Wie aus einer anderen Zeit. Das denke ich, wenn ich die Kindersachen von Meike und ihrem Label Sandstrasse sehe. Ich denke an alte Fotos von unbeschwerten Kindheiten auf dem Land, ans Spielen zwischen Wald und Wiesen, an eine große kindliche Freiheit – weit weg von jeglichem Helicoptererlterngetue. Meikes neue Herbst-Winter-Kollektion mit ihren matten, wunderschönen Farben, natürlichen, robusten Stoffen und klassischen Schnitten (weite Hängekleider für Mädchen, Hemden und Knickerbocker für Jungs) sind wie ein Alarm-Piepen meines Handys, das mich stets daran erinnert, meine Kinder so oft wie möglich Kind sein zu lassen. Und das passt ganz wunderbar in die heutige Zeit…
schöne Kindermode
Meine Jungs lieben die Sachen ebenfalls. Kein Wunder, sie lassen sich einfach an und ausziehen, sie gehen nicht sofort kaputt, wenn man damit mal wieder in den Matsch fällt. Sie sehen gut aus, obwohl sie sie mal wieder in die Ecke geprummelt haben – und nicht wie verabredet ordentlich auf den Stuhl am Bettende gelegt. Mit dem Großen, der seit er in der Schule geht plötzlich noch viel größer ist, habe ich auch schon darüber geredet, wie Kleidung eigentlich entsteht, die in den großen Ketten und die von Meike. Und dass Kleidung, so wie Meike sie macht, zwangsläufig ein wenig teurer sein muss als die riesigen Hosenstapel in den großen Ketten. Im Mai haben meine drei gemeinsam mit Meikes Kindern für Sandstraße gemodelt – hatten riesig viel Spaß dabei und sind jetzt irre stolz über die Fotos vom Shooting.

Und ich? Ich streiche über die wunderschönen Stoffe, bewundere die simplen und dennoch raffinierten Schnitte und frage mich wieder einmal, wie und wann Meike das alles schafft. Ganz ehrlich: ich habe zu Beginn meiner ersten Elternzeit auch kurz von einem eigenen kleinen Kinderklamottenlabel geträumt, einfach weil ich so wenig Kindersachen gefunden habe, die mir wirklich gefielen. Ich habe es zum Glück nicht gemacht. (Ich kann einfach besser schreiben als nähen). Trotzdem wollte ich von Meike einmal ganz genau wissen, wie das eigentlich so ist, mit seinem eigenen kleinen Label…
Vintage Kindermode
Wasfürmich: Sag mal Meike, deine Schnitte sind so toll, deine Kollektionen wirken so professionell, hast du das Schneidern gelernt? Was hast du vorher gemacht und seit wann gibt es deinen Shop?
Meike: Ich habe Modedesign studiert. Nach dem Studium habe ich mit zwei Freundinnen ein Label gegründet, kurz darauf hatten wir sogar unseren eigenen Laden in Berlin-Mitte. Wir haben wie üblich zwei Kollektionen im Jahr entworfen und diese auf Messen (in Berlin, Paris und Kopenhagen) gezeigt, nähen lassen, ja sogar in den Galeries Lafayette Berlin und im Breuninger Stuttgart verkauft. Das heißt, ich habe das alles gelernt und auch schon einmal gemacht – mit dem Unterschied, dass ich aktuell mit meinen Kollektionen nicht auf Messen gehe und einen Onlineshop betreibe. (Das liegt v.a. daran, dass Bio-Kinderkleidung made in Germany in der Herstellung so teuer ist, dass die Preise in den Läden entweder absurd hoch wären oder die Marge für die Händler und mich sehr, sehr gering. Es lohnt einfach nicht, daher kauft man Kleidung aus der Sandstrasse direkt in der Sandstrasse ein.) Die Sandstrasse gibt es seit Anfang 2015, zu Beginn hatte ich einen Shop bei DaWanda, nun endlich aber, seit Anfang März, habe ich mein eigenes Lädchen: http://www.sandstrasse-shop.com
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Wasfürmich: Du machst alles selbst oder? Deine Klamotten, das Marketing, die Fotos, Social Media, Vertrieb… Woher kannst du das? …
Meike: Obwohl ich oft als „Das Team aus der Sandstrasse“ angeschrieben werde: noch ist die Sandstrasse eine one-(wo)man-show, ja. Einiges habe ich gelernt, anderes (wie Social Media) habe ich einfach ausprobiert, ohne jegliche Kenntnisse und Vorahnungen. Ich habe aber ein paar Jahre in einer PR-Abteilung gearbeitet, diese Erfahrungen stützen mich sicherlich ebenfalls.
Sandstraße
Wasfürmich: Liegt euer Haus eigentlich voller Stoffe? Und was bitte sagt dein Mann dazu? Und hast du auch immer diese feinen Nähfädenreste an den Socken kleben?
Meike: Meine Stoffe lagern in meinem Atelier, ein paar auch im Keller. Dort liegt inzwischen auch ein großer Haufen Neuware, der auf Stangen und Regale wartet und behutsam ständig von A nach B getragen wird. Mein Mann unterstützt mich, wo und wie er kann, und ich habe das Gefühl, es stört ihn nicht weiter, wenn ich wieder die Sandstrasse im ganzen Haus verteilt habe (das Zimmer meines Sohnes diente kürzlich wochenlang als Fotostudio). Außerdem wasche ich sehr viele Stoffe vor und diese kleinen Fusseln und Flusen, die sind überall im Haus. Cord und Nicky ist ja ganz besonders schlimm. Aber ein inem Haushalt mit drei Kindern muss man sowieso ständig staubsaugen, da ist das nicht so dramatisch. Nähfadenreste habe ich (wir) überall kleben. Sie liegen sogar in der Badewanne, wenn das Wasser abgelaufen ist – verrückt! Und noch etwas ist sehr typisch für mich (und das kennst du sicher auch, liebe Claudi): Wo ist eigentlich der Objektivdeckel schon wieder liegen geblieben?
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Wasfürmich: Ach ja, der Ojektivdeckel. Mein letzter liegt irgendwo in Italien. Autsch – brauche dringend einen neuen. Sag mal, nähst du echt noch alles selbst? Und wenn nicht, wo lässt du produzieren? Wie läuft das? Wie findet man jemanden, der seine Entwürfe näht?
Meike: Seit der Winterkollektion 2016/17 lasse ich einige Teile in einer kleinen Produktionsstätte bei Chemnitz fertigen. Die kenne ich aus der Zeit, in der ich das Label in Berlin hatte. Zwar ärgere ich mich oft über die hohen Preise, aber immer, wenn ich dort war, um Stoffe und Schnitte abzugeben und einen kleinen Kaffeeplausch zu halten, weiß ich wieder, dass es das ist, was ich mir für die Sandstrasse wünsche: Gute Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und kurze Wege: Bio-Kinderkleidung made in Germany.
Leider kaufen meine Kunden nicht so gern Lagerware (das ist wirklich wie verhext – und wenn es nur eine andere Größe sein muss als gerade im Lager liegt…). Sprich: ich nähe sehr viel selbst. Inzwischen merke ich aber, dass mich das zu viel Zeit kostet. Es gibt eigentlich kein Teil in meinem Shop, das ich mal eben schnell nähen könnte, sie sind alle relativ aufwendig und das kostet eben viel Zeit (auch wenn ich inzwischen richtig schnell Latzhosen nähen kann!). Eine gute Verarbeitung, hochwertige Materialien (aus kontrolliert biologischem Anbau) sind mir aber sehr wichtig, damit die kleinen Lieblingsstücke lange getragen werden und an Geschwister oder Freunde weitervererbt werden können.
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Wasfürmich: Wie kommst du auf deine Ideen? Was inspiriert dich?
Meike: Das kann alles sein. Bei der letzten Winterkollektion „the journey“ habe ich mich auf der Stoffmesse in einen Stoff
verliebt. Und kurz darauf in diese kleinen Pappkoffer. Zack, schon hatte ich das Bild meiner Großen am Strand mit Koffer und Zylinder und dem Panamatütü im Kopf, das ich ein halbes Jahr später auch wirklich noch am Strand in Boltenhagen fotografieren konnte. Die aktuelle Kollektion ist inspiriert vom Bilderbuch über die Maus Lindbergh, die für ihr Leben gern fliegen möchte. Mein Sohn hatte es zum Geburtstag bekommen. Und: Meine Kinder inspirieren mich auf jeden Fall zu den Schnitten – bzw. sie helfen mir, damit sie kind- und bewegungsgerecht sind und bleiben. Das ist mir sehr wichtig. Kinder sind ja keine kleinen Erwachsenen, sie bewegen sich ganz anders und überhaupt viel mehr. Abgesehen davon mag ich es nicht, wenn Kinder gekleidet sind wie Erwachsene, bsp. wenn Babys enge Jeans tragen. Sie müssen sich bewegen und ihren Körper kennenlernen können. Was ich auch nicht mag: Plastikstoffe, Disney, Kitsch und grelle Farben.

Wasfürmich: Du hast also eine Idee für einen Schnitt… was passiert dann? Wie legst du los?
Meike: Zuerst einmal: Ich kaufe (und verkaufe) keine Schnitte. Sie sind mein Heiligtum und ich mache sie alle selbst. Oft fertige ich eine ganz kleine, schlampige Skizze mit Pfeilen und Stichworten – eher als Erinnerung. Dann mache ich den Schnitt für das jeweilige Teil. Meist habe ich einen anderen Schnitt da, von dem ich weiß, dass er gut passt, und den ich als Vorlage nehmen und Änderungen daran vornehmen kann. Es kann aber gut sein, dass ich den Schnitt zwei oder drei Mal überarbeiten und einige Probeteile nähen muss, bis auch wirklich alles passt und so aussieht, wie ich es mir vorgestellt habe.
Sandstraße
Wasfürmich: Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?
Meike: Morgens ist es mit drei Kindern natürlich stressig. Die Kleine geht seit Kurzem auch in den Kindergarten, d.h. wir müssen alle drei nach dem Frühstück anziehen, Zähne putzen, Pausebrote schmieren etc. Meist bringt mein Mann die Kleinen in den Kindergarten, wenn er nicht auf Dienstreise ist. Die Große läuft alleine zur Schule. Manchmal gehe ich sogar gleich im Schlafanzug ins Atelier und mache den Rechner an. Vormittags nähe ich, packe Päckchen, schreibe Rechnungen und Emails, schneide zu und dazwischen wasche ich mal kurz Wäsche, räume auf oder sauge schnell durchs Haus. Mittags gebe ich meist noch ein paar Päckchen ab, dann kommen die Kinder auch schon wieder nach Hause. Nachmittags sind wir oft mit Freunden verabredet – oder auch nur die Kinder, wir gehen zum Turnen oder einfach in den Wald. Oft spielen die drei (vier, fünf) auch im Garten und ich kann noch ein wenig arbeiten und mich um den Haushalt kümmern. Wenn die Kleinen im Bett sind, gehe ich wieder ins Atelier bis ungefähr Mitternacht. Samstags und sonntags versuche ich immer, tagsüber etwas mehr zu schaffen, da mein Mann für die Kleinen da ist. So geht es natürlich nicht ewig weiter, das ist klar. Momentan geht es aber nicht anders, so ein Label baut sich ja nicht von alleine auf. Und nicht zu vergessen: ich mache es gern, sehr gern. Und ich habe noch viele Ideen!

Wasfürmich: Ich höre im Moment immer wieder dass kleine Labels große Probleme haben, weil sie kopiert werden und andere ihre Entwürfe für viel weniger Geld verkaufen – hast du damit auch Erfahrungen gemacht?
Meike: Bis jetzt noch nicht, zum Glück (oder ich weiss nichts davon, dann ist es auch besser so), früher ja. Kopieren ist hinterhältig und gemein. Aber man kann kaum etwas dagegen tun, das ist so ärgerlich. Niemand fühlt sich dadurch geehrt, wie manche meinen. Ich denke aber, es macht ein Label unter anderem aus, dass dieEntwürfe/Kollektionen einen eigenen Stil mit hohem Wiedererkennungswert haben.
Und es ist ja auch nie so, dass keiner merkt, wer kopiert. Außerdem denke ich, wer keine (eigenen) Ideen hat, der sollte keinen kreativen Beruf ausüben. Ich stelle es mir schrecklich vor, immer nur den anderen hinterherzulaufen.
Kindermode

Wasfürmich: So viele träumen davon, mit selbstgemachten Kinder-Klamotten Geld zu verdienen: ein eigener Shop. eine eigene Kollektion. Was rätst du Anfängern? Wo stecken die Stolperfallen?
Meike: Geduld, Geduld, Geduld, viel Herzblut und ein wenig bis viel Idealismus.

Wasfürmich: Sag doch mal, welches Promi-Kind würdest du am allerliebsten mal in einem deiner zuckersüßen Overalls zu sehen?
Uh, Claudi, sag du es mir! Ich kenne mich da so gar nicht aus. Vielleicht so ein kleines Königskind? Das wäre bestimmt fein!

Wasfürmich: Was sagen deine Kinder zu der Näherei? Sind sie stolz? Genervt?
Meike: Beides. Arbeit und Privates liegen bei mir momentan sehr nah beisammen. Ich nutze jede freie Minute für die Sandstrasse. Natürlich sollen aber die Kinder niemals darunter leiden. Sie spielen oft bei mir im Atelier, ich habe hier sehr viele von diesen dicken Pappen, auf die die Stoffe gewickelt werden. Die Kinder malen sie an, bauen damit, benutzen sie als Gitarre usw. Sie spielen mit Stoffresten, Nähgarn und dem Stativ. Natürlich schimpfen sie auch, dass ich immer nähen/arbeiten muss. Sie gucken aber gern auf Instagram, wie viele Herzchen sie bekommen haben und sagen mir, wo ich welche machen soll. Auf der kamera meiner Großen habe ich letztens ihr erstes Flatlay mit Puppenkleidung entdeckt, ich war sehr gerührt…

Wasfürmich: Was lässt dich weitermachen, wenn alles mal wieder zu viel wird? Was ist das Schönste an dem was du tust?
Meike: Ich bekomme sehr viel positives Feedback, das tut so gut und gibt mir das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich denke mir gern Kleidungsstücke aus und finde es toll, dass ich die Ideen auch so schnell umsetzen kann. (Architektin wäre beispielsweise kein passender Beruf für mich). Ich liebe es, mir Kollektionen auszudenken, Stoffe und Farben auszuwählen und die ersten Muster zu erstellen.
Kindersachen
Kinderkleidung made in Germany
Wasfürmich: Kannst du überhaupt Shirts und Hosen von der Stange, sprich den üblichen Läden mit H und Z vorn ertragen? Guckst du auf die Nähte wie ein Zahnarzt automatisch auf die Zähne?
Meike: Ja, jein. Die Nähte sind es nicht. Aber es ist inzwischen wirklich schwierig für mich, Sachen zu kaufen, wenn ich weiss (glaube, zu wissen), wo und unter welchen Umständen sie hergestellt wurden. Denn: wer sich ein ganz klein wenig mit Stoffpreisen und Löhnen auskennt, der weiß, dass an einer Jeans für 10 oder 15€ etwas nicht stimmen kann. Aber leider heißt das im Umkehrschluß auch nicht, dass eine Jeans für 130€ nicht unter den gleichen menschen- und umweltfeindlichen Bedingungen hergestellt wurde. Ich kaufe lieber ein paar gute Teile, dafür weniger, das lohnt sich wirklich! Glücklicherweise muss ich aktuell nicht viel für die Kinder kaufen, sie können sich nach den Shootings und der Orderparty alle Teile, die sie gern haben möchten, aus dem Atelier holen. Ich hoffe, das geht noch lange so weiter!
Ich danke dir Meike und wünsche dir viel Erfolg.

PS. Die Teile, die sie während des Shootings getragen haben, durften meine Jungs behalten.
PPS. All die schönen Schuhe auf den Fotos sind von Bisgaard und wurden Meike für das Shooting kostenlos zur Verfügung gestellt.

Alles Liebe,

Claudi