich mit.
Weil: Diese Familieninterna bringen mich mindestens mal zum Grinsen – auch gern zum laut Lachen. So wie kürzlich, als mein Sechsjähriger aus dem Stehgreif das Wort Rülpsdurchfall erfand: Er musste nach dem Sprudelwasser mehrmals hintereinander aufstoßen. Anschließend zuckte er hilflos mit den Schultern und erklärte mit schiefem Grinsen: “Sorry, Mama – Rülpsdurchfall…!” Ist jetzt natürlich im Alltagsgebrauch gesetzt.
Vielleicht sind es diese Worte – enstanden aus Missverständnissen, Fantasiegeburten, Aufgeschnapptem – die der wahre Kitt von Familien sind. Die den Zusammenhalt ausmachen, die Verbundenheit stärken. Weil eben nur Eingeweihte verstehen, dass verschuldigen eigentlich entschuldigen meint und Zähne geputzt werden, weil sonst Yakarius und Baktus ihr Unwesen treiben. Diese Worte sind etwas, das nur uns allein gehört, das uns prägt, Teil unseres Familiengedächtnisses wird. Und nicht so schnell in Vergessenheit gerät. Denn:
Familiensprache hält sich oft ein Leben lang.
Selbst wenn Kreationen wie Kustepuss (statt Pustekuss) oder St. Martins (statt Smarties) natürlich in der frühen Kindheit geprägt werden – wenn sie den Sprung in den alltäglichen Sprachgebrauch finden, haben sie bis ins Erwachsenenleben Bestand. In meiner Familie bittet man bis heute beispielsweise um “Büttre” am Frühstückstisch – eine Quatsch-Kreation aus der Zeit, als ich Französisch in der Schule bekam und mir das Wort beurre nicht einfiel. Seitdem ist Butter eben Büttre.
In meiner eigenen Kindheit war unsere Familiensprache eine, die außerdem durch unzählige Zitate geprägt war. Stand jemand vor uns vorm Spiegel, kam es nicht selten vor, dass er plötzlich in Opern-Manier “Haaaa, welch ein Glüüüüück, mich zu sehn, so schön” schmetterte. Danke an “Tim und Struppi: Die Juwelen der Sängerin”, in der die Opern-Diva Castafiore diese Arie prägte. Bis heute genügt uns ein Stichwort, um komplette Dialoge aus “Das Leben des Brian” oder aus “Spaceballs” zu zitieren – und uns darüber zu amüsieren.
Familiensprache gehört den pastelligen Momenten des Familienlebens.
Denen, in denen gerade alles gut ist, keiner im Clinch mit irgendwem ist, in denen wir uns als Einheit verstehen mit gleichen Genen und eigener Sprache. Und manchmal macht Familiensprech auch einen miesen Tag besser, weil alle nach einem Nervnachmittag was zu lachen haben, wenn der jüngere den älteren Bruder entrüstet als “Du Pimmelzwerg” bezeichnet. Danke, E.T.! Auch bei uns ziehen allmählich die Film-Zitate ein…
Im Was Für Mich-Shop gibt es übrigens ganz bezaubernde Sprüchebüchlein, in denen ihr eure Familiensprache verewigen könnt.
Ich habe für jedes meiner drei Kinder eines zur Geburt bekommen und nutze sie bis heute als Gedächtnisstütze (auch für diesen Post). Es gibt sie in fünf unterschiedlichen Designs – und ich würde mal behaupten: Die begleiten euch ein Leben lang…
Hier geht’s direkt zu den Sprüchebüchleins.
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Und verratet ihr mir jetzt noch eure schönsten Familienwörter…?
Alles Liebe,
„Salagne“ gibt es bei uns auch sehr gern, neben dem Teller liegen „Vasieten“ und auf jedes Nudelgericht wird grundsätzlich „Passasan“ gerieben. Viele Grüße! 🙂
Hej liebe V., Vasieten – super! Schreib das unbedingt irgendwo auf – das ist so witzig! 🙂 Alles Liebe, Katia
Wir gehen immer zum Reklinghof um Abfälle wegzubringen… 🙂 Hat mein Opa mangels Englischkenntnissen immer gesagt.
Hej Peggy, finde ich super! Und auch, dass es sich über Generationen hält! Alles Liebe, Katia
Hier gibt es oft Reis mit Scheiß (passt bei ämtliche Reisgerichten), Pattituni (Capucchino) und die Servierplette darf auch nicht fehlen. Ich liebs auch einfach sehr.
Lg Leni
Hej Leni, wie lustig: Reis mit Scheiß kenn ich noch aus meiner Kindheit. ☺️. Alles Liebe, Katia
Ein ganz wunderschöner Beitrag, der mal so richtig ins Herz geht.
Tatsächlich stammen folgende Worte aus meiner Kindheit:
Wodermann (Weihnachtsmann)
Mandulade (Marmelade)
Schlappzug (Schlafanzug).
Mein Vater nutzt sie mit seinen 84 Jahren noch sehr regelmäßig…eine Zeitlang (ich muss so Mitte 20 gewesen sein) fand ich das albern und peinlich. Jetzt wo ich selber Mutter bin, finde ich es einfach nur rührselig und wunderschön.
LG Sabine
Hej liebe Sabine, wie schön, das freut mich zu lesen! 🙂 Liebe den Schlappzug sehr – und weiß, was du meinst: Die wahre Bedeutung dieses Familien-Geheimcodes erschließt sich vielleicht erst vollständig als Erwachsene. Schön, dass du da bist, alles Liebe, Katia
Wir haben vor einigen Jahren überlegt einen “Renault” zu kaufen. Meine Tochter sagt seither immer “Renault”. Bleibt bei uns Familiensprache.
Oder “Karboffel” statt Kartoffel. Herrlich….
Aww- Karboffel ist richtig süß! 🙂
Was für ein wunderschöner Artikel. Bei uns gibt es auch Salagne. Der Donkel ist der große Zeh, das Zwiebele der kleine Zeh und die Kinder sagen dück dich (Mischung aus ducken und bücken). Dann gibt es noch die Lohnzimmerwampe und Bauchertrille die nach Wort-Spielen blieben. In meiner eigenen Kindheit konnten wir bei Loriot mitsprechen u es gab zahlreiche Zitate wie Herr “Dr Klöbener….” oder “Ihr Bild hängt schief”.
Danke für den schönen Beitrag. War sehr schön ihn zu lesen und sich darüber Gedanken zu machen.
Hej liebe Anja, ich danke dir! 🙂 Liebe die Lohnzimmerlampe!! Alles Liebe, schön, dass du dabei bist, Katia
Wie lustig!!! Bei uns wird aktuell der Hauswirtschaftsraum “Hauswaschraum” genannt. Dann gab es noch eine Roberto-Flasche – so hat mein Sohn einen Flachmann genannt, weil der gleichnamige Charakter im Trickfilm öfter aus einem trank 😅 Ich habe auch hübsche handbemalte Büchlein zur Geburt der Kinder geschenkt bekommen und Versuche so etwas fest zu halten. LG Viktoria
Hej liebe Victoria, der Roberto-Flachmann in mein Favorit! 😍 Liebs einfach, was die Kinder so aus dem Leben machen 🧡Happy Weekend, Katia
Oh ja, Salagne essen essen wir auch, manchmal gehen wir hier Orine (Ruine), wo auch lange Zeit die imaginäre Freundin wohnte. Und beim keinster Kind hängt ein Medulin (Mobile).
Als das allzeit-niedlichste ist bei mir aber der ausgefallene Besuch der Fahrradfahrerin von Gott hängen geblieben. Weil sie krank ist. Das Kind war nach dem Kindergarten ganz traurig deshalb und irgendwann haben wir dann auch endlich umrissen – die Pfarrerin hätte für Erntedank kommen sollen.
Hej liebe Annie, awww – das bleibt für immer im Familiengedächtnis! 🧡 Schönen Sonntag, Katia
Salagne gibt’s hier auch, und abends ein Samelamibrot (Salamibrot; stammt aus der Familie meines Mannes, seine kleine Schwester hat’s erfunden). Wir lieben diese Wörter!
Hej liebe Kathrin, ich bin echt erstaunt, wie geläufig Salagne in Familien überall so ist… 😉 Geht einem aber auch einfach gut von der Zunge! Alles Liebe, Katia
Bei uns heißen Chicken Nuggets – schiggi naggi – meine Tochter meint sie muss aufpassen dass sie wenn sie die bestellt das offizielle Wort benutzt;)
Hej liebe Mel, lieb ich! 😂Alles Liebe, Katia