Ich bin über fast alles, was ich gemacht habe, verdammt froh. Sogar, wenn es im Nachhinein eine blöde Idee war. Bloß eine Sache habe ich zum Glück nicht gemacht. Ich habe diesen Blog spontan dann doch nicht Fräulein Holunder genannt, wie ich es eigentlich vorhatte. Holla, die Waldfee: Zum Geburtstag von WAS FÜR MICH ein kleiner Rückblick auf zehn verrückte Jahre Bloggeschichte…

 

Wer hat es erfunden? Die Amis!

Genau genommen entstand die Idee zum Blog in meiner ersten Elternzeit. Ich war viel allein mit Baby zuhause damals, und um zwischen schmutzigen Windeln und leeren Kürbisbreigläsern nicht durchzudrehen, tobte ich mich kreativ total aus. Ich hatte das Glück, dass mein Baby viel schlief und auch sonst ein äußerst interessierter, kleiner Kerl war: Während ich malte, bastelte und werkelte lag er meist glucksend auf einer Decke neben mir – und schaute mir bewundernd zu. Gemeinsam mit einer Freundin probierte ich alles aus: Wir kochten, wir malten, wir nähten, wir bastelten, wir schrieben kleine Geschichten. Es war eine wunderschöne Zeit.

Zur selben Zeit begann ich, neben der Zeitung morgens amerikanische Blogs zu lesen. Dort gab es zu dieser Zeit bereits einige und ich war sofort fasziniert von diesem neuen Medium: So kreativ, so persönlich, so nah am Leben. Die Menschen teilten dort ihre kreativen Projekte und schrieben nebenbei ein bisschen was über den Alltag. Ich liebe Print – aber das hier, das war so schön nah. Nach und nach ploppten auch in Deutschland die ersten Blogs auf und so ein kleines bisschen war sehr schnell der Wunsch da, sowas auch zu machen. Irgendwann mal. Vielleicht.

Alles begann mit einem dicken, schwarzen Buch

Um all meine Projekte und Ideen zu sammeln, kaufte ich mir ein großes Skizzenbuch und klebte dort Fotos von meinen Projekten ein. Ich nannte es “Blog-Buch” und schrieb diesen Namen mit weißem Filzstift auf das schwarze Cover. Nach und nach begann ich ein paar Sätze zu meinen Projekten zu schreiben. Nur für mich.

André fand meine kreativen Projekte und die Dokumentation in meinem schwarzen Blogbuch faszinierend. Als ich ihm eines abends ein paar meiner amerikanischen und deutschen Lieblingsblogs zeigte, meinte er sofort: “Mach das doch auch.” Es wäre doch der perfekte Twist aus meiner Arbeit als Lehrerin und Redakteurin vorher und allem, was mir Spaß macht. Ich machte sofort einen Schritt rückwärts, erklärte erschrocken, dass ich das niemals schaffen, geschweige denn können würde. Aber er ließ nicht locker. Er hatte den Mut für mich mit, was für ein Glück.

Ich wusste immerhin genau, wie ich meinen Blog nennen würde, wenn ich einen hätte. Ich hatte so viel Lust auf ein naturnahes Leben damals, zelebrierte mein neues Leben auf dem Land, kochte Holundersirup aus den Blüten von den vielen Büschen bei uns auf dem Hof, nähte Stoffhüllen, malte Etiketten – ich führte ein Leben wie aus der Landlust. Als mir meine Schwiegermutter erzählte, dass die vielen Holunderbüsche bei uns früher als Schutzpflanzen galten, nannte ich unseren Hof heimlich den “Holunderhof”. Und den Blog von dem ich träumte “Fräulein Holunder.”

 

Ganz oder gar nicht?

Anfang 2012, ich hatte inzwischen Baby Nummer zwei, fragten wir das erste Mal einen Freund aus der IT-Branche, ob er uns helfen würde, einen Blog zu eröffnen. Heute gibt es ja für alles Online-Tutorials, damals noch nicht. Ich war mir immer noch nicht sicher und heillos überfordert mit zwei Kindern, außerdem bauten wir nebenbei auch noch ein Haus. Aber gerade weil ich bloß noch Brei sah, weil alles so anstrengend war, sehnte ich mich nach einem Ort, an dem ich kreativ sein konnte. Ich dachte die ganze Zeit, dass ich das nur für mich und Freunde machen würde. André dagegen, glaubte an etwas Großes. Verrückt.

Unser IT-Kumpel vertröstete uns Monat für Monat, meine Elternzeit ging langsam zu Ende. Je länger es dauerte, desto größer wurde mein Wunsch, diese Sache tatsächlich auszuprobieren. Ich arbeitete zu dieser Zeit wieder als Lehrerin. Mit meinen Kolleginnen aus der Redaktion, in der ich bis zum ersten Kind arbeitete, hatte ich abgemacht, dass ich regelmäßig weiter frei für sie schreiben würde. Aber dann war die Arbeit in der Schule so viel, die Schwangerschaft so aufregend – und unsere Wohnung gleich hinterm Deich, so weit weg von der Stadt. Ich bekam es nie rechtzeitig hin, pünktlich großartige Themenideen vor allen anderen zu schicken.

An einem Tag im Herbst, ein halbes Jahr vor Ende meiner Elternzeit, waren André und ich mit Kleinkind und Baby auf den Elbbrücken unterwegs. Ein kräftiger Wind pustete die letzten gelben Blätter von den Bäumen und obwohl die Stimmung etwas von Ende hatte, war ich in Neubeginn-Laune. “Jetzt oder nie!”, meinte ich zu André, und: “Ich würde das echt gern ausprobieren.” Er nickte. Ich war plötzlich ganz kribbelig. “Übrigens vergiss den Namen Fräulein Holunder. Ich hab was viel Geileres!” Er griff sofort zum Telefon.

An diesem Abend bastelten wir uns auf dem Sofa einen Blog. Meinen Blog.

Zu viert saßen wir da: André, unser Kumpel, seine Freundin und ich. Ich hatte Gänsehaut. “Und?”, fragte unser Freund, “Wie soll es denn nun heißen?” “Was für mich!”, sagte ich. Er schaute auf, kräuselte die Stirn. “Bist du sicher?” Ich schaute unsicher auf, mein Blick traf den seiner Freundin. Sie nickte. Ich nickte. “Ja, ganz sicher!”, rief ich. Als unser Kumpel mir mein Passwort auf einem kleinen Zettel in die Hand drückte, fühlte es sich an, als reiche er mir den Schlüssel für eine neue Wohnung rüber. Und ein bisschen ist das Gefühl hier immer so geblieben. Sobald ich mich einlogge, komme ich nach Hause.

Was dann passierte? Erstmal monatelang, jahrelang nichts.

Ich machte online alles fast genau wie in meinem Blog-Buch: Ich machte ein Foto von den Sachen, die ich gebastelt, genäht oder gekocht hatte, ein ziemlich schlechtes Foto, und stellte es online. Ich schrieb ein, zwei Sätze dazu. Aber niemand las es, außer meine Freundinnen. Meist nicht mal die. Ich besuchte ein paar Kurse übers Bloggen, über Fotografie, lernte ein paar Kolleginnen kennen. Erst als ich anfing, längere Texte zu schreiben und meine Gefühle mehr rauszulassen, fanden die ersten echten Besucher auf meinen Blog.

Mein größtes Problem waren immer die Fotos. Ich bin Texterin und trotz ein paar Kursen wird für mich die Technik hinter der Fotografie für immer ein Rätsel bleiben. Ich glaube, ich habe ein ganz gutes Auge, deshalb habe ich manchmal Treffer dabei. Aber ansonsten brauche ich einfach viele Versuche. Das dauert. Und das ist anstrengend. Die Sache mit den guten Fotos stresst mich bis heute am meisten.

 

Apropos Stress…

Das was hier heute so hübsch aussieht, ist das Produkt tausender Arbeitsstunden, Wutanfälle, durchwachter Nächte und Schweißausbrüche. Ich habe jede freie Minute in diesen Blog gesteckt, und auch jede nicht freie. Ich habe auf Treffen mit Freundinnen verzichtet, auf Spielplatzbesuche mit meinen Kindern, entspannte Nachmittage im Garten und auf viel Schlaf. Arbeit und Leben vermischte sich immer mehr, dennoch musste ich vielen Freundinnen immer wieder erklären, was eigentlich ein Blog ist. Meine Freundinnen, meine Mutter, ganz viele Leute haben immer wieder gefragt: “Warum machst du das bloß?”

Heute frage ich mich oft, woher ich bloß die Energie für das alles  genommen habe? Die Antwort ist wohl: Es hat mir immer mehr Energie gegeben, als es mir genommen hat. WAS FÜR MICH war der Ort, an dem ich von Anfang an mein Ding machen, mich kreativ ausleben und ausprobieren konnte. Ich habe wahnsinnig viel gelernt in den letzten zehn Jahren. Über mich, das Leben und das Schreiben. Ich glaube, außer bei der Tageszeitung lernt man nirgends so viel übers Texten, wie hier, einfach mal man ständig schreibt. Ich glaube, ich konnte es einfach nicht nicht machen.

Schließlich hat mir dieser Blog meinen größten Lebenstraum erfüllt, nämlich Bücher zu schreiben  und veröffentlicht zu werden. Ich bin ihm – und euch! – für alle Zeit dankbar dafür.

“Wirst du das nicht irgendwann bereuen?”

Fragten mich damals viele. Als ich stillend arbeitete, auf dem Spielplatz arbeitete, gemütliche Treffen absagte. Als das Haus im Chaos versank, das Unkraut spross, die Wäsche liegen blieb und die Küchenkrümel auch. Ich hatte definitiv keine entspannte dritte und vierte Elternzeit, weil ich immer sofort wieder loslegte. Noch wilder war es, als ich den Blog dazwischen parallel zu meiner Arbeit als Lehrerin rockte. Es. War. Verdammt. Anstrengend. Aber: Es hat auch so verdammt viel Spaß gemacht.

Erst als ich den Vertag für meine Kinderbuchreihe unterschrieb, traute ich mich, in der Schule zu pausieren und mich bloß noch dieser Arbeit hier zu widmen. So ein Vertrag war immer mein absolutes Ziel, das zweite Standbein, das ich mir so sehr wünschte. Ich traute mich, mir endlich Unterstützung durch Mitarbeiter zu holen. Aus meinem Blog wurde ein Blogmagazin und das tut ihm gut und mir, denn so bleibt für mich Raum für Projekte abseits dieser Webseite.

Heute stoße ich an auf Mut und auf euch!

Erzählt doch mal, ab welcher Phase lest ihr hier mit?

Liebe Grüße,

Claudi