Ich erinne mich genau, wie es sich als Kind angefühlt hat, ausgeschlossen zu werden. Es kam nicht oft vor, zum Glück, aber manchmal kicherten Kinder auf dem Schulhof plötzlich, als ich dazu kam. Oder bei Geburtstagen von Kindern von Freunden, wo ich keinen kannte außer das Geburtstagskind und ich mich wie durch einen unsichtbaren Vorhang von den anderen getrennt fühlte. Unwillkommen. Es war oft nicht offensichtlich, es fielen keine bösen Wörter, es war nur ein Gefühl. Aber es fühlte sich schrecklich an…
Auch mit meinen Kindern habe ich solche Situation schon gehabt: Einmal auf einer Hochzeit, auf der ein Junge einen anderen ganz offensichtlich aus der restlichen Kindergruppe ausschloss. Der Junge war verzweifelt. Ich auch, ich konnte es kaum ertragen zuzusehen. Irgendwann habe ich den anstiftenden Jungen angesprochen, er stritt alles ab, grinste mir ins Gesicht. Der andere Junge litt weiter, mit hängenden Schultern. Er in einer Ecke des Gartens, die lachende Kinderschar in einer anderen. Ich mochte nicht feiern, mir war nicht mehr danach. Irgendwann konnte ich es nicht mehr aushalten, sprach die Mutter des Ausschließers an. Sie zuckte bloß mit den Schultern. Meinte dann: “Wenn der andere Junge sich halt nicht wehrt….!” Dann zuckten ihre Schultern wieder. Sie sagte nicht: “Pech gehabt”, aber ich hörte es zwischen den Sätzen.
Ich war fassungslos. Ehrlich gesagt muss ich oft an dieses Erlebnis denken. Bis heute. Ich erinnere mich, wie hilflos ich mich fühlte. Wie wütend. Wie sehr ich beschützen wollte, aber das Gefühl hatte, alles noch schlimmer zu machen, je mehr ich eingriff.
Schon vorher, aber seither noch viel mehr, habe ich ein riesiges Erziehungsziel: nämlich meine Kinder zu Gastgebern zu machen. Nicht nur zuhause, sondern überall.
Wir sprechen viel darüber, wie es sich anfühlt, ausgeschlossen zu werden oder eben Willkommen zu sein. Wir überlegen, was man tun kann, damit sich andere Menschen wohl fühlen. So, wie wir uns am liebsten fühlen. Es gibt in jeder Kindergruppe und Klasse Kinder, die langsamer Anschluss finden – ich ermuntere meine Söhne intensiv, auch auf diese Kinder zuzugehen. Wenigstens mal ein nettes Wort zu finden, zu versuchen, sie bei einem kleinen Spiel zu integrieren.
Ich lobe es, wenn ich ein- statt auschließendes Verhalten an ihnen beobachte. Ich lasse es nicht zu, dass bei uns zu Hause Kinder ausgeschlossen werden. So sehr ich sonst dafür bin, Kinder selbst handeln und Erfahrungen machen zu lassen. (Was übrigens nicht heißt, dass jeder mit seinen Freunden nicht auch mal unter sich sein darf. Es muss bloß vernünftig kommuniziert werden).
Und, ganz wichtig: Ich versuche selbst ein guter Gastgeber zu sein. Ich frage Leute, die in der Stadt verloren auf der Straße stehen, ob ich helfen kann. Ich übersetze von mir aus im Zug, wenn Schaffner und ausländische Reisende sich nicht verstehen. Ich gebe anderen Kindern auf dem Spielplatz mit ein, zwei netten Sätzen das Gefühl, herüber kommen zu können. Und, ganz wichtig: Wir laden wann immer es geht viel Besuch ein, mit Kindern oder ohne, ganz verschiedene Arten von Menschen. Natürlich, weil es André und mir Spaß macht. Aber auch um den Kindern Gastfreundschaft vorzuleben. Ich binde sie gern in die Vorbereitungen mit ein, wir kochen etwas zusammen, dekorieren, räumen ein wenig auf und machen es schön. Und wir lassen Gästen gern Vorrang, bei der Wahl des Platzes am Tisch, beim Teller auffüllen, beim DVD fürs Abendprogramm aussuchen.
Noch etwas: Ich versuche, vor den Kinder nicht abwertend über andere Menschen zu sprechen. Wenn ich es tue, versuche ich zumindest, auch deren Sichtweise aufzuzeigen.
Und ihr? Ich bin sehr gespannt auf eure Kommentare und was ihr über die ganze Sache denkt.
Eine schöne Woche,
Respekt! Und das meine ich sehr ehrlich. Meine Mutter hat auch sehr viel Wert darauf gelegt, dass ich offen auf andere Menschen zugehe. Das viel mir auch nie schwer und ich bin gerade auf die Kinder zugegangen, denen es schwer viel und die auch ausgeschlossen wurden. Aber ich kenne auch die andere Seite. Ich wurde auch oft gehänselt und ausgeschlossen. Ihr macht das wirklich toll, weil es für euch einfach dazu gehört. Es ist für euch völlig “normal”, gute Gastgeber zu sein. So lernen sie den Umgang untereinander und miteinander viel einfacher. Es sind die kleinen Schritte, die Großes bewirken. Danke, dass du mich wieder daran erinnert hast. Diese Werte sind gerade in der heutigen Zeit so, so wichtig.
Liebe Claudi,
das ist ein tolles Thema! Kindern das “Willkommen heißen” vorzuleben und sie dazu zu ermuntern finde ich genauso wichtig wie du. Es bildet schließlich die Basis dafür, wie sie auf Menschen und auf Neues zugehen.
Ich sehe, wie schwer es meinen Söhnen in der Kita fällt. Denn hier hören sie die vielen “Wenn-danns”. Wenn du dies nicht tust, bist du nicht mehr mein Freund… Du darfst nicht mitspielen, wenn… Gar nicht so einfach für Kinder, das Drohen bzw. die Angst vor dem Ausgeschlossen sein zu ignorieren.
Und auch als Erwachsene ist mir diese Situation nicht fremd. Vor drei Jahren waren wir die Neuen, die sich zaghaft anpirschten und dank lieber Menschen Willkommen geheißen wurden. In der letzten Zeit waren wir diejenigen, die versucht haben, anderen den Start zu erleichtern und in wenigen Monaten werden wir wieder die Neuen sein. Bei aller Vorfreude und allem Erwachsensein sind es genau die Fragen, die uns ein mulmiges Gefühl im Bauch bescheren: ist da jemand, der uns willkommen heißt? Werden wir aufgenommen, wenn wir auf sie zugehen?
Herzliche Grüße Nina
Liebe Claudi!
Das ist ein schönes Thema und passt so gut in unsere Zeit.
Offen für Andere zu sein, Vielfalt als Bereicherung zu erleben und daraus Toleranz zu entwickeln, finde ich essentiell wichtig bei der Erziehung unserer Kinder!
Bei unserer ältesten (8) ist das wirklich toll gelungen!
Sie ist in einer Kita “groß” geworden, die ein sehr gemischtes Einzugsgebiet hatte, sowohl kulturell, als auch sozial und bildungstechnisch gesehen. Außerdem gab es zwei Kinder mit Behinderungen in ihren Gruppen. Auch im Alltag haben wir immer wieder viel Zeit damit verbracht über “Andere” zu sprechen, offen zu sein etc. Mit dem Ergebnis, dass sie wirklich mit jedem Kind gut spielen kann, Neulinge in der Klasse spielend integriert und wunderbar viele, ganz verschiedene Freunde hat. Ich finde sie dafür so toll! Unser Mittlerer (3) geht nun umzugsbedingt in eine andere Kita, bis vor kurzem überwiegend mit Kindern aus dem ” (gehobenen) Mittelstand”. Ich fand das schade, einseitig. Nun aber geht ein Kind mit Behinderung und seit neuestem Flüchtlingskinder in seine Gruppe. Ich bin erleichtert, zu sehen, dass er vollkommen offen auf die Neuen zu geht und mit allen Spielmöglichkeiten findet.
Nur leider muss ich nun bei mir merken, dass ich mich nicht traue auf die Mütter zuzugehen. Ich habe Angst vor der Sprachbarriere. Mehr als freundliches Lächeln und Hallo undTschüss habe ich nicht zustande gebracht…
Viele Grüße Christina
Was für ein schöner Beitrag, genau sollte es sein. Ausgrenzen finde ich auch ganz schlimm, das geht gar nicht. Bei gegebenem Anlass sprechen wir auch darüber, aber vielleicht sollte ich mit meinen beiden Süßen auch enfach mal so darüber quatschen. Danke für den “Anstupser”.
Liebe Grüße
Jutta
Da ich mich meist erst öffne, wenn ich von den anderen ein freundliches Zeichen erhalte, hat mich dein Beitrag sehr nachträglich gemacht. Ich selber bin sehr dankbar, wenn ich herzlich willkommen geheissen werde, aber für den ersten Schritt auf andere zu, oft selber zu schüchtern. Ich bewundere Leute, die so eine Offenheit und Herzlichkeit ausstrahlen. Ganz im Sinne von Mahatma Gandhi Zitat „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.“ werde ich mich in Zukunft bemühen, vermehrt selber offen und herzlich auf andere Leute zu zugehen. Danke, du hast mir da gerade etwas die Augen geöffnet!
Ich finde das einfach nur Wau und hätte fast gesagt “ich Danke dir von Herzen” 🙂
Meine Eltern sind gläubig und ich wurde im Glauben erzogen. Ich schminke mich nicht, habe lange Haare und trage lange Röcke/ Kleider. Ich habe immer zu dieser Randgruppe gehört in der Schule, “zum Glück” gab es mehrere Außenseiter bzw. Kinder die sich nicht darum geschert haben.
Mit meinen drei Kindern hat auch für mich dieses “Bangen und Hoffen” begonnen, ob sie so angenommen werden wie sie sind, weil wir ja doch irgendwie anders sind, denn auch sie möchte ich im Glauben erziehen. Jetzt wo sie noch kleiner sind (8,7,4 im Juni) ist es vielleicht noch nicht so herausstechend und meist macht man sich ja eh zuviel Sorgen als Mutter.
Liebe Grüße
Sharon
Noch ein tolles Buch zu dem Thema ist vielleicht das hier: https://www.amazon.de/dp/3865590896/sr=8-1/qid=1490774806/ref=olp_product_details?_encoding=UTF8&me=&qid=1490774806&sr=8-1
Das ist ein toller Artikel! Auch wir haben in der Erziehung unserer 3 Kinder immer sehr großen Wert auf Freundlichkeit, Höflichkeit und vor allem Gastfreundschaft gelegt! Kleine und große Gäste werden bei uns IMMER bevorzugt behandelt. Unsere Kinder kennen es nicht anders. Genau wie bei euch, haben sie Vorrang wie z.B. bzgl. der Wahl des Platzes am Tisch, der Auswahl der Übernachtungs-DVD, bekommen als erstes das Essen, dürfen als erstes die Eissorte des Nachtischs auswählen, etc. Das hat unseren jüngsten Sohn, damals ca. 4-5 Jahre, am Mittagstisch ( ohne Gäste) zu der Frage veranlasst: ” Darf ICH heute mal der Gast sein?” Wir haben schallend gelacht und sein Ausspruch begleitet uns seitdem!
Liebe Grüße
Kirsten
Hallo liebe Claudi,
Malin und ich (Lynn) browsen gerade ganz verliebt durch deinen Blog und freuen uns so über die Fotos, die Sprache und hach, einfach alles!
Es war so schön dich letzte Woche persönlich kennezulernen und wir sind jetzt alle ganz große “Was für mich” Fans!
Ganz liebe Grüße,
Lynn von Heavenlynn Healthy
Ach ihr Lieben, wie mich das freut. Ich schluchz beinahe – in deine Buddha Bowl auf meinem Schoß ; )
Ganz liebe Grüße!
Claudi
Liebe Claudia,
vielen Dank – das ist genau auch meine Art, auf Menschen zu- und meinen Kindern vorzuleben, mit anderen umzugehen! Schön, dass es noch andere gibt, denen das heute auch wichtig ist und die sehr viel Einfühlungsvermögen für andere Menschen und ein Gespür für Situationen besitzen. 🙂
Ich danke dir, was für ein wunderschön formuliertes Feedback!
Eine tolle neue Woche für euch, alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudia,
wieder einmal ein sehr schöner Artikel von Dir und Danke Sharon für den guten Buchtipp 🙂
Liebe Grüße Marleen mit Ole und Mats (4 und 1,5)