Wenn ich mit Freunden oder anderen Eltern im Kindergarten über die Weihnachtsferien spreche, haben die meisten große Pläne: Wildpark und Skihalle, Schlittschuhlaufen und Porzellan malen. Auch ich notiere mir viele Dinge, die sich toll anhören: Skateworkshop, ein Museum, in dem wir noch nie waren, mal wieder in den Zirkus. Das ist alles schön und für die Kinder sicher unvergesslich… Oder doch nicht? Sollten wir ihnen nicht vor allen Dingen etwas schenken, an das sie sich ihr Leben lang erinnern werden? Etwas das kostenlos ist, oft anstrengend und nicht besonders angesagt: LANGEWEILE…
Wenn ich an meine Kindheit denke, dann denke ich oft an Langeweile. Stundenlang saß ich mit meiner Mutter im kleinen Büro des kleinen Ladens, den mein Vater in einem kleinen Dorf hatte. Es kamen nicht oft Kunden und wenn, bediente meine Mutter sie. Ich saß dort am Schreibtisch und langweilte mich, ich saß auf dem Steinboden vor der Tür und langweilte mich, im Winter lag ich auf der riesigen Nachtspeicherheizung und langweilte mich. Ich erinnere mich bis heute wie die Langeweile roch, hölzern und ein wenig staubig. Manchmal bekritzelte ich kleine quadratische Papiere mit Kugelschreiber, mal drehte ich mich auf dem mausgrauen Bürostuhl. Unzählige Male maulte ich in Richtung meiner Mutter: “Es ist so langweilig.”
Aber: irgendwann fädelte ich aus Kabelresten Ketten, baute Kugelschreiber auseinander und neu wieder zusammen (beinahe so schön wie Anziehpuppen). Ich band, schrieb und illustrierte selbst Bücher aus den kleinen quadratischen Zetteln oder baute eine Autowerkstatt draußen vor der Tür – Lüsterklemmen waren die Autos. Ich bin meinen Eltern dankbar für die vielen Stunden von Langeweile, weil sie ganz sicher etwas mit mir gemacht haben. Und ich bin dankbar, dass sie mich mit Langeweile ausgehalten haben. Was sicher nicht einfach war.
Heute ist Langeweile nicht besonders angesagt. Obwohl doch schon irgendwie, auf all den bunten, bedürfnisorientierten Blogs, die lieber Holzspielzeug zeigen als Blinkeplastik. Allerdings kommt es mir manchmal vor, als sei das Wort Langeweile dort bloß Deko-Objekt, es hängt – vielleicht hübsch gestickt – im Keilrahmen an der Wand. Dort hängt es zwar – aber es ist viel angesagter sich mit seinen Kindern in Dauerschleife zu beschäftigen, mit ihnen zu basteln, in den Wald zu gehen (Waldrallye! Schnitzmuster! Baumbingo), mit ihnen zu backen, mit ihnen Kaplabauwettkämpfe zu veranstalten, ihnen vorzulesen. Die Zeit mit ihnen bestmöglichst auszunutzen und zu genießen. Alles, weil sie doch so schnell groß werden. Weil doch #unseralltagihrekindheit ist.
Ich nehme mich da nicht aus. Auch ich habe immerzu tausend Ideen im Kopf, die ich gern mit meinen Kindern machen würde, die ich mit ihnen erleben, ihnen zeigen und mit ihnen ausprobieren möchte. Ich poste hier Back- und Bastelideen, Spiele und Ausflugstipps. Trotzdem möchte ich keineswegs das Gefühl geben, man müsste alles und ständig und immerzu mit seinen Kindern machen.
Nein, ich plädiere für ein ganz besonders Präsent. Ich als Mama (und als Lehrerin) möchte euch ans Herze legen, euren Kindern immer wieder auch Langeweile zu schenken. Es ist nicht einfach, das auszuhalten. Die Psychologin Dr. Helen Street fand in Studien heraus, dass es um die zwanzig Minuten dauert, bis ein Kind etwas findet, mit dem es sich selbst beschäftigt. Wenn man es denn zulässt.
Was mir auch als Lehrerin in den Schulen auffällt: die meisten Kinder heute sind absolut überentertained. Die können nicht aushalten, kurz abzuwarten – und nichts zu tun. Die sind oft völlig überfordert damit, selbstständig eine Aufgabe zu bearbeiten (ohne das ein Erwachsener ihnen sagt, was sie tun sollen). Vielen fällt es unglaublich schwer so etwas stupides – und langweiliges – zu üben wie Rechtschreibung. Sich einfach hinsetzen, Wort für Wort abschreiben, so wie man das nun mal am besten übt, ist für viele unglaublich anstrengend, es wird gemault und gemeckert, sich teilweise verweigert, nach anderen Methoden wie Lernspielen gefragt. Die haben ganz sicher auch ihren Wert – aber ergänzend.
Der Kindergarten in unserem Dorf ist sehr klein. Es wird ab und zu mal ein Kuchen gebacken oder die Feuerwehr besucht. Ansonsten wird gespielt, im großen Garten mit einer Schaukel, Rutsche und Sandkasten – oder drinnen, in der Puppenecke, mit Bausteinen oder Autos. Es gibt kein Englisch für Zweijährige, kein Waldworkshops – und ich freue mich darüber. Die Kita in der kleinen Stadt bei uns in der Nähe bietet Chinesisch an – und hat sogar eine Sauna. Ich frage mich, mit was soll man Kindern noch kommen, mit was soll man sie begeistern und überraschen, wenn sie mit drei regelmäßig in die Sauna gehen?
Langeweile fühlen Kinder zunächst als Frust. “Nicht mit etwas beschäftig zu sein, nicht irgendwo integriert zu sein, fühlt sich für sie nicht gut an. Wenn sie maulen: “Mir ist langweilig!” sagen sie uns eigentlich: “Beschäftige dich mit mir!” Langeweile zuzulassen hat daher in Zeiten bedürfnisorientierter Erziehung kein gutes Image. Langeweile wird gleichgesetzt mit Frustration. Die Relikte gelangweilter Kinder (und Teenager) können zerstörerisch sein: sich selbst oder anderen und auch Gegenständen gegenüber.
Man muss allerdings unterscheiden zwischen Frust- und Kummer-Langeweile, oder einer konstruktiven Langeweile, die die meisten Kinder verspüren – und aus der Wunderbares entstehen kann. Bereits 1993 schrieb der Psychoanalytiker Adam Phillips: “Es ist bedrückend zu sehen, dass Erwachsene pausenlos das Interesse ihrer Kinder wecken und stillen wollen, anstatt sie einfach mal selbst herausfinden zu lasssen, was sie interessiert.” Und: “Für Kinder ist Langeweile nicht gleichzusetzen mit Einsamkeit, sondern mit Neugier und Wissensdurst. Ein Bedürfnis zu entdecken und zu erfinden und die leeren Momente mit Leben zu füllen. Der Motor für jedes Spiel.
Für uns Eltern heißt das, dass wir einen Schritt zurücktreten dürfen, aushalten müssen aber auch mal unser Ding machen dürfen – hurra, anstatt jedes Langeweile-Problem unserer Kinder zu lösen, sei es mit einem gemeinsamen Spiel, Fernseh- oder Computerzeit. “Langeweile schult uns mit Problemen umgehen zu lernen, Frust aushalten zu können, kreativ zu denken, kurz: das Leben meistern zu können – und das ist so wichtig für unser Wohlbefinden”, so Phillips.
Ich möchte euch nicht die geplanten Spieleabende vermiesen, die gemeinsamen Backsausen, Ausflüge oder Bastelabende. Ich möchte euch nur beruhigen, dass ihr euch in den Ferien auch Momente für euch gönnen dürft. Mit dem Wissen, dass ihr eurem Kind gerade damit auf Dauer ein großes Geschenk macht.
Ich kann mich an viele Museumsbesuche und Zirkusveranstaltungen meiner Kindheit nicht mehr erinnern. Aber daran, wie absolut schnell die Zeit plötzlich doch vergehen konnte, in dem kleinen Büro hinter dem kleinen Laden, wenn ich irgendwann eine Höhle für Kugelschreibermenschen aus alten Aktenordner gebaut habe.
Heute würde ich ihn zu gern ab und zu mal wieder schnuppern, den Duft von Langeweile.
Alles Liebe,
Du hast Recht!
Ich habe als Kind immer draußen liebend gerne gekocht, ein großer Mörtelkübel war der Tisch, Eimer die Stühle, Sandschüsseln die Teller und dann gab es Himbeeren und Sauerampfer.
Meine Kinder haben eigentlich Glück, die Große kommt nach der Schule nach Hause, die Mittlere hole ich um 14Uhr von Hort/ Kindergarten (ist beides in einem Gebäude), da müsste man doch denken, dass die genug Zeit haben zum Spielen. Wenn da nicht diverse Termine wären, wäre es auch sicherlich so, eigentlich ist bei uns nur am Montag und am Freitag nachmittags frei. Dienstag haben die beiden Großen Leichtathletik, Mittwochs fahre ich erst die eine zum Klavier- nach ‘ner Stunde die andere zum Gitarrenunterricht (die anderen müssen natürlich mit) und Donnerstags sind die bei Oma und Opa und können mit den Cousinen spielen.
Deswegen freue ich mich auch immer auf die Ferien, die können den ganzen Tag zu Hause sein spielen, raus gehen oder ähnliches.
Bei uns hat es Montag geschneit, es liegen 20cm Schnee: Dienstag vor Leichtathletik noch schnell 45min raus, Mittwoche zwischen Klavier- und Gitarrenunterricht noch ‘ne Stunde und gestern vor der Weihnachtsfeier vom Leichtathletik ebenso….
Ja, so richtig weiss ich garnicht was ich damit eigentlich sagen wollte, aber du hast Recht, ich bin auch am liebsten zu Hause, als die Kinder klein waren, war ich immer zu Hause, andere sind sonst wohin spazieren gegangen, ich war im trauten Heim.
Mhh, also bisschen das Thema verfehlt.
Langweile…
Meine Kinder “mussten” sich schon immer selber Beschäftigen, ich gehöre nicht zu den Müttern die stundenlang Legokonstrukte baut oder Bücher vorliest. Was war ich froh, als die Große Lesen gelernt hat und den Kleinen vorgelesen hat.
Die Kinder finden eigentlich immer etwas zum Spielen, es gab mal eine Phase da haben die an kleine Lattenabschnitte die vom Bauen übrig waren Schnüre gebunden und das waren dann die Hunde. Die Hunde waren überall, aber zum Glück total stubenrein 😉
Ich glaube, da schenkst du deinen Kindern etwas Tolles. Danke für deine Kommentare (für beide ; )
Claudi
Danke Dir für diesen Artikel! Mir fällt es immer schwer, es auszuhalten, wenn meinen Kindern langweilig ist. Es fällt mir schwer nicht ärgerlich zu werden, wenn ihnen alleine nichts einfällt, was sie machen wollen, obwohl sie das Zimmer voll mit Spielsachen und auch sonst so viele Möglichkeiten haben. Aber du hast es mal wieder gut auf den Punkt gebracht, dass man das immer wieder mal aushalten muss und ihnen damit wirklich etwas Gutes tut.
Liebe Grüße
Katinka
Liebe Katinka, das geht mir – und sicher vielen hier – genauso.
Aber ich bin mir sicher, es lohnt sich hin und wieder diesen Frust auszuhalten.
Auch wenn es hart ist.
Liebe Grüße,
Claudi
Wunderschön! Und so wahr! Mein Großer kommt wirklich auf die schönsten Spielideen, wenn er sich vorher gelangweilt hat!
Bin noch immer geschockt von der Sauna für Dreijährige!!! Wirklich wahr? Schlimm…:(
Danke für den tollen Artikel…beruhigt auch das schlechte Mama-Gewissen, wenn man mal wieder was anderes erledigen muss oder mal einen Moment für sich braucht! Langeweile Hurra! 🙂
Ja, wirklich wahr!!!
Genau das ist es, was ich möchte. Uns Mamas beruhigen, dass wir auch ruhig einfach mal unser Ding machen können.
Ist das nicht herrlich entspannt zu wissen.
Liebe Grüße!
Unser kleiner Mann ist zwar mit seinen 15 Monaten noch recht jung, aber auch er beschäftigt sich viel lieber mit der abgestellten Kühlbox in der Küche, in der die leeren Milch und Joghurt Behälter auf den Austausch warten. Er schiebt die Box durch die Wohnung, räumt sie ein und aus und geht damit spazieren oder nutzt sie, um überall hoch zuklettern.
Man könnte glatt meinen, dass das arme Kind nichts zum Spielen hat, doch hat er und wie ich finde, auch schon viel zu viel.
Ich erinnere mich auch an die Nachmittage bei meinem Vater im Büro und an die vielen Tage, die wir quasi durchgehend einfach nur im Wald oder Feld hinterm Haus waren und uns Geschichten ausdacht haben.
Ich bin auch wahnsinnig dankbar über unserer Kita mit dem zwei Gruppen an Krippenkindern, die mal basteln und nach draußen gehen oder den Bauern und die Feuerwehr als Highlight des Jahres besuchen, aber mehr wird eben nicht gemacht und das reicht auch vollkommen aus.
Deswegen steht bei uns nächstes Jahr auch kein mega Urlaub an, sondern wir fahren einfach immer mal ein paar Tage an die Nord oder Ostsee und gehen am Strand spazieren oder setzten uns an den Spielplatz
Danke für den wundervollen Beitrag
Man muss sich tatsächlich häufiger daran erinnern, dass durch Langeweile tolle Dinge und Ideen entstehen
Danke dir für dein Feedback. Ich glaube auch, man macht den Kindern ein riesiges Geschenk damit, in dem man sie zum Beispiel mit der Kühltasche spielen lässt.
Denn sie lernen dadurch sich selbst glücklich zu machen. Gibt es eine bessere Fähigkeit? Wohl kaum…
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi, vielen Dank für diesen tollen Text!!! Als Mama und Lehrerin kann ich den voll und ganz unterschreiben.
Immer wieder bin ich sprachlos, wenn mir Mütter erklären, dass man den Kindern doch was bieten muss oder sich beklagen, dass die selben Kinder dann dies oder jenes langweilig finden und man schon gar nicht mehr weiß was man mit seinem sechs(!) jährigen Kind unternehmen soll…
Aber ich finde es auch schwer dagegen zuhalten und sich nicht schlecht zu fühlen weil man eben nicht ständig was tolles unternimmt oder den Kindern ein möglichst spektakuläres Unterhaltungsprogramm bietet. Da ist ein Text wie deiner ein bisschen Balsam für die Seele ?
Ich freue mich schon sehr auf die freien Tage und darüber, dass wir nichts geplant haben. LG Annika
Balsam für die Seele! Genau das ist mir auch spontan eingefallen, als ich diesen Artikel gelesen habe ? Danke, liebe Claudi!
Ich freu mich auf ruhige Tage zwischen den Jahren, dieses Aus-der-Zeit-gefallen-sein, wo man guten Gewissens zuhause bleiben darf und die langen Tage genießt, jeder wie er mag.
Herzliche Grüße
Christiane
Danke, danke, danke! Ich bin ganz eurer Meinung. Auch ich hatte schon oft ein schlechtes Gewissen, dass ich zu wenig mit unserem Kind unternehme, vor allem in der Renovierungsphase. Es tut so gut zu lesen, dass es nicht sein muss! Auch was du neulich vom Platzen geschrieben hast, hat mir unheimlich gut getan. Hier hatte ich in letzter Zeit oft das Gefühl, dass ich eine schlechte Mama bin. Dabei ist es auch irgendwie verständlich, wenn man krank und schwanger ist und der kleine Kerl in der Trotzphase, aber so richtig. Danke, dass ich hier lesen kann, dass es auch anderen so geht und dass es vor allem völlig normal ist! Wie wunderbar!
Viele liebe Grüße und einen schönen dritten Advent,
Lisa
Liebe Lisa, und ich danke dir. Was sind wir bloß für ein fabelhafter Haufen hier alle zusammen.
Ein Hoch auf die ganz normalen Mamas, so unterschiedlich sie auch sind und sein dürfen.
Ein schönes Wochenende für euch,
Claudi
Liebe Annika, genauso ist es. Und oft fällt es uns ja auch schwer, einfach nichts zu planen, weil es eben einfach so viele tolle Angebote und Freizeitsachen gibt.
Ich denke die Mischung machts. Und ich freue mich auch so auf die unverplanten Tage.
Herzlichst,
Claudi
Danke für deine motivierenden Worte. Ich bin echt bemüht, die Langeweile meiner Jungs auszuhalten, vor allem von den beiden Großen ( 7 und 6), aber es fällt mir nicht immer leicht. Denn wenn sie nicht wissen, was sie machen sollen, fangen sie an rumzutoben oder sich zu streiten. Und das ist dann furchtbar anstrengend. Einer heult immer. Nur jeder alleine für sich spielen wollen sie auch nicht. Aber trotzdem lieben wir die Tage wo wir nichts vorhaben. Dann wird die ganze Zeit im Schlafanzug geblieben und wir lassen den Tag auf uns zukommen. Und auch jetzt in den Ferien wird es so sein. Ich glaub da kommen die Jungs aus dem Schlafanzug gar nicht mehr raus.
Ich weiß, es ist nicht leicht auszuhalten. Aber nach dem Streit kommt oft das Spiel. Und ja, in Sachen Schlafanzug ist das hier bald wieder genauso. Herrlich, ich freue mich drauf.
Claudi
Liebe Claudi,
Danke für deine Worte zu dem Thema Langeweile! Ich finde es auch total richtig und wichtig, den Kinder zwischendurch auch mal das Nichtstun zuzugestehen und auszuhalten (was manchmal nicht so leicht ist). Oft entstehen daraus die schönsten Spiele!
Passenderweise habe ich erst gestern etwas zu dem Thema gelesen – allerdings nicht über Kinder, sondern Erwachsene! Denn auch wir sollten uns viel öfter mal wieder Zeit für Langeweile zugestehen. Wie oft langweilen wir uns heute noch? In jeder kurzen Pause, die sich im Alltag ergibt, sei es an der Bushaltestelle beim Warten auf den Bus, oder im Supermarkt in der Kassenschlange – sofort zücken wir das Handy raus und checken hier schnell eine Nachricht, lesen hier einen Kommentar und notieren uns dort eine Erinnerung. Dabei sind es genau die Momente der Langeweile, in denen unser Gehirn (unbewusst) so richtig aktiv wird und einzelne, unabhängige Gedanken zu neuen Ideen verknüpft! Faszinierend!
Daher sollten wir vielleicht für uns selbst und gleichzeitig als Vorbild für unsere Kinder öfters mal nichts tun – und vielleicht wird es dadurch dass wir unseren Kindern ein Vorbild im Langeweile aushalten werden auch einfach für die Kinder selbst Langeweile zu akzeptieren 🙂
Liebe Grüße,
Catherine
Liebe Catherine, da hast du ganz sicher Recht. Danke für diese Ergänzung.
Ich nehme mir das fest vor – gerade für die kommenden Ferien.
Claudi
Ich stehe im Stau – soviel zu Langeweile und habe deinen Sau guten Artikel gelesen! Danke dafür.
Haha, bester Ort dafür.
Großartig,
alles Liebe!
„ Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.“
(Astrid Lindgren)
Ganz genau so ist es. Danke, das Zitat hat noch gefehlt.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudia,
danke, ein wirklich überfälliger Text! Ich bin Lehrerin und Mutter dreier Kinder – und Langeweile ist bei mir quasi Erziehungsprinzip (auch wenn es sich so verbiestert anhört). Vielleicht besser sleakige Elternperformance?
Auch in Annikas Text erkenne ich uns voll wieder. Ich beobachte häufig völlig überreizte, erschöpfte, immerzu laute Kinder ohne Frustrationstoleranz, fehlende Anstrengungsbereitschaft, die Dinge nicht einfach mal aushalten können, immerzu Ablenkung suchen.
Unsere eigenen Kinder wurden immer schon bewusst mit Langeweile konfrontiert. Zum Beispiel unsere langen Urlaubsfahrten OHNE Entertainment an Bord, super lustig, gemeinsames Singen, Geschichten und Spiele erfinden, in der öden Autobahnumgebung die kleinsten Dinge entdecken, Wahrnehmung schulen, jede “langweilige” 14-Stunden-Fahrt hat uns als Familie bereichert und die Kinder fordern sie sogar ein. (“Wann geht es wieder los?” Es gibt für jede Fahrt eine Notfall-Quengel-Entertainment-Tasche, sie wird aber fast nie gebraucht, allenfalls 2 Hörspiele.
Wir machen die Erfahrung, dass die Langeweile extrem kreativitätsfördernd ist und die Kinder selbstständiger werden und ihre Persönlichkeiten und Identitäten entdecken und wahrnehmen lernen. Wer bin ich eigentlich? Wer will ich sein? Was liegt mir? Wofür begeistere ich mich? Worauf bin ich neugierig? Was will ich wissen? Was will ich ausprobieren? Was kann ich schon? Was kann ich mir zutrauen?
Wie soll man das und so vieles mehr als kleiner Mensch herausfinden, wenn alles zugekleistert wird mit fremdbestimmter Belustigung, Quietsch, Rums,und TüdelüüütTamtaraaata, hetzhetzhetz. Viele Ablenkungen und angebliche Edutainments davon funktionieren mit simplen Reiz-Reaktionsschemata. Kindliche Gehirne vertragen aber mehr.
Wie Traurigkeit, überhaupt Gefühle aushalten? In sich hineinhorchen? Geistige Tiefe entwickeln? Empathie lernen? Rücksichtnahme und Respekt? Die rastlose Oberflächlichkeit und Ablenkungssuche, das viele Geraschel, Getröte, Gerase und Geklimper um uns herum lässt mich manchmal ratlos zurück. Zum Glück finden wir immer wieder Gleichgesinnte, die auch nicht auf jeden Trend hüpfen.
Deshalb ein begeistertes Riesendankeschön für deine klugen lebensweisen Worte, und die zustimmenden Kommentare zeigen, dass man noch kein Mamaexot ist, wenn man die Kinder mit Langeweile konfrontiert. Familien entgeht so viel an Wärme, Nähe und Tiefgang, Zufälligem, Überraschendem wenn immer nur nach dem nächsten Event gesucht wird.
In der Grundschule werden unsere Kinder beispielsweiseimmer montags morgens zusammen mit allen anderen aufgefordert, vom Wochenende zu erzählen.
Bei anderen Kindern geht das bis zu Kurztrips nach New York, und unsere Kinder erzählen (das weiß ich von ihren Lehrern) Dinge wie:
“Wir waren das ganze Wochenende draußen.” “Wir haben gespielt.” “Wir waren bei Opa.” Meistens sagen sie “Wir” oder beziehen die anderen in ihren Wochenenderzählungen mit ein.
Ganz schlicht und einfach. Und sie haben nicht das Gefühl, dass ihr Wochenende schlechter war als das der anderen Kinder. Sie sind auch nicht neidisch, weil sie oft spüren, dass sie etwas haben, was anderen fehlt: z.B. Freiheit, Selbstbestimmung.
Natürlich unternehmen wir auch hin und wieder etwas, aber es wird genau ausgesucht und sich darauf konzentriert. Wir genießen es, wir haben Lieblingsorte und wir können uns gut daran gemeinsam erinnern. Ups, wir haben tatsächlich oft Spass im Leben ohne die ganze Spassmacherindustrie. Wobei, manches ist ja auch klasse, da wollen wir dann ja auch nicht ganz dran vorbeikommen.
Also Euch “Langweilern” da draußen an den Tastaturen eine gemütliche, langsame Weihnachtszeit mit Euren Lieben!:-)
Was für ein großartiger, hochspannender Kommentar. WOW! Ich danke dir. Herzlichst,
Claudi
Mal wieder ein ganz toller Text liebe Claudia!
Zu dem Thema kann ich folgende kleine Geschichte beisteuern:
Da ich seit Mai mit unserem dritten Kind schwanger bin und als Erzieherin ein Berufsverbot bekommen habe, bot sich in diesem Sommer die großartige Möglichkeit, die beiden “Großen” (6 und 8 Jahre alt) die kompletten Sommerferien daheim bleiben zu lassen.
Eine Woche fuhren wir als Familie in den Urlaub, den Rest der Zeit verbrachte ich mit den Kindern größtenteils allein, da mein Mann wieder arbeiten musste.
Natürlich unternahmen wir hier und da Ausflüge ins Freibad o.ä. doch im Großen und Ganzen lebten wir drei so in den Tag hinein.
Schliefen aus, lümmelten im Schlafanzug am Frühstückstisch herum und oft langweilten sich die Beiden auch.
Doch daraus entstanden dann plötzlich die tollsten Spielideen und Beschäftigungen.
Einige meiner Freundinnen und bekannte Mütter konnten es einfach nicht fassen, dass ich die Kinder nicht nach der 3 wöchigen Schliesszeit von KiTa/Hort wieder dort hin brachte.
“Wie hältst du das aus?” oder “Wie beschäftigst du sie den ganzen Tag?” waren ständige Fragen.
Und ICH fragte mich, was es da “auszuhalten” gab. Natürlich gab es auch mal Streit und Auseinandersetzungen.
Aber im allgemeinen liefen diese 6 Wochen sehr entspannt ab und ich bin unglaublich dankbar, das so erlebt zu haben.
Und beschäftigen musste ich die Kinder auch nicht, habe ab und an einen Vorschlag gemacht, aber das wars dann auch schon.
Liebe Grüße
Daniela
Liebe Daniela, das klingt ganz wunderbar. Danke für deine Geschichte.
Ich habe auch schon öfter erlebt, dass man sich richtig einleben kann ins “langweilige” Leben.
Es braucht ein paar Tage Umstellung und eingewöhnen, aber dann flutscht es.
Alles Liebe!
Liebe Claudia,
ein interessantes Thema. Im ersten Moment dachte ich: Endlich mal jemand, der das auch so sieht! Ich finde es jeden Tag toll, dass wir von Montag bis Freitag keine Termine haben und jeden Nachmittag spontan entscheiden, was wir machen. Aber dann fiel mir dazu auch folgendes ein: Ich stelle oft fest, dass ich echt enttäuscht und manchmal sogar genervt bin, wenn ich mir was tolles ausgedacht habe und stolz verkünde, was wir nun besonderes machen; die Kinder aber kaum Interesse daran haben oder die ganzen Sache in die Hose geht, weil irgendwer eigentlich immer viel zu müde oder aufgedreht oder “trotzphasig” ist. Das ist wohl schon das beste Indiz, dass ich den Kinder was aufdrücke, was sie gar nicht brauchen. Das beginnt schon dabei, nachmittags was zu backen oder zu basteln oder zu nem neuen tollen Spielplatz zu fahren. Eigentlich ist es doch super – wir Mamas brauchen uns gar nicht den ganzen Orga-Stress und die Gedanken machen und den Kindern geht es genauso gut wie vorher. Ich werde da in Zukunft mehr drauf achten! Daumen hoch!!!
Immer wieder lese ich, beschäftige Dich mit Deinen Kindern und lass den Haushalt einfach mal liegen (hab ich mich gut dran gewöhnt :o)) Aber ist es nun besser, die Kinder allein spielen zu lassen oder soll ich dabei sitzen und Ihnen Aufmerksamkeit schenken? Oder nur dabei sitzen, aber nicht mitmachen? Oder doch lieber dem Haushalt mehr Prio geben und die Kinder sich langweilen lassen… ? Du wirst mir das vermutlich nicht beantworten können; wir kennen uns ja gar nicht. ;o) Also mach ich es weiter nach Bauchgefühl mit dem Ziel, wenig Entertainment, aber viel Herzenswärme… Ich werde über die ganzen Sache bestimmt noch oft mal nachdenken!! Vielen Dank für den Gedankenanstoß!!
Du Liebe, ich denke die Mischung machts. Und dein Bauchgefühl ist ganz sicher der beste Erziehungsratgeber.
Alles Liebe!
Claudi
Danke liebe Claudi für diesen tollen Text und Denkanstoß. Ich bin der Meinung, dass der Satz „ unser Alltag ist ihre Kindheit“ einfach falsch verstanden wird. Denn der Alltag!!!! ist das wichtigste, mit all der Langeweile und den alltäglichen Aufgaben und Pflichten die dazugehören und nicht die Vollanimation der Kinder, die einen „normalen Alltag“ gar nicht durchschimmern lassen.
Aber genau die Langeweile im Alltag ist so wichtig. DANKE!!!
Liebe Grüße
Das ist ein total spannender Hinweis! Danke dafür.Klingt für mich total logisch.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi,
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag.
Du hast mal wieder “den Nagel auf den Kopf” getroffen.
Man sieht es heute wirklich fast nicht mehr, nicht mal mehr “auf dem Land”. Selbst hier sind die Kinder “durchgetaktet”.
Liebe Grüße und zwischendurch auch mal langweilige Ferien,
Margot
Ich musste gerade so lachen … eine Sauna im Kindergarten! Das ist ja der Knaller.
Langeweile gibt es hier auch des Öfteren, aber meist finden die Jungs zum Glück recht schnell ins Spiel.
Ich denke, dass zu viele “Highlights” diesen Momenten das Besondere nehmen. Wir machen gerne, aber nicht so häufig Ausflüge. Deshalb freuen sich meine Kinder auch immer sehr darüber und können sich auch lange daran erinnern.
Mein Sohn langweilt sich nicht mehr nachdem er die These gehört hat, dass nur Leute ohne Ideen sich langweilen…
Er wartet jetzt stattdessen auf gute Ideen 😉