Vor einer Weile las ich in der Süddeutschen einen Artikel über Liam Gallagher. Ich riss ihn raus und legte ihn in meine Sofaecke, sowie ich das manchmal mit Texten mache. Zeitweise wanderten ein paar Magazine oder Bücher der Kinder auf den Ausriss. Aber er blieb da liegen. Rockrüpel Gallagher erzählt in dem Artikel, wie großartig er seine Mutter findet. Ich finde nicht alles großartig, was er großartig findet. Aber seine rotzige Rührung, seine tiefe Liebe, die man aus jedem Wort herauslesen kann, berührte mich. Seither frage ich mich, was wohl meine Kinder später über mich sagen werden. Und was ich gerne hören würde…
Gallagher Kindheit war nicht leicht: die Mutter hat den ewig prügelnden Vater mit ihren Kinder irgendwann mitten in der Nacht verlassen und die drei Söhne allein großgezogen. Und dieses hätte “sie verdammt nochmal fantastisch gemacht,” sagt der Musiker. “Sie ist die absolut großartigste Frau, die jemals auf diesem Planeten gewandert ist und war immer beides für uns: Mutter und Vater. Was unter anderem hieß, dass es mir nie an ein paar saftigen Ohrfeigen gefehlt hat, wenn es nötig war. Und es war oft nötig. Wenn wir Kinder mal wieder irgendwo eine Scheibe eingeworfen hatten. Wenn sie in unserer Jugend nach Hause kam, und das ganze Haus nach Gras roch. Und wenn später die Zeitungen ständig mit irgendwelchen Eskapaden voll waren. Sie hat alles ausgehalten: die Sauferei, die Drogen, das Fluchen. Eine absolute Top-Mutter.”
Ich bin weder Fan von Gallagher, noch von Ohrfeigen, aber ich schließe daraus, dass man eine verdammt fantastische Mutter sein, auch wenn man nicht immer alles richtig macht. Wichtig ist bloß, dass man sein Kind liebt. Und ihm das immer wieder zeigt. Das finde ich sehr beruhigend.
Was ich später vielleicht gern über mich von meinen Jungs hören würde:
– Mama war zwar nicht immer da, aber wenn es drauf ankam, war sie für uns da.
– Mama hat uns so genommen, wie wir sind und uns immer das Gefühl gegeben, dass wir, so wie wir sind, fantastisch sind, egal, ob die anderen sich als Baby schneller drehen konnten, früher gegessen oder durchgeschlafen haben, ob wir später zeitweise gelispelt oder gestottert haben, nicht so schnell lesen oder schwimmen konnten wie die anderen, einen Test versaut oder es nicht auf die beste Schule der Welt geschafft haben. Sie hat uns einfach in den Arm genommen und gesagt: “Das wird schon. Hauptsache, du gibst immer dein Bestes.”
– Mama war manchmal streng, aber sie war immer fair dabei. Und sie war konsequent. So konsequent.
– Außer einmal, als sie sich richtig über unsere dreckverkrusteten Schuhe aufgeregt hat, nachdem wir mal wieder mit den guten Schuhen statt Stiefeln im Bach waren, obwohl das lang und breit verboten war und sie laut gemotzt hat, die müssten wir selber putzen und zwar morgen vor der Schule und wenn wir zu spät kämen, wär das unsere Problem. Und dann, als wir morgens wie immer müde und spät dran runter kamen standen die Schuhe da doch. Blitzeblank. Geputzt.
– Sie hat toll gekocht, stundenlang und dann hat sie es ertragen, dass wir am Tisch gebrüllt, gemeckert, gestritten und gekleckert haben und ihr tolles Essen in drei Minuten weg war. Oder es mal wieder niemand mochte. Und manchmal hat sie uns einfach Käsebrote auf dem Sofa vor dem Fernseher gemacht. Das war eigentlich am Besten.
– Sie hat uns immer spüren lassen, dass sie uns lieb hat. Welchen Blödsinn wir auch immer gemacht haben.
– Mama war vielleicht nicht die beste Mutter des Universums. Aber sie hat immer ihr Bestes gegeben. Und das hat sie verdammt nochmal großartig gemacht. .
Und ihr? Was würdet ihr später gern über euch von euren Kindern hören? Erzählt doch mal, ich bin so neugierig. (Beste Einsicht bei mir beim Drübernachdenken: ein sauber geputztes Haus hatte ich bei der Aufzählung oben kein bisschen im Kopf. Wie beruhigend.)
Liebe Grüße,
Echt schwierig zu sagen, aber ich als Mama vom Rockrüpel Gallagher würde mich auf jeden Fall fragen, ob er vielleicht nicht so viele Scheiben eingeschlagen hätte und nicht so viele Eskapaden gehabt hätte, wenn ich mehr da gewesen wäre und ob die Ohrfeigen nötig gewesen wären. Ich weiß, „hätte hätte Fahrradkette“. Sonst hört man natürlich immer gerne nette Sachen. Ich werde mir wahrscheinlich anhören: „Wir durften eigentlich alles machen, waren aber trotzdem unzufrieden“ oder „Mama war morgens immer so gestresst“ und das wichtigste „Meine Mama ist meine beste Mama der Welt”
Liebe Claudi,so ein schöner Beitrag! Und ja, ich frage mich das auch regelmäßig, ob ich eine gute Mutter bin . Gerade in Stresssituationen oder wenn ein Vorhaben nicht ganz so geklappt hat, wie ich dachte, oder wenn die Woche mal wieder viel zu schnell vorbei gerast ist und randvoll mit Terminen war oder oder. Generell denke ich, dass wir Mamas oft viel zu selbstkritisch sind und uns manchmal zu viele Gedanken machen. Und dann überlege ich natürlich auch immer, was wohl meine Kinder später einmal sagen – und habe tatsächlich auch schon mal dran gedacht, darüber einen Blogpost zu schreiben ? (mal sehen, vielleicht mache ich das ja noch). Was ich selbst sagen kann, ist dass meine Mutter für mich eine sehr zentrale Rolle in meinem Leben gespielt hat, da mein Vater immer sehr viel gearbeitet hat. Beide sind viel zu jung verstorben und fehlen mir – auch heute, wo ich selbst Kinder habe – sehr. Ich habe als Kind und Jugendliche meiner Mama oft gesagt, wie sehr ich sie liebe und dass sie die Beste ist. Und darüber bin ich heute sehr sehr froh, weil ich ihr das nun nicht mehr sagen kann. Und das schöne ist: meine Kinder sagen mir das auch ganz oft. Und dann ist alles vergessen – Termindruck, Stress, Streitereien am Esstisch usw. ?
Von meinen Kindern würde ich gerne hören: Egal was war, ich konnte immer zu ihr kommen. Sie hat zugehört, sie hat mir ihre Meinung gesagt und dann haben wir zusammen eine Lösung gefunden.
Sehr freuen würde ich mich darüber, wenn meine Töchter später über mich erzählen würden, dass ich sie in ihrem Wesen angenommen habe, wie sie sind- dass ich sie nicht versucht habe nach meinen Vorstellungen zu formen, sondern ihnen die Möglichkeit gegeben habe, sich frei entfalten zu dürfen. Und dass wir viele wunderschöne Erlebnisse zusammen hatten, mit viel Humor, Liebe und Kreativität Dinge gebaut, gewerkelt und gebacken haben, viel zusammen gesehen, geredet und gelacht haben und den dicksten Streit fair lösen konnten. Dass wir zusammen glücklich waren. Darüber würde ich mich freuen.
Ich habe mir darüber auch schon des Öfteren Gedanken gemacht. Es ist gar nicht so leicht eine Antwort dafür zu finden, aber ich glaube ich würde mir wünschen, wenn meine Tochter später sagt, dass sie sich bei Mama immer geborgen und zuhause gefühlt hat. Dass sie mir alles anvertrauen konnte, mit mir immer über alles reden konnte und ich immer hinter ihr stand, auch wenn ich vielleicht nicht begeistert über das ein oder andere bin. Ich wünsche mir, dass sie sich freudig an all die schönen Rituale erinnert, um die ich mich bemühe. Wie zum Beispiel der Kuchen jeden Freitag oder die tollen Momente zur Weihnachtszeit … einfach überhaupt an die tolle gemeinsame Zeit.
Manchmal möchte ich ja ein bisschen vorspulen, so wie man es bei einem Film tun kann, einfach nur um zu schauen wie es denn weiter geht. Oft ist es genau solch eine Situation, in der meine Tochter erzählt wie sie sich an mich als Mutter erinnert, die ich mir dann vorstelle so in meinen Gedanken.
Ich würde gerne dies hören:
Sie kann super vorlesen.
Sie kennt von fast allen Liedern dieser Erde zumindest die erste Strophe und singt sie mit uns.
Mit ihr kann man prima Quatsch machen.
Sie ist die beste Rückenkitzelkraulerin (streicheln, nicht schwimmen ;-)) aller Zeiten.
Sie regt sich manchmal unglaublich auf und schimpft und schreit, aber sie hat uns immer, immer lieb und wenn die Schimpferei mal falsch war, gibt sie das auch zu.
Liebe Grüße Christina
Liebe Claudi,
so ein schöner Beitrag! Und ich wette, genau diese Worte werden sie wählen …
Mir kam dieser Gedanke auch schon häufiger. Aber vor ein paar Wochen sehr dolle. Ich saß während der Beerdigung unserer Oma neben meiner Schwester. Im rechten Arm hielt sie ihr frisches Baby und in der linken Hand meine. Der Pastor hat viele Dinge erzählt, an die wir uns in diesem Moment erinnert haben. Wir haben uns angesehen, die Hände geknetet und zusammen geweint. Dann hat unser Onkel eine kleine „Rede“ gehalten (es gibt sicher ein Wort dafür, mir fällt nur grad keins ein). Eigentlich war es eine Danksagung an unsere Oma. Darüber, wie sie war und wie die Kindheit von unserem Onkel und den Gescgwistern war. Und während er sprach, habe ich die ganze Zeit gedacht: Was soll mein Kind (oder meine Kinder) einmal über mich sagen? Und mir ist klar geworden, dass ich im Moment nicht der Mensch bin, von dem ich dann gern hören würde … es ist verdammt schwer, die Richtung zu ändern und trotzdem Dinge einfach zu akzeptieren … aber ich arbeite dran. Seit der Beerdigung noch mehr. Und dein Post bestärkt mich auch sehr darin!
Ganz liebe Grüße,
Dorthe
Hallo,
wie heißt der Artikel über Liam Gallagher aus der Sueddeutschen? Ich würd ihn gern mal lesen.
Es klingt ein wenig auch nach dem Erzählen von Neo Rauch, der voller Hingabe preisgibt, ein “Muttersöhnchen” gewesen zu sein. Wobei er sich damit auf seine Großmutter bezieht bei der er aufwuchs, da seine Eltern jung verstarben. Ich las einmal, dass er mit aller Liebe aufwuchs und allem was er brauchte und dass er heute noch gern dahin zurückkehrt, wo der Majoran auf Hügeln wächst, also dorthin wo er als Kind bei seinen Großeltern aufwuchs.
Ich habe auch einen Sohn und ich denke auch ab und an darüber nach. Und ich hätte wohl gern, dass er auch erzählt, sich immer sicher und geborgen und geliebt und heimelig bei mir und uns gefühlt zu haben. Und dass er erzählen kann, von seinem Stromern in der Welt und seiner erfüllten Freizeit.
Huhu, leider habe ich ihn jetzt doch weggeschmissen. Es war eine ganze Interviewseite.
Das Interview mit Rauch klingt auch spannend.
Wahnsinn, so Eltern-Erzieher-Kind Beziehungen und was einen davon prägt.
Herzlichst,
Claudi
Hallo,
heute sind meine Kinder erwachsen (30, 31 Jahre). Wie jede Mutter habe auch ich versucht, immer eine gute Mutter zu sein. In all den Jahren war ich voll berufstätig und musste meinen Alltag gut planen.
Nach 30 Jahren Ehe habe ich mich von meinem Mann und den Vater meiner Kinder getrennt.
Das passte nicht ins Weltbild meiner Kinder und der Kontakt zu den Kindern und mir besteht seither kaum bis sehr wenig. Mein Verhältnis zu den Kindern war bis zur Trennung IMMER sehr gut.
Für mich ist es wichtig, dass meine Kinder wirtschaftlich selbständig sind (sind sie) und nicht auf dem falschen (Lebens)Weg gelandet sind (sind sie nicht).
Es sind zwei ganz unterschiedliche Blickrichtungen; die der Mutter und die des Kindes.
Nun werde ich ganz gelassen beobachten, wie sie ihre Kinder erziehen.
LG Frau M.
Liebe Claudi,
ja, was würde ich mir wünschen, dass meine Söhne über mich sagen?
Vielleicht…”Mama war nicht immer perfekt, aber das aus tiefstem und vollstem Herzen”….oder “sie war unsee Zuhause”. Ja, ich glaube, das würde ich mir wünschen.
Das denke ich auch über meine Mama, die leider nicht mehr bei uns ist. ❤️
Herzliche Grüße, Andrea
Hallo liebe Claudia,…gute Themen hast du wieder… ich war auch streng, habe Grenzen gezogen und Gutenachtgeschichten oft stark gekürzt.Wenn ich heute höre wie Kinder erzogen werden können, habe ich vieles total anders gemacht.Heute würde ich mir mehr Gedanken machen als vor 30 Jahren.Trotzdem kommt unser Kind gerne nach Hause, ruft um Rat und bringt gerne Freunde mit nach Hause.Ich denke Liebe und Vertrauen ist das Wichtigste und das Weitere ist oft nur schmückendes Beiwerk. Liebe Grüße von Elke