Ich denke gerade viel über Zeit nach. Wie schnell sie vergeht, was ich mit ihr mache und warum ich immer zu wenig davon habe. Größtes Problem: Ich habe das Gefühl, vor lauter To-do-Listen-Abarbeiten komme ich viel zu selten zum Genießen. Und dabei gibt es da reichlich, was ich genießen könnte. Vom Typ her bin ich aber so, dass ich gern erstmal meine Listen arbeite – und mich erst dann mit einem Kaffee in die Sonne setze. Leider sind meine Listen so lang, dass die Sonne regelmäßig untergegangen ist, bevor ich es auf diese Weise schaffe, mich mit ihr zu treffen…
Gerade neulich wieder. Ich holte die Kinder vom Kindergarten ab, die Sonne schien, wir verabredeten, zur Elbe zu gehen. Endlich die große Burg zu bauen, die wir schon so lange bauen wollten. Der Nachmittag fühlte sich leicht an, es duftete nach Jasmin und ich dachte einmal mehr darüber nach, wie schön das alles doch war. Zuhause wollten die Jungs eigentlich sofort los, aber mich tippte die Vernunft sanft an die Schulter und murmelte: “Die Wäsche solltest du schon noch auspacken. Sonst liegt die da ewig in der Maschine rum und mieft.” Ich vertröstete die Kinder kurz, ich müsste nur noch mal eben ein paar Sachen erledigen und dann würden wir gleich losziehen. Sie könnten ja schon mal die Schaufeln suchen. Die Jungs maulten kurz, dann suchten sie die Schaufeln.
Ich packte die Waschmaschine aus und die Wäsche in den Trockner. “Eigentlich müsste ich noch schnell eine neue Maschine anstellen,” überlegte ich. Und war schon auf dem Weg nach oben, Wäsche von den Schlafzimmerböden pflücken. Die Jungs buddelten draußen auf dem Hof mit den gefundenen Schaufeln im Sand. Als ich mir im Bad die Handtücher schnappte, fielen mir die Zahnpastaflecken auf dem Waschtisch auf. Ich hörte meine Jungs draußen rufen, rief zurück, dass ich gleich so weit sei. Schnappte mir aber schnell Lappen und Putzzeug. “Morgen früh bringt deine Schwiegermutter die Kinder in den Kindergarten”, murmelte die Vernunft, diese blöde Kuh, die hinter mir hergeschlichen sein musste. “Willst du, dass sie sich ekelt, denkt, Himmel ist das ein Saustall.” (Die olle Vernunft hat scheinbar keine Ahnung, wie nett meine Schwiegermutter ist.)
Ich putze also, leerte den Müll, packte eine neue Waschmaschine voll. Von draußen riefen die Jungs, dass sie die schönste Schnecke der Welt gefunden hätten. “Guck mal, Mama!” Mir war noch etwas eingefallen. Etwas schrecklich Wichtiges. “Jetzt nicht, gleich!”, rief ich und griff zum Telefon, um die Mutter einer Schülerin anzurufen. Dringend. Das wollte ich ungern auf abends verschieben. Es hinter mir haben. Ein, zwei Mal riefen die Jungs von draußen: “Mama, wann kommst du? Es ist doch schon gleich!” Einmal kam einer hereingeschlurft (in Gummistiefeln – arghh), mit Schnecke auf der Schaufelspitze (aaaarghhhhhhhhh!) “Raus damit. Ich komme gleich!”, rief ich. Es war ein chaotisches Telefongespräch.
Schließlich saugte ich noch schnell die Müslireste vom Frühstück unter dem Tisch weg. Ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht auch noch schnell Kartoffeln zu schälen, damit es abends schneller ginge. “Wenn du jetzt nicht gehst, brauchst du bald nicht mehr loszugehen,” dachte ich, ohne das die blöde Vernunft irgendetwas dazwischenrufen konnte. Ich suchte eine Decke, meinen Strohhut und meine Sandalen (sortierte schnell ein paar andere Schuhe im Schrank) und ging nach draußen. Die Jungs waren – weg. Ich suchte. Und fand sie mit dem Nachbarskind hinten auf dem Trampolin. Sie lachten, sie hatten Spaß. “Wollen wir los?”, rief ich. “Ochhhh”, murmelten sie. “Ist grad so lustig hier.” Ich fühlte, wie mich etwas an der Schulter tippte. “Du blöde Kuh”, fauchte ich und drehte mich um, weil ich dachte, es wäre die Vernunft, die falsche Schlange. Aber es war bloß ein dicker, fetter Regentropf. Der erste von einem dicken, fetten Sturzregen.
Ich dachte einmal mehr: Wenn wir gleich gegangen wären, hätte ich zwei herrliche Stunden mit meinen Kindern gehabt. Und hätte hinterher, bei Sturzregen, prima Wäsche und alles andere machen können. Oder abends, wenn die Kinder im Bett sind. In Ruhe. Oder morgen. Gefühlt hatte ich mal wieder reichlich Zeit verplempert. Einfach so, in den Abfluss gekippt, schwupps weg. Wie die Apfelschorle aus den ab und zu viel zu voll gegossenen Gläsern meiner Kinder. Sowas doofes. Ich hatte die weltschönste Schnecke nicht gesehen (längst weggekrochen) und ich hatte abends nichts, was mich auf dem Sofa selig grinsen ließ (erledigte Wäsche schafft das bei mir nie).
Ich nahm mir einmal mehr vor, die Zeit besser zu nutzen. Dinge einfach mal liegen zu lassen, sogar angefangene Wäschehaufen oder halb korrigierte Klassenarbeiten oder noch nicht beendete Blogartikel. Was ist tatsächlich so schlimm daran, Wäsche kurz Wäsche sein zu lassen, um kurz rauszugehen, und sich die weltschönste Schnecke anzugucken? Die Wäsche rennt schon nicht weg. Und genau das ist es doch, was ich mir für meine Kinder wünsche: Das Gefühl, dass Mama immer für mich da ist. Nicht, dass sie pausenlos um Kind herumturnt, sondern, dass sie da ist, wenn KInd sie braucht.
Aber es ist wie es ist: nichts fällt mir so schwer, wie Sachen nicht fertig machen zu können. Definitv die größte Umstellung für mich, seit ich Kinder habe. Und es zu ertragen. Aber ich übe das jetzt. Die Zeit ist nämlich kostbar. Ruckzuck sind sie groß. Und die Vernunft, die kann mich mal, ab und zu jedenfalls. Darum endet dieser Post jetzt auch mitten im
(Schreibe ich vielleicht später weiter. Also, gleich, ihr wisst schon….
Knick, knack, ich wünsche euch ein schönes Wochenende! (Das Foto ist übrigens bei einem unserer letzten Ausflüge entstanden. Da kriege ich das ja immer spitzenmäßig hin, mit dem Genießen und dem To-do-Listen To-do-Listen-sein lassen. Müssen wir also definitv öfter machen.).
Alles Liebe,
Liebe Claudi,
Du triffst es auf den Punkt! Wie oft sitze ich abends auf dem Sofa und denke: was habe ich heute aktiv mit den Kindern gemacht? Nur noch schnell… Das ist wirklich einer der Sätze, die ich nur zu oft sage…
Das muss sich ändern. Und damit fange ich jetzt an! Sofort! Nur noch schnell…?
Aber echt. Weißt du was, wir umzingeln die doofe Kuh vernunft und binden sie an den nächsten Baum. Ha.
Alles Liebe!
Hallo. Da mache ich mit! Wahre Worte. Manchmal denke ich, dass die Kinder die Bedeutung gleich sehr schnell lernen. Nur dass Eltern gleich nicht gelten lasden sondern dass die Bedeutung von sofort hat.
Das ist ein guter Plan! 😉
Liebe Claudi,
Das Gefühl kenne ich so gut. Ich bin ein Listen-Junkie und kann mich oft erst entspannen, wenn ich das Gefühl habe alles ist erledigt. Jaja, was einen die Kinder nicht alles beibringen. 🙂
Herzliche Grüsse
Manuela
Aber echt, oder? Die sind unsere #jetztstattgleich Nachhilfelehrer.
Liebste Grüße!
genau so ist es!!! ich fühle mich perfekt beschrieben! wenn ich das gemacht habe, dann kann ich ja noch dies schnell machen….. und abends ist man frustriert, weil sich kein erfolgserlebnis eingestellt hat (schon wieder krümel auf dem boden, schon wieder geschirr und leere oder halbleere gläser auf der spüle, spielzeug überall verteilt…als hätte man das nicht schon tagsüber versucht, in den griff zu bekommen)
das schmunzeln im gesicht ergibt sich bei mir nur, wenn ich meinem mann von witzigen oder spannenden situationen erzähle, die sich tagsüber abgespielt haben. wenn wir mädels so in den tag hineinleben können. das muss man aber nur öfters mal zulassen.
auf los gehts los!
Ganz genau. Das denke ich auch immer. Kaum sind die Krümel weg, sind sie wieder da.
Schmunzeln wir doch einfach mal über die Krümel und gehen nach draußen. Ha.
Ein schönes Wochenende noch!
Claudi
Hallo Claudi,
du sprichst mir aus der Seele… Jeden Tag und immer und immer wieder das selbe mit gleich. Mein Sohn sagt schon, Mama jetzt ist doch gleich ?
Und dabei reichen ja schon 5-10 Minuten VOLLE AUFMERKSAMKEIT um alle Glücklich zu machen und man steigt abends zufrieden ins Bett weil man sich an diese 5 Minuten am besten erinnert und das schlechte Gewissen nicht so große Chancen hat!
Ja, oder? Ganz genau. Kann doch nicht so schwer sein. Ich übe. #Jetztstattgleich ist mein neues Mantra.
Alles Liebe!
Liebe Claudia, das ist wiedermal ein so treffender und ‘tiefer’ Artikel, der dieses scheinbar allgegenwärtige Mama-Problem ganz toll angeht! Ich werde ihn an einige Freundinnen verschicken! Und ich danke Dir ganz herzlich für solche Texte. Ich habe wirklich das Gefühl, dass Du damit mein Leben veränderst (baaaah, klingt das schnulzig. Aber es ist so. Ich denke über Dinge nach und dann schreibst Du so einen Text und *zack* denke ich ‘ja, genau, so geht es doch!’). Also, hab ein zauberhaftes Wochenende mit vieeeelen Schnecken und Sandburgen 🙂
Ganz liebe Grüße, Doro
Liebe Doro, jetzt machst DU meinen Tag aber schön. Danke für das liebe Feedback.
Beste Grüße von der Schneckenfront,
Claudi
Oh ja, genau so erwische ich mich auch oft. Das muss man tatsächlich erst lernen. Jeder sagt man soll die Zeit mit den Kleinen genießen, sie werden so schnell groß. Aber der Haushalt macht sich ja leider auch nicht von alleine. Einfach mal alles stehen und liegen lassen und das Leben genießen. Du hast so recht, das sollte man viel öfter tun. 😉
LG Evelyn
Hallo liebe Claudia! Ja, so ist es wohl. Da hast du dich, andere Mamis und mich wohl offensichtlich sehr treffend beschrieben. Mir fallen unterwegs auch immer viel zu viele Dinge in die Hände, die dann mal eben schnell noch erledigt werden wollen. Ich glaube, die blöde Kuh Vernunft und die ebenso blöde Kuh schlechtes Gewissen sind beste Freundinnen. Sollen die doch mal einen Kaffee gemeinsam trinken und uns in Ruhe lassen. Schönes Wochenende! Liebe Grüße Goldi
Genau, dann können die beiden da sitzen und rumlästern und wir machen es uns jetzt SOFORT schön.
Ganz liebe Grüße,
Claudi
Das hast Du wirklich treffend geschrieben… Ich erwische mich auch ständig mit einem “ich muss noch schnell” oder “geht gleich los”, und dann ist es ruck-zuck Abend und die Kinder haben sich eine gefühlte Ewigkeit allein beschäftigen müssen. Dabei bekommt man doch Kinder, um die Welt mit ihnen noch einmal zu entdecken, sie sind sooo schnell groß, und so vieles haben wir nicht gemacht…….
Danke für den Denkanstoß
Liebe Grüße
Silke
Kenn ich nur zu gut 😉
Sehr schön geschrieben, ich werde das auch üben!
Liebe Grüße
Sarah
Ach, wie schön! Und wie ich das kenne! Ich habe dazu mal ein Blogpost geschrieben, nachdem ich das Buch “Einen Scheiß muss ich” gelesen habe. Erstens: gute Lektüre, hilft bei einem akuten Anfall von “ich muss noch…” sehr gut. Zweitens: man wird das nicht immer so durchziehen können, wenn man vom Charakter her einfach nicht so gestrickt ist. Aber wenn es nur ein ganz paar Mal hilft, etwas auch mal liegen zu lassen und den Moment zu genießen, dann ist es doch schon gut!
Beispiel: mein Mann und ich (unsere Kinder sind schon aus dem Haus) grillten abends in der Woche spontan und machten uns Cocktails dazu. Die Küche sah echt unordentlich aus und ich räume sie immer abends gleich auf. Aber an DEM Abend nach der Lektüre des besagten Buches wollte ich viel lieber mit meinem Mann noch gemütlich beisammen sitzen und Cocktails trinken. “einen Scheiss muss ich”. Jawohl. Und? Hat geklappt! Als ich am nächsten Morgen in die Küche kam, hatte mein Mann schon aufgeräumt beim Frühstück machen! Genial, oder? So hatte ich erstens den Abend genossen, und zweitens nicht mal Arbeit damit!
Klingt herrlich (und ich werde unauffällig dafür sorgen, dass mein Mann das liest.)
Liebste Grüße!