Da war sie. Die Frage. Und die Waffe. Dunkelbraun, ungefähr so lang wie mein Unterarm. Ich würde sagen: Cowboypistole. Mein Großer und ich standen in einem großen Spielzeugladen, er durfte Sachen für eine Geburtstagskiste aussuchen, zum ersten Mal. Er machte das großartig. Keine gruseligen, kleinen, gelben Männchen oder Monster oder all das Sinnlose, vor dem ich mich vorher gefürchtet hatte. Aber dann: Die Pistole…
“Nein!” sagte ich. “Wieso denn nicht?”, fragte mein Großer. “Weil ich Waffen nicht mag. Damit kann man jemanden umbringen”, sagte ich. Er dachte genau nach, ich konnte es sehen. “Aber Mama, ich bring doch kleinen um, das ist doch nur eine Spielzeugpistole.” Ich nickte: “Ja klar, diese schon, aber sie erinnert mich an die echten. Und die mag ich nicht.” Wir gingen ein Stück weiter und mein Großer legte einen Pappelefanten zum Anmalen in seinen Korb. “Aber Mama, ich spiele damit ja nur schießen, weißt du, so wie im Theater. Dort haben die Menschen doch auch Pistolen. Die brauchen das, weil sie böse spielen. Das magst du doch auch. Theater, meine ich.” Ich biss mir in die Unterlippe. “Mama, wie soll ich mich denn als Böser verkleiden, ohne Pistole, wenn die Bösen nun mal eine Pistole haben?”
Ich dachte nach. Ich konnte jetzt bei nein bleiben, dann hätten wir keine Pistole zu Hause. Aber vielleicht würde mein Großer zukünftig jeden Stock, jede Schaufel, jeden Besen hochheben und damit herumballern. Genau wie die paar Kinder, die ich kenne, die kaum Süßgkeiten dürfen. Die bleiben jedes Mal am längsten am Kuchentisch stehen und betteln. Und schmeißen sich irgendwann auf den Boden und schreien, weil es nicht mehr gibt. Während die anderen schon längst wieder spielen.
Ich fragte mich, ob eine spannende Sache nicht dadruch noch spannender wird, indem man sie verbietet. Ob man nicht alles nachspielen muss, als Kind, einfach um es zu verarbeiten. Die Windpocken des kleinen Bruders, den Arztbesuch, den Unfall auf der Kreuzung vor einer Woche, die Schießerei in einem Zug letztens, von der sie im Radio immer und immer wieder gesprochen haben. Und ich fragte mich, ob man als Junge mit fünf nicht manchmal böse spielen muss – um sonst (eingermaßen) brav zu sein.
Ich schluckte. Und ich sagte Ja. Die Pistole wanderte in seine Geschenkekiste. Er strahlte. “Vielleicht sucht sie ja gar keiner von den kleinen Gästen aus”, dachte ich noch.
Natürlich suchte sie einer aus. Aber das ist auch gut so. Es ist nämlich alles okay bei uns. Wir haben seither ganz oft über Pistolen, über Wafffen überhaupt, gesprochen. Über Säbel bei den Rittern auf der Burg, die wir im Urlaub angesehen haben. Auch über die riesigen, schwarzen Plastikkalaschnikows, die einige Schulkinder an Fasching dabei hatten und die wir beide doof fanden, weil die kleinen Kinder so Angst davor hatten und die so schrecklich echt aussahen. Und natürlich über Cowboys und Indianer und wie das überhaupt so war, damals.
Manchmal kommt der Mittlere rein, während wir reden, mit Weihnachtsmannmütze, goldener Handtsche, Perlenkette und Pistole als Räuber verkleidet, stellt sich hinter mich und droht: “Ich schieß dich tot.”
Dann schnappt sich der Große ruckzuck seine Waffe und ruft: “Keine Angst Mama, dann schieß ich dich wieder lebendig.”
So halte ich das bei uns gerade. So fühlt es sich für mich gerade richtig an. Mal sehen, wie lange, man lernt ja immer dazu, wenn die Kinder größer werden. Ich habe das kurz aufgeschrieben, weil ich Freitag das Foto oben bei Instagram gezeigt habe und es für heiße Diskussionen gesorgt hat. Kommentiert hier gern weiter: Wie haltet ihr das bei euch mit Spielzeugpistolen?
Alles Liebe und eine schöne – friedliche – Woche,
Ich habe drei Monster, zwei davon Jungs. Natürlich war auch ich gegen Pistolen, aber sie kamen doch irgendwie in unser Haus (ich weiss gar nicht mehr wie) und die Jungs ballerten begeistert rum. Beide haben später den Kriegsdient verweigert.
Liebe Marion,
ha, wie schön. Dann bin ich guter Hoffnung. Danke dir.
Alles Liebe!
Das ist wirklich ein spannendes Thema. Ich bin totale Pazifistin und war erst entsetzt bei dem Gedanken an Spielzeugpistolen. Bis mir einfiel das ich die als Kind zu Fasching selbst total toll fand (und immer so gerne eine gehabt hätte, aber nie Cowgirl sein wollte ;-)). Bei uns befindet sich zwar momentan keine “Pistole” im Haus, aber ich denke ich fände es in Ordnung (ansonsten wird ja auch jeder Gegenstand von meinem Sohn zur Waffe umfunktioniert). Diese Kalaschnikows im Fasching finde ich allerdings komplett daneben. War richtig enstetzt, als ich die dieses Jahr erstmalig sah.
Liebe Grüße
Jutta
Liebe Claudia,
ich fand das Foto auf Instagram auch zuerst sehr erschreckend! Allerdings kommt mir das Thema, dass das Spielzeug vom großen Bruder das Beste ist sehr bekannt vor und hab dann gedacht na gut…
Vielen Dabnk nun für Deine Gedanken zu dem Thema – bei uns zuhause ist es auch immer wieder ein Streitthema (mein Großer wird in wenigen Wochen 7 Jahre alt). Bisher ist der Haushalt noch frei von Pistolen (außer den Wasserpistolen), aber mein Junge hat auch noch nie so geschickt argumentiert wie Deiner…
Allerdings gibt es bei uns die strikte Regel, dass nicht auf Menschen geschossen wird (mit Stöckern oder halt den Wasserpistolen) – auch nicht als Spiel, da ich es selbst als Spiel entsetzlich finde. Deine Gedanken haben mich nun aber etwas zum Nachdenken gebracht – ich glaube, ich lehne es z.T. auch immer ab, weil es einfach so sein sollte (in meinen Augen) – daran, dass die Kids dieses Nachspielen von Kämpfen (im Zweifel halt auch mit Pistolen) zur Aufarbeitung von was auch immer vielleicht brauchen, habe ich eigentlich noch nie gedacht…
Liebe Grüße,
Marit
PS: Schön, dass die Seite wieder geht!!
Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum man Spielzeugwaffen kauft! Ich habe 5 Geschwister, sogar 4 Brüder und es gab bei uns NIE Pistolen oder Waffen zum spielen. Auch keine Wasserpistolen. Und wir hatten als Kinder einen Riesen Spaß und immer das Haus voller Kinder, die alle gerne bei uns waren.
Ich habe 2 Kinder und es kommen bei uns auch keine Waffen ins Haus, niemals. Egal, wie gut die Kinder argumentieren können, man kann es doch gut erklären, warum nicht…
Krieg findet jeder traurig, ich finde ganz einfach, dass es kein Spiel ist, jemanden tot zu schiessen und lebendig kann man leider niemanden mehr schiessen. Und zur Aufarbeitung von Erlebnissen oder was auch immer brauchen Kinder doch wohl auch keine Waffen…???!
Ich kann leider nicht bei instagram kommentieren. Aber beim letzten Kommentar frage ich mich ernsthaft, welche Mutter darüber lacht, wenn sie auf ihre Kinder mit einem Leserschwert schießt. Auch wenn sich das piu piu lustig anhören mag…ich finde das sehr merkwürdig…
Liebe Claudi,
du schreibst: “Und ich fragte mich, ob man als Junge mit fünf nicht manchmal böse spielen muss – um sonst (eingermaßen) brav zu sein.”
und genau das ist der Punkt, das ist der richtige Gedanke!! Ich glaube Jungs müssen das einfach (mal) machen.
Wir wollen doch, dass unsere Jungs zu vernünftigen, tatkräftigen MÄnnern werden und da gehört es dazu richtig Junge sein zu dürfen und dazu gehört eben auch eine Pistole zum Spielen.
Ich bin auch absolut kein Fan von Waffen und Pistolen und teile deine Gedanken voll und ganz! Ich glaube auch, je mehr man es ihnen verbietet um so größer wird die Sehnsucht und was sich daraus dann vielleicht später entwickeln könnte, daran mag ich garnicht denken.
LG Katharina
Liebe Claudi,
das Thema “Waffen” ist bei uns ein ganz brisantes Thema! Hier in den USA spielen nicht nur viele Kinder mit Waffen, sondern viele Familien in den Suedstaaten haben eine echte Waffe (oder mehrere) Zuhause! Fuer die meisten Eltern ist es also nichts ungewoehnliches, dass ihre Kinder mit Spielzeugwaffen spielen. Die Jungs unserer Nachbarn “bekriegen” sich fast taeglich im Park, vermummt und mit Waffen, die nicht mehr nach Spielzeug aussehen.
Bislang gibt es in unserem Haus noch keine Waffen (weder Spielzeug noch echte 🙂 und mein Sohn (2.5 Jahre alt) hat auch noch nicht danach gefragt. Er “schiesst” aber sowieso mit allem, was sich als Waffe benutzen laesst: Banane, Lego-Steine, Stoecke, Stifte etc. Und er guckt sehr interessiert den aelteren Jungs zu… Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis er mitspielen moechte. Wie ich damit umgehe, weiss ich noch nicht. Ich sehe es aber aehnlich wie Du: komplett verbieten ist fuer mich keine Loesung.
Schoen, dass Deine Seite so schnell wieder funktioniert! Dein Glueck kann ich auch gut gebrauchen: bei mir hat sich naemlich gestern mein Computer komplett verabschiedet. Ich glaube, die Festplatte ist kaputt. Aaahh!
Liebe Gruesse,
Tina
PS: Geht es eigentlich mit den Selfies auf Instagram weiter oder bleiben die noch ein bisschen in der Sommerpause :-)?
Hallo Claudia,
interessantes Thema, finde ich gerade total spannend. Ich mag auch keine Pistolen, mit Schwertern kann ich noch leben. Bisher haben wir außer Wasserpistolen und den “ich tu so als ob” Pistolen auch noch keine Spielzeugpistole im Haus. Aber das Thema wird bestimmt auch bald auf uns zukommen.
Darf man auf Menschen schießen? Wo ist die Grenze, wodrauf darf man schießen und es haben ja auch gute z.B. Polizisten Waffen. Ich finde es total schwer Stellung zu beziehen weil ich eigentlich gar keinen Schießen-Spielen mag. Aber die Lösung ist wahrscheinlich nicht, es ganz zu verbieten, weil es dann wirklich umso interessanter wird. Vielleicht muss man klare Regeln festlegen und sich mit den Kindern zusammen damit auseinander setzen. Ich bin sehr gespannt wie es bei uns so sein wird.
Viele Grüße,
Sandra
Hallo Claudia,
unsere Jungs sind jetzt 17 und 15. Meine Beobachtungen ergeben, dass alle Jungs schießen. Mit was auch immer. Egal, ob sie aus “bildungsfernen Schichten” oder einer Pastorenfamilie kommen (Achtung: Klischees!). Wir haben ihnen eine Pistole oder ein Gewehr erlaubt, weil wir das als Kind selbst hatten (und es ist gut gegangen) und weil man ohne nicht ordentlich Cowboy spielen kann. Aus der Verpackung eines Gewehrs wurde direkt mit fünf schwarzen Kreisen eine Biathlon-Zielscheibe 🙂
Das “nein” haben wir uns aufgehoben für die (zum Glück nicht so dringende) Frage nach einer Soft-Air (das sind die, die mit den kleinen gelben Kugeln richtig schiessen). Kein Problem, wird voll akzeptiert, uff!
Gegen die Computerspiel-Diskussionen, die mit Pubertisten zu führen sind, ist das alles Kleinkram. Leider! Und auch da endet die Kontrolle, wenn die Kinder das eigene Zuhause verlassen und bei Freunden spielen…
Altersgerechte Gespräche sind meiner Meinung nach effektiver, als alle Regeln und Einschränkungen.
Viele Grüße
Claudia
Absolut richtig gelöst finde ich! GLG
Ha, danke ; )
Liebe Claudia,
danke für Deine Sicht der Dinge. Ich sehe das ähnlich wie Du. Hier wird bei meinen Söhnen am liebsten mit dem Schwert und als Ritter verkleidet gekämpft. Spielzeugpistolen haben sie letzten Sommer ganz stolz von der Kirmes mit nach Hause gebracht. Gewonnen beim Entenangeln. Ich war erst nicht begeistert und fühlte mich irgendwie komisch. Habe dann mit Ihnen darüber gesprochen warum ich Spielzeugwaffe nicht gut finde. Aber jetzt ist es für mich ok, ich glaube als Kind ist es auch wichtig in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Der Opa ist übrigens Hobbyschütze und einer der liebsten Menschen auf dieser Welt.
Lieben Gruß Jenny