Noch nie zuvor habe ich die Jahreszeiten so sehr gespürt, wie jetzt. Mit Kindern. Hier draußen, auf dem Land. Ich mag das. Ja, ich denke ich mag das sogar sehr. (Obwohl ich eigentlich ein Sommer-Mädchen bin. Barfuß. Freiwillig im August in Süditalien oder Südfrankreich. Wunderbar) Aber die Jahreszeiten und wir, wir sind quasi Nachbarn hier draußen. Natürlich mit dabei: der nicht immer ganz einfache Herr Winter…
Kinder im Winter, Winter, Winter auf dem Land
Wie genau sieht ein Wintertag bei uns aus? Wie anders ist unser Familienleben im Feburar? Verglichen mit April beispielsweise? Oder Juli. Oder November? Ich möchte ab sofort je einen Tag einfangen und festhalten, in dem ich ihn hier aufschreibe. Für mich. Für die Jungs. Für uns. Zum sagen: “Guck mal, so war das damals.” Und für euch. Vielleicht mögt ihr auch von euren Winterritualen erzählen?

Klar, an manchen Tagen winken wir uns bloß zu, die Jahreszeit und wir. Vor allem, wenn vor allem Alltag ist, einer von der schnellen Sorte. Andere Dinge wichtig. Aber dann wieder stapft er herüber, Kollege Winter, ein wenig mürrisch und erinnert mich daran, endlich den Schnee auf der Stegel zu fegen… Am besten holen wir uns erstmal einen heißen Kaffee für diese Geschichte. Mögt ihr einen?
Kinder im Winter
Apropos Kaffee: Im Winter nehme ich morgens nicht bloß meinen Silberbecher mit Kaffee mit, wenn ich im mucksmäuschenstillen Haus sehr früh aufstehe und zur Schule fahre, sondern auch eine Flasche mit heißem Wasser. Okay, eher lauwarm, erinnert mich der Mann. Dieses Wasser kippe ich über die Autoscheiben. Landbewohner-Geheimtipp, weil ich kratzen so hasse. Vor allem morgens um halb sieben, aber eigentlich immer. Und hier draußen, auf den freien, weiten Flächen, friert das Auto so richtig ein. Überhaupt die Kälte. Immer zwei bis drei Grad kälter und fies feuchter, dank der Elbe, diesem Luder.

Dafür kilometerweise Rodelpisten an den Deichen. Wenn es bloß weiß schimmert im Deichgras, trifft sich dort nachmittags der halbe Kindergarten. Zur Not wird auf Plastiktüten gerutscht. Nützt einem bloß nichts, morgens um halb sieben. In der klirrend dunklen Kälte. Ich denke oft an die Kinder, wenn ich den Deich entlang fahre, vorsichtig, denn dort ist es immer glatt und der Nebel liegt um diese Uhrzeit meist zäh wie Grießbrei neben der Straße. Die Jungs können noch ein wenig länger schlafen. Unter ihren dicken Daunendecken, in ihren rotkarierten Flanellpyjamas. Hach, ich liebe Jungs in Pyjamas. Der Mann wird sie später in den Kindergarten bringen. So ist das zur Zeit bei uns: Zwei Tage er. Zwei ich. Und einmal die Schwiegermutter. Anders geht es nicht.
Winter
Wenn ich mittags aus der Schule komme, oder aber zu Hause gearbeitet habe, hole ich die Kinder ab. Warte mal mehr, mal weniger geduldig, bis sie ihre Schneehosen, ihre Stiefel, ihre Mützen anhaben. Die Handschuhe suchen wir meist gar nicht mehr. Die sind immer weg. Dass ist es vielleicht, was ich am Landwinter am meisten hasse: Die Klamotten. Die Klamottenanziehherei. Die Klamottenanziehereidiskussionen. Wir versuchen trotz allem rauszugehen. (Anziehen muss sich ja lohnen). Manchmal überrumpel ich sie einfach und komme zu Fuß zum Abholen. Dann haben wir keine Wahl. Zwangslüften.

Wir laufen dann Seite an Seite, leicht gekrümmt und mit roten Wangen hinten durch die Felder. Oder vorne rum, an der Elbe entlang. Pusten anfangs durch spitze Münder Atemnebel. Bewundern die weiten, frostigen Wiesen, trampeln auf zugefrorene Pfützen oder laufen den Deich runter zum Elbstrand. Eisschollen schauen. Auf dem letzten Stück pusten wir nicht mehr. Wir schweigen (ich!). Wir fluchen still (ich!) oder laut (sie!). Und zuhause halten wir unsere rotgefrorenen Finger unters heiße Wasser, obwohl wir ganz genau wissen, dass es danach noch viel mehr kribbelt.
Winter, Basteln mit Kindern im Winter, Haussschuhe
Nachmittags haben die Kinder manchmal Sport. Manchmal kommen Freunde rüber. Manchmal machen wir es uns gemütlich. Gemütlich kann er gut, der Herrn Winter. Mit Keksen, die ich im Winter viel öfter erlaube. Und mit Kakao. Mit Geschichten auf dem Sofa: Jeder darf sich eine wünschen. Na gut, jeder zwei. Und komm, auch noch ein Kaffee für Mama. Bis Ende Februar lese ich maximal Weihnachtsgeschichten vor. Danach wandert die Kiste für den Sommerschlaf auf den Dachboden.

Wir basteln auch mehr im Winter. Oder schauen den Vögeln draußen beim Futtern zu. Oh ja, wir haben hier jeden Winter ein Vogelrestaurant an der Terrasse. Halt, eher ein Flughafen-Schnellimbiss. Sie fliegen in Scharen herrüber und picken, das wir kaum nachkommen, mit den Knödeln. Eins der ersten Dinge die ich im neuen Haus geksauft habe, war ein, hoho, Vogelführer. Er liegt bei uns auf der Fensterbank und wenn ein bislang unbekannter Gast vorbeischaut, wird er sofort überprüft. Noch ein Winternachmittagsstimmungsretter: Die große Kapla-Kiste, die es zu Weihnachten gab. Oder die Schleichtiere. Am besten beides zusammen. Oder wir holen die Eisenbahn-Kiste runter und bauen ausnahmsweise quer durchs Wohnzimmer und einmal rund um die Kücheninsel.

Manchmal verbringen wir einen ganzen Nachmittag im kuschelwarmen Bad, gern mit den Freunden der Kinder. Die Kinder jauchzen und planschen und ich setz mich dazu, auf den Boden, auf die fußbodenheizungswarmen Fliesen und gucke ihnen zu. Oder in eine Zeitschrift. Ich finde es schrecklich gemütlich wenn die Scheiben beschlagen und ich das Wintergrau draußen nicht mehr sehen muss. Und wie herrlich erfrischend, wenn ich nach dem Bad das Fenster zum Lüften öffne und die eisige Luft hereinströmt – genauso schnell wie vier fröstelnde Nackedeis unter die Decken im Kinderschlafzimmer. Blöde Wintersache dagegen: Immer wieder die Fliesen wischen wegen Schneematsch. Keine Energie mehr haben ab zwanzig Uhr. Dafür schlechte Haut.
Winter
Gegen halb sechs fange ich in der Woche im Winter meist an zu kochen. Ich versuche Winterküche zu kochen. Rotkohl vom Markt. Suppen. Oder mal einen Schweinebraten, vom Biohof die Straße runter. Draußen ist es längst stockdunkel und meistens werden die Kinder um diese Zeit eine Weile knatschig. Eine Zeitlang durften sie parallel etwas gucken, wenn ich gekocht habe, was ich aber schnell wieder abgeschafft habe, weil es schrecklich selbstverständlich geworden war. Sich plötzlich der ganze Nachmittag nur noch um Fernsehen drehte. Sie schon nach dem Kindergarten fragten, wann endlich Guckzeit ist. Jetzt also kein Fernsehen mehr. Bloß noch mal am Wochenende.

Manchmal malen sie am großen Tisch, wenn ich koche. Manchmal helfen sie mir. Dann lege ich zwei kleine Bretter und zwei stumpfe Messer auf den Kindertisch und sie dürfen schneiden. Sie wollen auch umrühren und abschmecken und salzen und umrühren. Nur den Tisch decken wollen sie nie. Ich versuche meist noch schnell eine Ladung Wäsche eimzuwerfen oder einen Wäschkorb voll zusammenzunehmen. Oder ich spiele noch schnell – immer hin und her zwischen Herd und Esstisch – eine Runde Mikado mit den beiden Großen.

Mein Lieblingsmoment: Wir essen abends alle zusammen, wann immer es geht. Im Winter zünde ich dabei meist eine Kerze an. Oder zwei. Die Kinder haben großen Spaß daran, unsere Spiegelbilder über uns in der Wintergartenfensterscheibe zu betrachten. Oder die dicken Schneepolster. Oder dem Regen zuzuhören. Mein Mann überlegt, wie wir den Wintergarten, diesen hinterhältigen Burschen, endlich dicht kriegen. “Die Kerze flackert so schön!”, sagen die Kinder. “Verdammt, da seht ihr wie es zieht!”, stöhnt der Mann.
Hamburg mit Kindern, Elbe
Meist bringe ich die Kinder ins Bett, alle drei. Mein Mann kann oft zum Abendessen kommen, verschwindet dann aber meist noch einmal im Büro. Es ist meist kurz anstrengend das Insbettbringen an diesen dunklen Winterabenden, wieder mal ein wenig zu spät, wie so oft und alle müde. Aber wenn ich bei jedem noch eine Weile mit im Bett liege, Seite an Seite, jedem seine Geschichte vorlese und wir kurz überlegen, was an diesem Tag besonders schön war, dann mag ich ihn doch. Den beinahe fabelhaften Herrn Winter.

Und ihr? Mögt ihr von euren Wintertagen erzählen?
Liebe Grüße,

Claudi