Es sollte ein Test sein, ein Experiment mit mir selbst. Mein Ziel im neuen Jahr hoffentlich: mehr Zeit. Mit mir, mit meinen Liebsten. Auf der Uhr und noch mehr gefühlt. Wie ich das erreichen will: mit weniger Online-Zeit, vor allem weniger Dauergescrolle auf Instagram. Und: mit dem Genießen des Moments. Ich teilte meinen Vorsatz auf – hoho – Instagram (ausgerechnet da), eigentlich nur um den Druck für mich zu erhöhen. Ich habe nie zuvor mehr begeisterte, zustimmende, interessierte Kommentare auf eine Story bekommen. Das ganze scheint eine riesengroße Sehnsucht von vielen zu sein. Aber von Anfang…

Manchmal dachte ich: “Was macht meine Hand da eigentlich?” In allen möglichen und unmöglichen Momenten tippte sie aufs Handy, guckte hier, guckte da, egal ob ich nebenbei kochte, eigentlich zum Briefkasten gehen wollte oder im Auto Beifahrerin war. Sogar wenn es mit den Kindern Ärger gab oder anstrengend war, ging ich öfter raus oder drehte mich weg und meine Hand ging zum Handy. Wie automatisiert. Wie eine Flucht. Wie schrecklich.

Obwohl ich es besser wissen müsste, hat das auch mit mir etwas gemacht, was ich bei Social Media sah: Der oder die frühstückt schon wieder viel gesünder, der oder die plant eine Weltreise, schade wir nicht. Der oder die hat die Kinderzimmer umgestellt, müsste, könnte, sollte ich auch mal wieder. Um mich herum war so viel Chaos, aus Babygeschrei, vollen Windeln, Trotzanfällen, Spielzeugbergen, Wäschegebirgen und unausgeräumten Geschirrspülern – und was machte ich? Flüchten statt anpacken. Die schnelle Social-Media-Parallelwelt ließ mein Tage noch schneller vergehen, machte alles noch hektischer. Drei perfekte Frühstücke mit einmal scrollen, vier Kinderzimmer mit der nächsten Daumenbewegung, alle perfekt aufgeräumt. Natürlich. Ein Foto mehr noch und dann räume ich auf. Und noch eins und noch eins. Bähm, eine halbe Stunde vorbei. Das ist doch verrückt.

Nicht falsch verstehen, ich mag die App, ich kommuniziere gern darüber, ich nutze sie für den Blog, außerdem ist sie mein, unser persönliches Fotoalbum.  Die Jungs und ich sitzen öfter mal zusammen da und schauen durch meinen Feed, erinnern uns an all die schönen Erlebnisse. Es wäre für mich keine Option, Instagram oder Facebook zu löschen, wie viele meiner Leser es getan und mir davon geschrieben haben. Ich musste mich nur wieder darauf besinnen, was ich an Social Media mag. Und das zuviel selbst von dem was man mag zuviel ist: Wer jeden Tag Apfelstrudel ist, versaut sich den Geschmack darauf. Seit zehn Tagen öffne ich also einmal abends die App, klicke mich eine halbe Stunde bis Stunde durch meine Lieblingsaccounts, schaue Bilder, kommentiere, like und hüpfe auf spannende Blogartikel. Und das ist dann auch wirklich schön. Manchmal gehe ich noch morgens kurz rein, wenn ich für den Blog etwas poste oder zwischendurch, wenn ich einfach Lust habe ein Fotos zu veröffentlichen. Dann zwinge ich mich allerdings, nicht links und rechts zu schauen. In der übrigen Zeit liegt mein Handy oben im Flurregal. Gestern habe ich es sogar  geschafft, es in der Küche liegen zu haben, um damit die Musik zu bedienen. Kein Gedanke mehr an Flucht. Eher ein Hochgefühl, ein Gefühl von Freiheit und Entspannung es nicht zu tun.

Es ist verrückt, so schnell man sich an die Dauernutzerei der App gewöhnt, so schnell gewöhnt man es sich wieder ab. Ich hatte es bereits geahnt und doch ist der Benefit noch viel größer, als ich es erwartet hätte. Ich bin ruhiger, fühle mich entspannter, gelassener. In meinem Kopf läuft wieder mein eigener, unser Film – und das fühlt sich so gut an. Ich habe den Kopf frei, für mich, für alles was ich tun muss – und vor allem für meine Kinder. Ich flüchte mich nicht mehr in eine Parallelwelt. Ich habe mir selbst Zeit geschenkt – und letztendlich war es so einfach. Ich habe seither jeden Tag Yoga geschafft, ich lese wieder, ich schaue meinem Baby ins Gesicht, wenn ich stille oder in ein Buch oder eine Zeitschrift. Ich höre, wie mein Dreijähriger beim Spielen leise jedem Playmobilpony eine andere Stimme gibt. Wie er im Korb seinem kleinen Bruder vorliest. Und sehe ihn zwischendurch sein Shirt hochschieben und seine Puppe stillen, ein kurzer, unglaublich liebevoller Moment.

Noch etwas verschafft mir mehr Zeit. Es klingt schwer nach Frauenzeitschift, aber es ist so wahr: die Dinge mit Muße tun, den Moment genießen und die Jahreszeit annehmen. Wie viele Mamas beschwerte auch ich mich bisher in Dauerschleife, dass die Zeit so schnell vergehe, die Kinder so schnell groß würden. Unter dem Hashtag #dontgrowupsofast findet man bei Instagram tausende Hilferufe dazu. Gleichzeitig dekorieren wir jedoch kurz nach Tannenbaum die Tulpen. Pinnen bei Pinterest Osterideen. Schauen in den Katalogen Sommermode. Gerade bei Instagram möchte jeder der Erste sein. Aber natürlich vergeht die Zeit gefühlt wie ein Wimpernschlag, wenn man sich montags schon wieder nach Samstag sehnt, im Januar nach Ostermontag oder im März nach den Sommerferien. Vorfreude ist schön, keine Frage, aber auch ein nieseliger Januartag hat seinen Reiz. Also sollten wir ihn genießen, statt ihn wegzuwünschen. Ich versuche das gerade. Es ist nicht immer leicht, besonders wenn der Nieselregen gegen die Fensterscheibe klatscht und der Dreijährige sich zum dritten Mal überlegt, jetzt doch nicht mehr raus zu wollen, nachdem ich ihn gerade in Stumpfhose, Hose, Schneehose gesteckt habe. Und trotzdem habe ich bereits jetzt, nach zehn Test-Tagen das Gefühl, dass es funktioniert. Es ist so viel entspannter, mit den Jahreszeiten zu leben, statt ihnen permanent vorauszusein.

Tulpen gibts hier also erst ab März. Dann erfreue ich mich hoffentlich noch viel mehr an ihnen, wie es mir auch viele von euch geschrieben haben. Eine Leserin kommentierte: “Ich habe schon einmal Tulpen gekauft, aber irgendwie fühlte sich das falsch an. Jetzt lasse ich es erstmal wieder. ” Eine andere schrieb: “Nur wer wochenlang bewusst auf matschige Wege und Januarpfützen geguckt hat, kann das erste, zarte Frühlingsgrün so richtig genießen. Mit gefühlten Schmetterlingsflügelschlägen im Bauch und so.”

Auch für Kinder ist es schön, wenn man nicht bloß die nächsten Sommerferien plant, sondern den nächsten Nachmittag, ihn wertschätzt, ihn als kostbar erklärt. Ihn vielleicht sogar mit einer besonderen Kleinigkeit, wie einer heißen Schokolade feiert. Noch etwas: Meine Kinder werden gerne groß, ich möchte mich lieber intensiv mit ihnen über jeden Entwicklungsschritt freuen, als ständig melancholisch alten Babyzeiten nachzutrauern. Fällt mir nicht immer leicht, aber auch dabei arbeite ich an mir. Jede Zeit hat doch etwas Gutes. Ist das nicht ganz wunderbar?

Alles Liebe,

Claudi