Ich wünschte unser Urlaub am Gardasee wäre eine Langspielplatte. Eingepackt in eine quadratische Hülle, könnte ich sie immer aus dem Flurregal ziehen, wenn ich möchte. Würde sie auf unseren alten Plattenspieler und mich aufs Sofa legen, die Augen schließen und schon wär ich wieder drin: in unserem ersten Urlaub zu sechst…
Die Platte würde mit Autobrummen starten und mit leisem Fahrtwind. Vielleicht würde man ein paar Weinblätter rascheln hören. Knirschender Kies, klappernde Türen und lautes Jubeln, weil es so schön ist. Und dann würde ich den Agriurismo-Hof “Le Caldane” wieder vor mir sehen. Das langgezogene, sonnengelbe Haus mit den espressofarbenen Fensterläden mitten in den Weinbergen. Die Zypressen und die pinkfarbenen Bougainvillen. Und die flinken Salamander, die noch schneller über den heißen Natursteinweg flitzen als die sechs Beine meiner Jungs.
Danach würde ich Schritte auf Fliesenboden hören, das Klappern eines großen Schlüssels im Schloss. Das leise Rumsen kleiner Kinderkörper, die sich auf weißbelakte Matratzen fallen lassen. Das Quietschen der sich öffnenden Fensterläden. Jede Menge Nackefüße, die die hölzerne Hochbettleiter rauf- und runterklettern. Immerzu, pitsch, patsch, trippel, trappel wie eine Horde Ameisen. Eine Kühlschranktür, die sich öffnet und schließt, das Sprudeln von eiskaltem Mineralwasser in einem Glas.
Später vielleicht das Blubbern von Nudelwasser auf dem Herd in der kleinen Küchenzeile in unserem Zimmer. Das Ploppen einer Weinflasche, bei der jemand den Korken zieht. Im kleinen Weinladen von “Le Caldane” gibt es neben köstlichem Olivenöl auch diverse Weine, leider konnte ich mich wegen des Stillens dieses Mal nicht mit durchs Sortiment probieren.
Ich müsste daheim auf meinem Sofa grinsen, wenn ich das Quietschen der Schaukel wieder höre, das Erzählen, Rufen, Lachen der Kinder, meiner und der anderen aus den 16 Zimmern im Gutshaus und von den paar Wohnwagenstellplätzen. Es hatte keinen Tag gedauert und sie waren eine Bande. Das Klappern der Sonnenschirme wäre drauf, das Einrasten der Liege, das Planschen der Kinder im Pool. Selbst nachmittags, mitten im August, gab es immer einen freien Platz für uns dort. Jetzt würde ich ganz sicher beinahe eindösen, denn eine ganze Weile wäre auf der Platte nichts zu hören außer dem Rascheln von Buchseiten.
Vielleicht ab und zu ein Glucksen meines Babys. Ein paar nette Worte mit dem Liegennachbar. Von weiter her würde ich leises Ziegengemecker hören – und die Kinder, die vor dem Zaun mit den Ziegen um die Wette blöken. Alle in einer Reihe. Nur einmal würde ich hochschrecken, weil mein Mittlerer schrill schreit. Ein Wespenstich unter der Fußsohle. Die ganze Kinderschar war sofort losgerannt und brachte Berge von Zwiebeln gegen die Schmerzen.
Ein paar Mal waren wir die wenigen Kilometer zum Gardasee gefahren, also wäre auch ein wenig Wellenplätschern auf der Platte. Leises Sonnenanbetergemurmel. Das Rollen unseres übervollen Bollerwagens auf dem Asphalt. Das Streiten der Jungs darüber, wer dran ist mit Ziehen. Dann wieder nur Planschen und Buchseitengeblätter, die meiste Zeit sind wir nämlich einfach am Pool geblieben. Gegen Nachmittag würde ich die Kinder kichern hören, wie sie losziehen, um einen Kinder-Hugo vorn im winzigen Laden zu trinken. Die beiden Bedienungen servieren ihn mit Minzeblättern, einer kleinen Schale Chips und einer Runde Klönen dazu. Geld brauchen sie keins. Wie immer einfach anschreiben bitte.
Zum Ende hin wäre melodisches Ping Pong auf der Platte und in Gedanken würde ich uns wieder Tischtennis spielen sehen. Danach würde ich das Klirren und Klappern vorn Geschirr und Besteck hören und das leise Gemurmel der Gäste im kleinen Restaurant auf dem Agriurismo-Hof. Das Essen ist so gut, dass auch viele von außerhalb angefahren kommen. Besonders dienstags und mittwochs, wenn es nur Lasagne gibt. Man muss dringend reservieren, sonst bekommt man keinen Happen ab. Ein paar Mal haben wir mit einigen anderen Familien den Grill angeworfen, es wäre also auch das leise Fluchen der Väter auf der Platte, weil der Grill so schlecht zieht: über dem Abzug wachsen schwer die dichten Äste einer riesigen Bougainvilla.
Schließlich das Grand-Finale: Das Glucksen meines trinkenden Babys und das Rascheln weicher Laken oben im Zimmer, während durch die offenen Fensterläden noch lange das Knirschen von Schritten auf dem Kies, Stimmengemurmel der Erwachsenen an der langen Tafel, Kinderjubel und Weingläserklirren durch die milde Abendluft klingt. Und ganz am Ende ein Tusch, weil es so schön war.
Weil ihr es seid, verrate ich euch unsere Unterkunft und unsere Lieblingsplätze am Gardasee (obwohl ich ein wenig Angst habe, dass dann nächstes Mal für uns nichts mehr frei ist, weil es wirklich so schön ist.)
Schlafen:
Der Agriturismo-Hof “Le Caldane” mitten in den Weinbergen neben dem winzigen Ort Cola wird von der sehr freundlichen Familie Jucker geführt. Es gibt einige Zimmer mit Küchenzeile und Hochbetten mit Platz für viele Kinder. Auf dem Hof gibt es Kinderspielgeräte, ein paar Ziegen, Tischtennis, einen kleinen Laden (mit wunderbarem Wein!), ein Restaurant und einen Pool. Wer Glück hat, darf bei der Weinlese dabei sein. Wer mit dem Wohnmobil unterwegs ist, findet einen Platz direkt unter den Reben. Übrigens: In der Gegend Cola/Lazise/Bardolino gibt es reichlich andere Agriturismo-Höfe, also Bauernhöfe oder Weingüter, die einfache Unterkünfte mit Frühstück oder Halbpension anbieten. Fast alle sahen im Vorbeifahren wunderschön aus.
Essen:
Wir haben ein paar Mal im Restaurant von Le Caldane gegessen. Es gibt eine kleine Karte mit einer feinen Auswahl, leckeren Wein und köstliche Desserts -und das alles sehr bezahlbar. (An den Lasagnetagen dienstags und mittwochs muss man unbedingt reservieren). Außerdem gibt es in Cola eine wunderbare Pizzeria: Il Papero Nero.
Baden:
Wir sind meistens am Pool geblieben, weil es am See im August schon sehr voll ist. Eine recht schöne, kostenlose Badestelle ist Ca Lino. (Unbedingt das Nusseis in der Eisdiele vorn am Parkplatz probieren.)
Machen:
Wer trotz der Hitze abenteuerlustig ist oder einen bewölkten Tag erwischt, sollte den Naturpark Parco delle Cascate bei Molina besuchen. Wir sind vom Parkplatz eine ganze Weile einen Sandweg entlang gewandert, bis wir den Eingang des Parks erreichten. Unterwegs gibt es hübsche Aussichten über tiefgrüne Weinberge. Durch dichten, schattigen italienischen Urwald schlängelt sich dann ein Pfad zum großen Wasserfall. Wer noch weiter wandern mag, kann mehr spektakuläre Wasserstellen entdecken. Achtung: Für diesen Ausflug unbedingt feste Schuhe einpacken. Für Karren und Kinderwagen eignet sich der Weg nicht.
Shoppen:
In dem kleinen Ort Cola scheint die Welt stehen geblieben zu sein. Hier parken auschließlich italienische Autos (kreuz und quer), hier schlurfen ältere Herren gegen Abend zum kleinen Supermarkt und klopfen in aller Seelenruhe alle Melonen auf dem großen Melonenhügel vor dem Laden ab. Direkt daneben gibt es eine erstaunlich große Auswahl Handbesen. Ältere, blumenbekittelte Damen gießen durch verblichene Plastikvorhange lächelnd ihre Geranien. Wenn wir vorbei kamen, guckten sie freundlich, lächelten, zählten: “Uno, du, tre, quattro…!” “Quattro!” Und lächelten noch mehr, rotwangig, von einer faltigen Wange bis zur anderen.
Einen großen, perfekt ausgestatten Supermarkt findet man auf der Straße Richtung Ca Bianca. Dort gibt es auch mehrere Pfirsichplantagen – ein riesengroßer Spaß für die Kinder. Und sooo lecker!
Bummeln geht wunderbar in Bardolino, besonders abends, wenn all die Sandsteinfassaden hübsch und so typisch italienisch im Straßenlaternenlicht schimmern. Und ja, es lohnt sich, sich unten am Hafen für das Eis im Biancaneve anzustellen (zusammen mit zwei Dutzend anderen Touristen). So gut!
Habt ihr noch Tipps für die Gegend?
Ein schönes Wochenende und alles Liebe,
Wir planen gerade unsere vier Wochen Elternzeit nächsten Sommer und hatten überlegt an den Gardasee zu fahren. Ich glaube jetzt steht die Entscheidung fest. DANKE für diesen großartigen Bericht!
Ich war auch gerade kurz mit in Italien 🙂
Kurzurlaub im Kopf- herrlich!
Ein schönes Wochenende Euch allen.
LG Nadin
Oh wie schön, und wieder so toll geschrieben. Du hast mich in meiner kurzen Auszeit in den italienischen Sommer gebeamt.Vielen Dank für die Extraportion Sonne und der Wärme im Herzen.
Liebe Grüße
Kathy
Liebe Claudia,
ich habe schon sehnsüchtig auf diesen Beitrag über euren Urlaub gewartet. Vielen Dank für den tollen Bericht.
LG
Verena
Liebe Claudi,
wir scheinen einen ähnlichen Geschmack zu haben, was Urlaubslangspielplatten angeht. Wir hatten Kinderlachen, Gespräche und Gesang vom Festa dell’Agola in Castelletto di Brenzone. Immer im Juli, nächtes Jahr am 9. und 10. Juli. An langen Biertischen entlang des Sees wird der traditionelle Gardaseefisch Agola gegessen. Kinder probieren den Spieleparcours auf dem kleinen Dorfplatz aus. Die Lichter spiegeln sich im See und zum Nachtisch gehen wir in die Eisdiele nebenan. Das Feuerwerk um 23 Uhr wird nur durch das Gewitter hinter den Bergen getoppt. Unbedingt ausprobieren: Trattoria Sarsissa, zwischen der Kirche und dem Despar den Berg hoch in einer kleinen Gasse. Dort essen die Leute aus dem Dorf. Castelletto ist einer der ursprünglichsten und süßesten Orte am Ostufer. Der Besitzer des Souvernierladens schenkte meinen Kindern jedes mal eine Kleinigkeit und mir eine Postkarte.
Im September waren wir übrigens in Hyères. Wir haben es geliebt. Danke, Claudi.
Oh wie wunderbar! Das merke ich mir für eins der nächsten Jahre ; )
Ganz liebe Grüße,
Claudi
Hach, du schreibst einfach so schön.
Mir ist als wäre ich dabeigewesen.
Liebe Grüße
Jutta
Und du kommentierst so schön. Danke!
Ganz liebe Grüße,
Claudi
Da möchte ich auch hin? Es ist aber eine lange Fahrt. Oder habt ihr einen Zwischenstopp eingelegt? Liebe Grüße, Wiebke
Es ist wirklich wunderbar dort. Und ja, wir haben in München zwischengestoppt.
Liebe Grüße!
Oh vielen lieben Dank für deine Urlaubstipps!
Wir planen gerade unseren Urlaub, da bin ich hier auf deinen Beitrag gestoßen. Hattet ihr das Appartement? Und kann man in den Räumlichkeiten einigermaßen kochen oder ist das nur bedingt möglich? Wir sind fünf Personen (Eltern, Schulkind, Kindergartenkind und Kleinkind).
Vielen Dank schon mal für deine Antwort!
Herzlichst,
Julia
Liebe Julia, wir hatten bloß ein Zimmer mit Küchenzeile. Ich fand, das hat für kleine, schnelle Urlaubsgerichte sehr gut gereicht.
(Wir sind aber auch nicht Geruchempfindlich).
Ich wünsche euch eine wunderbare Zeit – es ist wirklich wunderbar dort.
Alles Liebe,
Claudi
So schön geschrieben,als hätte man es selbst erlebt. Die Zeit mit den Kindern und Stimmungen festhalten. Das wäre wunderbar!
Ich danke Dir für diese schönen Zeilen. Es ist eine Freude deine Texte zu lesen. Ich hab selber drei Kinder und irgendwann die Sehnsucht nach Nummer vier. Danke!
Das freut mich sehr. Danke dir!
Alles Liebe,
Claudi
Dein Artikel ist zwar schon von 2017, aber er passte so perfekt zu unserer Urlaubsplanung! Lächelnd gelesen und direkt am Weingut angefragt. Tadaaa! Es gibt noch ein Appartement und geht für uns im Juli zum Familienurlaub nach Le Caldane an den Gardasee! Die Vorfreude ist riesig!!! Danke dir!!!
Ganz atmosphärisch geschrieben….
Wir planen auch einen Aufenthalt auf dem Weingut! Für uns das erste Mal am Gardasee, wir nehmen unsere liebe Hündin mit und hoffen auf entspannte Bella-Italia- Tage! Könntest du ein paar schöne Badestellen mit Kind und Hund verraten?
Wir haben ja – leider – keinen Hund. Daher kenne ich mich überhaupt nicht aus.
Mit den Kids sind wir einfach den kürzesten Weg runter zum See gefahren.
Liebe Grüße
Claudi