Wenn ich über unseren Jahreszeitentisch schreibe, denke ich seltsamerweise immer kurz an die Zeit, als ich noch Redakteurin bei der Frauenzeitschrift Maxi war. Im Verlag gab es eine Kollegin, die hatte (wir wir alle dort damals) noch keine Kinder – aber Filzpüppchen auf der Fensterbank. Ich erinnere mich, dass ich das damals sehr, sehr seltsam fand. Ich hatte gerade meine Küche in meiner klitzekleinen Wohnung im lässigen Hamburger Portugiesenviertel knallrot gestrichen, ein Dutzend Lämpchen aus dem Chinaladen an die Decke gehängt und sparte auf einen echten Designklassiker. Ich hätte mir alles in die Fensterbank gestellt – außer Filzpuppen…
Frühlingsanfang, Jahreszeitentisch
Es ist merkwürdig mit Kindern. So sehr mit ihnen unendlich mehr Herzkammern in der Brustgegend wachsen, so ändern sie auch den Einrichtungsgeschmack. Bei mir zumindest. Mein Geschmack und ich, wir sind über die Jahre viel milder und wärmer geworden. Wir lassen mehr zu, sind genügsamer. Und das ist keinesfalls nur Kompromiss. Das ist das, was ich inzwischen wirklich mag. Ich liebe heute Holz, streiche nicht mehr alles weiß, ich mag Hanf (also in der Einrichtung) und kuschelige Materialien. Und ja: Inzwischen dekorieren wir das ganze Jahr über eine Fensterbank jahreszeitenmäßig, gern auch mit Filzpuppen. Manchmal muss ich schmunzeln, wenn ich sie sehe.

Unser Jahreszeitentisch, bzw. Jahreszeitenfenster betreiben wir nicht dogmatisch. Es gibt kein teures Waldorfhäuschen, keine Seidentücher. Mal steht nur ein Blumenstrauß da und eine Figur, mal haben die Kinder und ich Lust und dekorieren eine ganze Jahreszeitenwelt, mit der dann übrigens auch gern gespielt werden darf. Unser Jahreszeitenfenster sieht daher oft nicht aus wie aus dem Waldorfkatalog, aber dafür wird es gelebt. Ich habe keine Ahnung, ob meine Kinder wissen, was sie da tun. Und wofür es gut ist. Ich glaube, sie mögen es, dass dies Fensterbank immer wieder umdekoriert werden darf, dass dort Platz für Schätze ist, Moos, Schneckenhäuser, Stöcke, Eisklumpen (in Schalen).

Manchmal wohnt ein Eisbär im Sommerfenster – weil er eben mal schauen wollte. Der Spaß ist mir bei der ganzen Sache das Wichtigste. Auch mein Spaß. Ich mag es, wie sehr man dank Kindern die Jahreszeiten zelebriert. Ich erinnere mich aber auch immer wieder gern an den Artikel von der tollen Susanne Mirau, in dem sie beschreibt, wie sie den Jahreszeitentisch mit ihren Kindern dekoriert, feierlich, mit viel Liebe, und plötzlich ein Kind fragt: “Mama, was ist eigentlich ein Jahreszeitentisch…?” Könnte hier glaube ich genauso gefragt werden.
Keimlinge, Jahreszeitentisch
Jahreszeitentisch
Und dennoch ist unser Jahreszeitenfenster ein Ort, der die Welt da draußen im kleinen nachempfindet. Er hat uns schon oft angeregt, über das Wetter zu sprechen, wie eigentlich Schnee entsteht oder Hagel. Besonders jetzt, in der spannenden Übergangszeit von Winter zu Frühling passiert ganz viel auf unserer Fensterbank – und das ist faszinierend zu beobachten. Den langsame Wechsel der Jahreszeiten zeigt auch unser Tisch, auf der einen Seite ist noch Winter, dort wohnt König Winter (nach dem Buchklassiker “Olles Reise zu König Winter” – Affiliate Link) in seinem Schloss, mit Eistieren und Baumwollzweigen die für uns immer aussehen als wachsen Schneekugeln daran. Auf der anderen Seite kommt der Frühling, mit zarten Lagen aus grünen Servietten und ein paar Keimlingen – von denen es einer schon durch die Erde geschafft hat, während die anderen noch darunter warten. In der Mitte steht Mütterchen Tau, die den Schnee zum Tauen bringt und endlich putzen möchte, damit der Frühling kommen kann. Dieses Bild stammt auch aus dem Buch rund um Olle und meine Jungs lieben die Vorstellung, dass Mütterchen Tau irgendwann kommt und den ganzen Winterdreck wegfegt.
Mütterchen Tau
Die Requisiten für einen Jahreszeitentisch sind teuer, zumindest wenn man sie kauft. Mit ein wenig Fantasie kostet das ganze nicht viel: Muscheln, Zweige, Eicheln und andere Naturschätze sind umsonst, einige Schleichtiere oder Holztiere haben die meisten ohnehin zu Hause und die Figuren lassen sich selbst basteln. Einige unserer Figuren habe ich aufwendig in einem Filzkurs gebastelt. Als die Jungs jetzt ein Mütterchen Tau wollten, haben wir fix eins zusammen gemacht. Basis: Ein Holzrohling. Damit lassen sich übrigens auch andere Figuren für den Jahreszeitentisch ganz einfach – und günstig herstellen. Mal sehen, welche hier bei uns im Laufe des Jahres noch einziehen werden. Unsere selbstgemachten Keimlinge gehen so leicht, die haben die beiden großen ganz alleingemacht. Ich habe bloß den Finger beim Knoten machen draufgehalten, damit nichts verrutscht. Ach ja: König Winters Eispalast haben wir übrigens einfach auch Tonkarton zurechtgeschnitten. Durch ein paar Faltungen steht er sogar.
Mütterchen Tau,
Keimling selbermachen,
Mütterchen Tau für den Jahreszeitentisch basteln
Ihr braucht:
Holzfigur (ich habe diese bestellt – Affiliate Link – und daraus schon alle möglichen Figuren gebastelt), Stoffreste oder Servietten, Watte oder Märchewolle, kleine Äste, Band, Stift, Kleber

So gehts:
Aus dem Stoff jeweils einen Halbkreis und eine einfache Schürzenform zuschneiden. Märchenwolle als Haare auf den Rohling kleben, Schürze umlegen, hinten verknoten. Stoffhalbkreis als Mantel um die Figur legen, um den Hals mit einem Faden befestigen. Aus einen längeren und vielen kürzeren Ästen einen Besen binden. Mit einem Tropfen Kleber an Mütterchen Tau befestigen.

Easypeasy Keimlinge:
Ihr braucht:
Serviette oder Stoff in Grüntönen, Holzkugel, Band

So gehts:
Aus Stoff oder Serviette schmale Streifen schneiden. Jeweils zwei Streifen um die Holzkugel legen und mit einem Band zusammenbinden. Fertig!

Jahreszeitentisch, Frühling
Es ist eine faszinierende Zeit da draußen gerade, oder? Jeden Tag entdecken wir einen neuen Hinweis auf den Frühling (Schneeglöckchen, die ersten Krokusse, Vögel) und dann müssen wir doch wieder die Autoscheiben freikratzen. Seit ich dieses Jahr das erste Mal noch nicht das ganze Wohnzimmer mit Tulpen dekoriere, schaue ich viel genauer hin. Und genieße jeden kleinen Frühlingshinweis. Dieses Jahr möchte ich ihn auch nicht verpassen: den Tag, an dem alles wieder grün ist (war sonst immer schwupsdiwups über Nacht da).
Frühlingstisch, Jahreszeitentisch,
Genauso schön wie draußen und im Jahreszeitenfenster, spüren die Kinder den kommenden Frühling bei dieser Massage-Geschichte. Meine Jungs lieben das. Die Massage ist perfekt, um abends runterzukommen oder für langweilige, graue Vorfrühlingssonntage. Manchmal enden unsere Massagen statt in der Stille auch im wilden Kitzel-Gelage. Was ja aber auch nicht schlecht ist…

Für die Massage legt sich ein Kind auf den Bauch, das andere (oder Mama oder Papa) setzen sich daneben.

Massagegeschichte: „Wie der Frühling die Tiere weckt“
Es ist ein Morgen im März, die Reste des Schnees liegen noch auf Wiesen und Feldern.
Aber heute scheint die Frühlingssonne besonders warm und der restliche Schnee sckmilzt langsam weg.
(Handflächen stark aneinanderreiben und Hände dann flach auf den Rücken legen. Etwas verweilen.)
Man kann den Frühling in der Luft riechen. Frisch. Und irgendwie süß.
Durch das zartgrüne Gras krabbelt schon der erste Käfer.
(Mit den Fingerspitzen als „Käfer“ über den Rücken laufen.)
Er trifft eine langsam kriechende Schnecke.
(Mit der Hand langsam über den Rücken streichen/kriechen.)
Plötzlich fängt es an zu regnen. Viele tausend und abertausend Regentropfen prasseln auf Felder und Wiesen.
(Mit den Fingerspitzen als „Regentropfen“ auf den Rücken prasseln/klopfen.)
Der Regen weckt auch die übrigen Wiesenbewohner. Die Spinne huscht schnell durch den Regen.
(Mit den Fingerspitzen als „Spinne“ über den Rücken laufen.)
Da drüben, guckt dort nicht ein Regenwurm aus der nassen Erde? Er kriecht aus seinem Erdtunnel langsam über das feuchte Gras.
(Mit der Hand langsam über den Rücken streichen/kriechen.)
Er kriecht zur einen Seite und dann zur anderen Seite der Wiese.
(Mit der Hand langsam auf dem Rücken hin- und herstreichen/-kriechen.)
Dann verschwindet er wieder in der Erde.
Plötzlich krabbeln zwei flinke Käfer durchs Gras und krabbeln an den Grashalmen rauf und runter.
(Mit den Fingerspitzen beider Hände als die zwei „Käfer“ über den Rücken laufen. Mal hoch Richtung Kopf, mal runter.)
Erst krabbeln sie hintereinander her, dann laufen sie durcheinander.
(Mit den Fingerspitzen beider Hände als die zwei „Käfer“ über den Rücken laufen. Erst hintereinander, dann durcheinander.)
Irgendwann hört es auf zu regnen.
Da kriecht die Schnecke wieder los.
(Mit der Hand langsam über den Rücken streichen/kriechen.)
Sie guckt der Spinne nach, die flink an ihr vorbeiflitzt.
(Mit der Hand langsam als „Schnecke“ über den Rücken streichen/kriechen und mit den Fingerspitzen der anderen Hand als „Spinne“ über den Rücken „krabbeln“.)
Eine Biene fliegt vorbei, sie sucht nach einer Blume, die ihre Blüte bereits geöffnet hat.
(Mit dem Zeigefinger über den Rücken hin- und herstreichen/-fliegen.)
Jetzt steht die Sonne wieder am Himmel, höher als in den Wochen zuvor und wärmer.
(Handflächen stark aneinanderreiben und Hände dann flach auf den Rücken legen. Etwas verweilen.)
Spürt ihr ihre Wärme?
Frühlingsmassage, Jahreszeitentisch, Frühling,
PS. Meine Jahreszeitentisch-Lampen Idee vom letzten Jahr findet ihr hier.
Ein schönes Winterende-Wochenende wünsche ich euch,
alles Liebe,

Claudi