Ich mag Mode. Vor allem dafür, dass sie es oft schafft, aus der skeptischen Schreibtisch-Schlodderhosen-Claudi eine selbstbewusste Frau zu machen, die (meistens) ganz genau weiß, was sie will. Außerdem macht sie mir gute Laune. Und je älter ich werde, desto mehr Lust habe ich, auf raffinierte Schnitte und Farbe. In der großartigen Ausstellung über Yves Saint Laurent in Calais hatte ich tatsächlich Gänsehaut…

Warum? Weil ich es unfassbar genial finde, wie man vor dreißig Jahren etwas designen konnte, was ich heute von der Schneiderpuppe weg anziehen würde, weil es einfach top modern aussieht. Weil man bei allen Entwürfen die Leidenschaft des Designers spürt, aber auch die Fleißarbeit, die zwangsläufig hinter dem Geniesein steckt. Und immer wieder hatte ich die Grübelei im Kopf, warum Unglücklichsein offenbar zu ganz großer Kunst dazugehört.

Yves Saint Laurent – mehr als ein Parfum

“Ein glücklicher Designer ist ein schlechter Designer”, sagte sein Geschäfts- und Lebenspartner Pierre Bergé mal. Liest man mehr über Laurent wird klar: Das Wunderkind war ein Angsthase. Wie er sich trotzdem immer wieder überwunden hat, mutig zu sein für seine Leidenschaft, rührt mich.

Gleich vorn am Eingang der Ausstellung hängt Laurent in nackt. Er ließ sich damals ohne Klamotten für seine erste Parfumkampagne fotografieren. Ein Skandal. Und ein Milliardenerfolg. Er wirkt auf dem Foto entschlossen und ängstlich, beides auf einmal. Für mich hat das Bild beinahe etwas ikonisches. Ich habe Gänsehaut.

In den weiteren Räumen der Ausstellung ist es dunkel. Pailletten funkeln, Federn flirren,  Spitze spitzelt. Es fühlt sich an, als betrete ich heilige Hallen. Laurent hat entworfen ohne Ende und ein Kleid ist schöner und besonderer als das andere.

Besonders Yves Saint Laurents schnelle Mode-Entwürfe, auf stinknormalem Karo-Collegeblog-Papier rühren mich.

Dazu gibt etliche Skizzen, sogar die Bibeln der Modenschauen, also die Zettel, auf denen vermerkt ist, welches Model welches Model wie trägt. Wir wissen heute, dass es Gisela war, die am 6. Mai 1978 die grüne Spitze getragen hat, weil Laurent es genau aufgeschrieben und aufgehoben hat. Alles archiviert und verpackt. Sogar die passenden Ohrringe sind noch da. Das Genie war ordentlich und unglaublich strukturiert. Wieder Gänsehaut.

Hier kommen neun überraschende Dinge über Yves Saint Laurent, die du bestimmt noch nicht wusstest:

1. Sein Vater verwaltete mehrere Kinos in Tunesien und Marokko und war selten zuhause.

2. Der kleine Yves bastelte Puppentheater für seine beiden Schwestern, blätterte liebend gern durch die Modemagazine seiner Mutter und entwarf mit 11 erste Kostüme für ein Theaterprojekt in der Schule.

3. Er war schmächtig und schüchtern und wurde aufgrund seiner Homosexualität auf dem katholischen Gymnasium von Oran gehänselt. Angst war sein ständiger Begleiter. Bereits als Kind tröstete er sich mit dem Gedanken, irgendwann berühmt zu werden.

“Eines Tages wird mein Name in Feuerbuchstaben auf den Champs-Èliysées zu lesen sein.”

4. Mit 18 gewann sein Entwurf  in Paris einen Designwettbewerb des internationalen Wollsekretariats vor dem von Karl Lagerfeld. (Danach bietet Dior ihm eine Stelle an.)

5. Nach seinem Einzug in den Militärdienst für den Algerien-Krieg wog er aus Kummer nur noch 35 Kilo. Danach landet er in der Psychatrie. Von den hochdosierten Anti-Angst-Pillen kommt er sein ganzes Leben nicht mehr los.

6. Sein Glückbringer war eine kleine Bugs Bunny Figur.

Was macht Yves Saint Laurent so besonders?

7. Lady Di sagte einst: “Ich spreche nur drei Worte Französisch: “Yves”, “Saint” und “Laurent”.

8. Er hatte panische Angst vor schwarzen Vögeln.

9. Als Andy Warhol seinen Kollegen Valentino portraitierte, drohte Laurent damit, seine Siebdrucke zu verbrennen.

10. Er hatte als Erwachsener immer ein Schoßhündchen und jedes trug den Namen “Moujik”.

Die Yves Saint Laurent-Ausstellung  “Transparences” läuft noch bis zum 12.11.23 im großartigen  Cité dentelle et la mode in Calais. Danach zieht sie – in veränderter Form – nach Paris. Der Eintritt für Erwachsene kostet sieben Euro. Auch die Dauerausstellung über Spitze ist absolut sehenswert.

Vielleicht seid ihr diesen Sommer auf der Durchreise oder auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Reiseziel? Calais und dieses Museum lohnen sich sehr.

Alles Liebe,

Claudi